Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Monopol aus eigener Leistung

Sei nicht böse. Dieses Motto hatte Google sich einst gegeben. Das Bild der freundlichen Internet-Suchmaschine aber hat Google selbst zerstört. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr wurde Google ertappt, als es auf Computern von Internetnutzern, die mit dem Programm Safari durch das Web surften, kleine Informationspäckchen ablegte – obwohl die Safari-Nutzer dies untersagt hatten. Google brach sein Versprechen, das Verbot zu achten. Mit den sogenannten Cookies öffnete es eine Tür, um zielgerichtet Werbung platzieren zu können. Alles aus Versehen, argumentierte Google – wie in den Jahren zuvor, als es mit seinen Kamera-Autos Straßen fotografierte und nebenbei Daten über E-Mails und Nutzer-Kennwörter sammelte.

© Alfons Holtgreve 

All das ist hässlich. All das hat aber nichts mit dem Vorwurf gegen Google zu tun, es sei ein schädlicher und gefährlicher Monopolist. Auch Unternehmen, die keine überragende Marktstellung wie Google unter den Internet-Suchmaschinen haben, benehmen sich oft daneben. Fehlende Größe ist kein Garant für gutes Betragen, Größe aber führt nicht zwangsweise zu schlechten Sitten.

Internetsuche als Lockvogel

Der Vorwurf des gefährlichen Internetmonopols beruht auf dem Missverständnis, Google sei im Markt für Internet-Suchmaschinen tätig. Doch Google verkauft keine Suchdienste, sondern stellt diese zum Nulltarif als Lockvogel bereit. Die Nutzer der Suchmaschine, von Google Mail, dem sozialen Netzwerk Google Plus oder anderen Diensten sind keine Kunden, sondern Lieferanten. Sie zahlen für die Dienste kein Geld. Doch sie stimmen zu, dass Google Informationen etwa über die Internetseiten sammelt, die ein Nutzer besucht. Wer Google Mail verwendet, genehmigt, dass Google die E-Mails durchstöbert, um maßgeschneidert Werbung liefern zu können. Damit verdient Google seine Milliarden: Das Unternehmen ist im Werbemarkt tätig.

Das ist für beide Seiten vorteilhaft. Maßgeschneiderte Werbung verringert die Informationskosten des Google-Nutzers, wenn er Neuheiten oder Preisschnäppchen sucht. Ungeachtet dessen geht wehleidiges Gejammer von Nutzern ins Leere, wenn Google Dienste wie den Reader aufgibt, um mehr Nutzer in sein soziales Netzwerk Google Plus zu drängen. Wer für einen Dienst nicht bezahlt, darf sich nicht beklagen, wenn die Leistung eingestellt wird. So ist das in der Marktwirtschaft. Niemand zwingt die Nutzer, Googles Suchdienste zu verwenden oder seine Websites von Google erfassen zu lassen.

Was ist der relevante Markt?

Der Vorwurf, Google sei als Anbieter im Werbegeschäft ein Monopolist, ist kaum zu halten. Die Ökonomen Geoffrey Manne und Joshua Wright verweisen auf die entscheidende Frage, was der relevante Markt sei. (Wright wurde gerade als Mitglied der amerikanischen Wettbewerbsbehörde FTC berufen.) Im weitesten Sinne konkurriert Google um Werbeetats mit jedem, der Anzeigenplatz verkauft: Fernsehsender, Zeitungen, Litfaßsäulen etc. Im engeren Sinne konkurriert Google im Internet mit allen Websites, die Werbeplatz anbieten. Es konkurriert vor allem mit Facebook und Twitter, den anderen scheinbar gefährlichen Internetmonopolen. Die drei großen Anbieter von Anzeigenplatz im Internet kann man mit einem engen Oligopol vergleichen, in dem der Konkurrenzdruck üblicherweise am größten ist.

Selbst in der noch engeren Abgrenzung des Werbemarktes nur der Suchmaschinen ist der Wettbewerb groß. Es gibt direkte Konkurrenten wie Yahoo oder Bing von Microsoft, und es gibt spezialisierte Suchmaschinen für Bücher, für Auktionen, für Kleinanzeigen, für Restaurants, für Reisen oder die Partnersuche. Dieser Markt entwickelt sich schnell. Die Sorgen der Überängstlichen, die der Konkurrenz nicht trauen und eine fest zementierte Monopolstruktur sehen, wirken mindestens verfrüht – wenn sie denn überhaupt einen Grund haben.

Der Preis spiegelt die Netzwerkexternalitäten

Theoretisch lautet der Vorwurf der monopolistischen Marktmacht: Als Folge von Netzwerkexternalitäten hat Google in der Internetsuche eine Position erlangt, die Konkurrenten nie mehr aufholen können. Das ist leichter gesagt als bewiesen. Der Wert einer Google-Suche steigt für einen Nutzer nicht, wenn ein anderer Nutzer auf Google zugreift. Direkte Netzwerkeffekte sind für Suchmaschinen so – wenn überhaupt – nur in eng begrenztem Umfang anzunehmen. Wie ist es mit indirekten Netzwerkeffekten? Damit ist gemeint, dass der Preis für eine Anzeige mit der Zahl der Nutzer steigt. Google wird von den Anzeigekunden nur bezahlt, wenn Nutzer Anzeigen anklicken. Indirekte Netzeffekte sind so begrenzt: Wer googelt, aber nie auf bezahlte Links klickt, verschafft dem Unternehmen keine Einnahmen.

Vor allem aber werden die indirekten Netzwerkexternalitäten internalisiert, wie Ökonomen sagen: Sie spiegeln sich zur Gänze im Anzeigenpreis wider, den Google erzielt – mehr noch als bei Tageszeitungen. Selbst kleinere Anbieter von Suchmaschinen können so effizient konkurrieren, indem sie sich auf ein ausgewähltes Publikum konzentrieren, das vielleicht noch höhere Werbepreise bringt. Googles schiere Größe ist keine unüberwindbare Markteintrittsbarriere.

Auch der Vorwurf, Google verhindere mit der Internet-Suche zum Nulltarif, dass neue Anbieter sich mit zeitweisen Kampfpreisen in den Markt hineinkonkurrierten, steht auf wackeligen Füßen: Microsoft lockte anfänglich Nutzer seine Suchdienstes Bing mit Rabatten auf seine Internet-Seite, wenn sie über Bing-Suchergebnisse Waren kauften. Selbst ein Preis von Null kann noch unterboten werden.

Google ist jederzeit angreifbar

Bleibt die Vermutung, dass Google mit der großen Nutzerzahl seinen Such-Algorithmus so sehr verbessern kann, dass Konkurrenten machtlos sind. Diese theoretisch interessante Behauptung wird nicht dadurch besser, dass sie oft wiederholt wird. Manne und Wright berufen sich auf Branchenkenner, wenn sie feststellen, dass der Größenvorteil eine Mindestzahl an Nutzern bedinge und danach schwinde. Die notwendige Mindestzahl an Nutzern sei heute von allen Suchmaschinen erreicht. Damit entfällt die bizarre These, Google sei ein natürliches Monopol. Man kann sich das auch durch einen Blick in die Geschichte verdeutlichen: Als Google mit seinem effektivem Such-Algorithmus andere Konkurrenten aus dem Feld schlug, war seine Nutzerzahl kleiner als die Nutzerzahl seiner heutigen Mitbewerber, notieren die beiden Ökonomen.

Verzweifelt betonen die Bedenkenträger, dass Googles Gewinne unlautere Wettbewerbsvorteile seien. Diese Behauptung basiert nicht auf Netzwerkeffekten. Sie entspringt der Furcht, dass die Kapitalmärkte versagen, um Konkurrenten auf die Beine zu helfen. Das Argument erledigt sich beim Blick auf finanzstarke Mitbewerber wie Microsoft oder Facebook.

Sehr viel spricht so dafür, dass Google seine überragende Stellung nicht durch Absonderlichkeiten des Marktes für Suchmaschinen erlangt hat, sondern durch die eigene Leistung, einen hocheffektiven Suchalgorithmus entwickelt zu haben. Google ist damit jederzeit angreifbar durch Wettbewerber, die sich eine noch bessere Suchmethode ausdenken. Google unter Wettbewerbskontrolle zu stellen hieße, es für seine Innovation zu bestrafen und künftige Innovatoren abzuschrecken. Es gilt zugleich die Erkenntnis des Wirtschaftsnobelpreisträgers Ronald Coase: „Wenn ein Ökonom etwas findet, das er nicht versteht, schaut er nach einer Monopolerklärung.“ Das führt schnell in die Irre.

Ein Nachwort zu Facebook

Ein Nachwort zu Facebook, dem zugleich nachgesagt wird, es sei ein schädliches und gefährliches Monopol. Facebook bietet zuvörderst ein soziales Netzwerk zum Nulltarif an, um – analog zu Google – Werbeplatz zu verkaufen. Im Gegensatz zu Google gibt es indes bei Facebook direkte Netzwerkeffekte in größerem Ausmaß. Niemand möchte sich in einem sozialen Netzwerk herumtreiben, in dem er alleine ist. Zumindest theoretisch erhöht jeder zusätzliche Nutzer deshalb den Wert des Netzwerkes für alle anderen. Kann das eine dauerhafte Monopolstellung zementieren? Die Revolution der sozialen Netzwerke ist für ein Urteil noch viel zu jung. Dagegen spricht, dass mehr noch als bei Google der Markt für soziale Netze ausdifferenziert ist. Plattformen wie „Linked In“ oder Xing sprechen etwa mit einigem Erfolg Nutzer an, die im Internet ein berufliches Netzwerk aufbauen möchten. Nicht spricht auch dagegen, dass Nutzer mehre Netzwerke parallel verwenden. Darauf weist der frühere Vorsitzende der deutschen Monopolkommission, Justus Haucap, hin. Facebook hat den Wettbewerb nicht lahmgelegt.

Sicher ist allein, dass die Zusammenballung in einem Netz den Nutzern Vorteile bringt. Monopolitische Stellungen in Märkten mit Netzwerkeffekten sind deshalb nicht per se schädlich, auch wenn bei manchem Ökonomen schon beim Wort Monopol alle Alarmglocken schrillen. Das plakative Bild, Monopole würden im Wettbewerb der Internetwirtschaft nur von Monopolen abgelöst und der Nutzer leide auf jeden Fall, führt deshalb in die Irre. Entscheidend ist allein, ob Facebook Vorteile hat, die ein anderer Anbieter sich nicht auch erarbeiten kann. Das ist nicht wirklich zu sehen.

Eine Gefahr für das scheinbar so gefährliche Facebook zeichnet sich jetzt schon ab: In den Vereinigten Staaten mehren sich die Berichte, dass junge Internet-Nutzer Facebook schmähen, weil es „uncool“ sei, sich in dem sozialen Netzwerk zu tummeln, in dem die Eltern aktiv sind. Merke: Auch ein jugendlicher Mark Zuckerberg bekommt irgendwann graue Haare. Die Facebook-Mode kann schnell vergehen. Am lebendigen Markt kommt die Gefahr für scheinbar gefährliche Internet-Monopole aus Ecken, in die wettbewerbspessimistische Ökonomen oft nicht schauen.

 

Der Beitrag ist eine erweiterte Fassung des “Sonntagsökonoms” aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 31. März.

 

Geoffrey Manne, Joshua Wright (2011): Google And The Limits Of Antitrust: The Case Against The Antitrust Case Against Google. Harvard Journal of Law & Public Policy, Bd. 34.

Justus Haucap, Ulrich Heimesdorf (2013): Google, Facebook, Amazon, eBay: Is the internet driving competition oder market monopolization? DICE Discussion Paper, No. 83.