Wenn ich es nicht anders wüsste – Redaktionshochhaus und Druckerei der Prantlhausener Zeitung stehen zwischen Industriegleisen und Autobahn südöstlich von München – müsste ich annehmen, die Kollegen drucken ihre Zeitung mit Wasserkraft an der Isar. Alle ihre Mitarbeiter kommen mit Dienstrikschas, deren Tretsklaven dann die Zeitung in München ausradeln. In der Kantine gibt es die Steckrüben, die der Isarkies dort regional so hergibt, gegrillte Isarschadpreussen und Bier, das beim Flaucher verloren gegangen ist, und sich bei den Zeitungswasserrädern fängt. Ausserdem haben die Kollegen das Isarhochufer mit einer riesigen Solaranlage verschandelt, um Strom für ihre Rechner und Server zu erzeugen. Im Winter frieren sie ganz lausig, weil die Heiztemperatur aus Ökogründen 12 Grad nicht übersteigt, und weil es ihnen klimaneutral dreckig geht, schreiben die mies Gelaunten dann Beiträge, dass es allen anderen auch so dreckig gehen soll.
Ich wüsste jedenfalls nicht, was sonst die Kollegen dazu bringt, öffentlich zu fordern, dass man neben Dieselfahrzeugen, die bislang die SZ ausliefern, auch Benziner wörtlich verteufeln soll, von denen im aktuellen Bestand der Mitarbeiter nach meinem Wissen auch der ein oder andere 911er Porsche ist. Und der ist nun wirklich nicht klimaneutral. Trotzdem gibt es also bei der SZ einen lichten Moment, in dem ein Mitarbeiter drei Dinge sagt:
1. Die Debatte um den Diesel ist keine rationale Diskussion, sondern eine einseitige Verteufelung
2. Man soll jetzt auch mit der Verteufelung der Benzinfahrzeuge anfangen.
Und in der Schlussfolgerung impliziert:
3. Jede Form des herkömmlichen und daher die Umwelt schädigenden Verbrennungsmotors ist zu verteufeln.
Das wir nun als Modethema dauernd wiederholt, wie das Märchen von der Gender Pay Gap. Es ist eine schöne Begleitmusik für den Parteitag der Grünen, der als 13-Jahres-Plan für die Wirtschaft beschlossen hat, dass ab 2030, sofern es da noch die grüne Partei geben sollte, die deutschen Hersteller nur noch Elektrofahrzeuge bauen und verkaufen dürfen. Sollten die deutschen Hersteller die kalte Kernfusion erfinden, oder die Brennstoffzelle praxistauglich machen, hätten sie nach dem Willen der Grünen und ihren Vorstellungen vom grünen Auto Pech gehabt.
Politik und Nannyjournalismus gehen, pfui sagend, Hand in Hand. Der Vorschlag der Grünen ist radikal und nach meiner Einschätzung nur unter massiven und keineswegs schönen Folgen für das öffentliche Leben umsetzbar. Vor allem ist der Vorschlag “emissionsfreier Autos” eine glatte Lüge, denn die Energie ist kein Manna, das vom Himmel fällt. Energie für den Verkehr muss erst einmal irgendwo erzeugt werden. Es kann sein, dass das Auto am nicht existierenden Auspuff “emissionslos” ist – nur wird die Emission in Form von CO2, Atommüll, Landschaftszerstörung durch Wasserkraft und Speicherkraftwerken an anderer Stelle erzeugt. Fortbewegung verlangt nach Energie, und solange es kein Perpetuum Mobile gibt, muss Energie mit Einfluss auf die Umwelt erzeugt werden. Diese Debatte ist zusammen mit Überlandleitungen und durch Windanlagen getötete Tiere nicht schön – und das ist meines Erachtens der Grund, warum heute im Netz von solchen Autoren verteufelt wird.
Wenn ich den Gegner – den Traditionalisten, das Auto, Trump, Putin, Benzin, den alten, weissen Mann, den Flüchtling, den Gutmenschen, den Körnerfresser, die klassische Ehe, die Homosexuellen, die Muslime, die AfD – verteufle, also wirklich als Inbegriff des Bösen darstelle, dann ist nicht nur jedes Mittel bei seiner Bekämpfung recht. Dann ist es nicht nur wie bei Spiegel Online durch eine Genderistin diskutierbar, solche Leute mit der falschen Anschuldigung einer Vergewaltigung persönlich zu ruinieren. Dann muss man auch über die anderen Alternativen und ihre Nachteile gar nicht mehr reden. Momentan ist die grosse Mehrheit der Deutschen überzeugt, dass sie ohne ein Auto mit Verbrennungsmotor den Alltag nicht bestehen. Deshalb kaufen sie trotz Förderung kein Elektroauto, pendeln mehrheitlich nicht mit dem Rad, und stellen ihre SUVs bei mir vor der Feuerwehreinfahrt ab, um eine halbe Stunde mit anderen Müttern über die Töchter im Gymnasium gegenüber zu diskutieren. Es ist offensichtlich, dass eine Totalbekehrung der grossen Mehrheit in diesem Land in 13 Jahren nicht einfach wäre, selbst wenn die Alternative besser wäre, als sie in absehbarer Zeit sein wird.
Also muss man geradezu verteufeln, und zwar nicht nur den betrügerischen Diesel, der jeden Besitzer zur schamerfüllten Dreckschleuder und indirekt zum Massenmörder umgestaltet. Man muss im gleichen Zug, wenn man gerade die Gelegenheit hat und wie die Grünen “Climate first” propagiert, gleich alle Verbrenner als Höllenausgeburten darstellen. Wenn das gelingt, und nur dann, sind die offensichtlichen Nachteile der Alternativen, die möglichen Folgen für die deutsche Wirtschaft und ihre stromuntauglichen Oberklassenfahrzeuge, der Niedergang einer Industrie, und der Dreck und die Probleme durch Akkus und Strom vernachlässigbar. Es geht nicht mehr um den Widerstreit der Konzepte oder die rationale Frage der Akkuleistung im Winter, sondern um einen Krieg der Mächte der Finsternis gegen die Kräfte des Lichts.
Ein schönes Beispiel für die Verabschiedung von der Aufklärung und die Renaissance des Totalitarismus einer kleinen Minderheit, die im Netz aber die Debatte beherrscht, ist der obige Tweet von den Grünen – und bitte, ich lasse selbst mein Auto wochenlang stehen, um alles mit dem Rad zu machen. Grüne Welle für Räder, wird da versprochen. Man macht Verkehrsteilnehmern, die das Prinzip kennen, den Mund mit der Lüge des schnellerem Fortkommen wässrig. Man entzieht den automobilen Kräften der Finsternis ein Privileg und gibt es den Kräften des Lichts, die die Stadt erobern. So simpel wie die Verdammnis der Verbrenner ist auch die Erhebung der Guten, Luzifer in die Hölle, die radelnden Engel zum Hosianna. Aber wer sich einmal mit Radfahrern im Strassenverkehr beschäftigt hat, kennt die Unterschiede zu Autofahrern. Autos bewegen sich im Stadtverkehr in berechenbar schnellen Kolonnen fort, und beschleunigen immer von 0 auf 50, egal ob Fiat 500 mit 3 Kindern auf dem Rücksitz oder Ferrari. Die einheitliche Geschwindigkeit der Radfahrer gibt es nicht – es gibt Rennradler, die in 10 Sekunden 40 km/h erreichen und Muttis mit Lastenrädern und Kindern sowie Dienstrikschaverteufelungsredakteure, die sich mit 6-10km/h fortbewegen. Eine grüne Welle für eine anarchische Masse wie Radfahrer ist eine schöne Idee wie Sozialismus, Weltfrieden und Feminismus ohne Hass auf Männer – aber nicht erreichbar. Und vor dem radikalen, aber effektiven Mittel der Italiener – Sperrung der Innenstädte für alle motorisierten Verkehrsteilnehmer, die nicht darin wohnen, und der damit verbundenen Möglichkeit, Ampeln abzuschaffen – schrecken Ökologische im deutlich kälteren Klima des Nordens zurück. Keine der SUV-Muttis vor meiner Feuerwehreinfahrt würde dann noch grün wählen.
Solche Debatten sind extrem unangenehm, allein schon, weil die moralische Überlegenheit in einem enormen Widerspruch zur gelebten Praxis steht. Beispiele gibt es mehr, wie das ebenfalls verteufelte Ehegattensplittung. Darüber sind praktisch alle meine Bekannten in Beziehungen privat heilfroh, weil es die Steuerlast drückt und den Nestbau für real existierende Familien massiv erleichtert, währen grüne Jungpolitikerinnen gerade an der realsozialistischen Segnung “Kita im R2G-Berlin” verzweifeln. Ungeachtet dessen arbeiten Grüne und linke Politiker gerade daran, mit dem Splitting eine Idee der verteufelten “50er Jahre ” – da, wo die verteufelte AfD hin will – nach allen Mitteln der kirchlichen Kanzelkunst schlecht zu reden. Verteidiger des Privilegs, die ganz offen sagen, wie schön es ist, wenn der Staat weniger bekommt, finden sich im Netz selten. Die Grünen haben längst die moralischen Höhen über dem egoistischen Sumpf eingenommen, und versprechen jetzt, dass 15 Milliarden Steuerersparnis zur Entrechtung neuer Ehen gestrichen werden soll, sollten sie an die Macht kommen. (Angebote reicher Erbinnen unter 40, süddeutsch bis toskanisch, katholisch oder atheistisch, cabriotauglich, Typ Romy Schneider/Anouk Aimee, gern auch arbeitsscheu, bitte vor der Bundestagswahl an die Redaktion, Chiffre keinCentfürCemundAnton2017)
Wer nicht der Meinung ist, dass Wirtschaftsmigranten aus Guinea, Nigeria und Bangladesch 100 Meter hinter den libyschen Hoheitsgewässern nach Europa gebracht werden sollten, will als absolut Böser kleine Kinder im Ozean ertrinken lassen. Wer darauf hinweist, dass auch die Pflanzenvielfalt auch durch eine natürliche Art der Gentechnik entsteht, ist böse, selbst wenn er gegen Pflanzenpatente und Saatkaufzwang und Normierung ist. Wer nicht für die Ehe für Alle ist und denkt, dass nun mal jede Lebensentscheidung ihre Vor- und Nachteile hat, mit denen man sich abfinden muss, ist homophob und sexistisch. Wer mit den negativen Folgen des staatlichen Sparprogramms, das sich Inklusion nennt, konfrontiert ist und denkt, dass Kinder ohne Deutschkenntnisse oder mit Behinderung den Unterricht ineffektiv machen, hasst Benachteiligte, und das als Bevorzugter, dem alle Wege offen stehen. Wer – wie ich – mit dem Rad 50km durch die Holledau fährt, ist gut, auch wenn er nachher anderthalb Liter Johannesbeerschorle trinkt und eine riesige Portion isst, deren Produktion in der Landwirtschaft die Umwelt schädigt und CO2 verursacht. Die Familie einen Tisch weiter, die die beiden Opas mit Rollator dabei hat, damit die auch mal wieder an die frische Luft kommen, und dazu mit acht Personen und zwei Autos zum gleichen Biergarten gefahren ist, ist schlecht und zur Verteufelung freigegeben.
So einfach ist das. “Mit dem Rad rund um Scheyern etwas für die Gesundheit getan – leider überall lauter Assis und alte, weisse Männer mit Blechkisten, asozial erschnorrt, weil sie früher splitten konnten” könnte ich als kinderloser Egoist twittern, und wäre voll auf einer Linie mit der SZ, SPON, Zeit, taz und den anderen, die es für ihre heilige Pflicht halten, den Menschen manichäisch von der Finsternis zum Licht zu erziehen. Wie falsch eine derartige Überhöhung des eigenen Standpunkts ist, der keine Diskussion mehr will, sieht man erst, wenn ein teilweise von Medien unterstützer Teil der Moralischen weg von den brennenden, bösen Autos einen Schritt weiter geht. Und erklärt, warum es vollkommen richtig und gerecht ist, den anderen, die nicht so richtig sind, die Kabel entlang der Zugstrecken in Brand zu setzen. Die G20 sind schlecht, und weil es kein richtiges Leben im falschen gibt, richtet sich der Kampf auch gegen die Kabel des Bösen, damit es alle betrifft, wie auch die Autofahrer bei Fahrverboten. Die Mittel zur Umsetzung der Autonomen mögen anders sein, aber eine normale, offene Diskussion über Für und Wider von Technik, Entwicklungen und Wegen in eine bessere Zukunft gibt es nicht. Statt dessen bunte Bildchen, Slogans und, natürlich, Verteufelung.
Es ist wirklich freundlich von den Kollegen der Prantlhausener Zeitung, dass sie einen Moment so ehrlich waren und aufgezeigt haben, wie das Verteufeln von den Pamphleten mittlerweile auf die Webseiten der Mitte gekommen ist. Und würde man dort als Nutzer kommentieren wollen, dass in diesem Fall aber auch die öffentlichen Verkehrsmittel auf Emissionen und Feinstaub untersucht werden sollten. Sollte man anmerken, dass Schadstoffmessungen direkt am Menschen erfolgen könnten, der selbst ein sehr schlechter Verbrennungsmotor mit geringen Leistungsgrad ist. Würde man gern ketzern, dass man im Zweifelsfall die wahrhaft Guten wieder mit dem Leiterwagerl ins Spital bringen sollte, wie man das vor 150 Jahren auch schon klimaneutral und lebens- und verschmutzungsreduzierend machte, und vielleicht den Englischen Garten abholzen sollte, damit der moderne Städter ihre Kartoffeln wirklich im regionalen Anbau selbst erzeugen können, wie schon 1945 – sollte man das wollen, dann entdeckt man, dass die SZ inzwischen keine Kommentare mehr hat. Ganz im Gegensatz zu neuen Beiträgen über den “Mann in der Krise” und seine Sünden, den bösen Trump der Hölle und die zu Tränen rührende Wonderwoman als laizistischen Tränenmadonnenersatz im Kampf um den einzig richtigen Glauben. Wozu Aufklärung, wenn man an Wunder wie emissionslose Autos glauben kann.