Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Lieber arbeiten als Kinder hüten

Mütter haben weniger Stress und bleiben gesünder, wenn sie Vollzeit arbeiten.

© HoltgreveBesser so: Kinder haben und arbeiten

Wer kleine Kinder hat (oder Freunde mit kleinen Kindern), der kennt diese Diskussion, die Eltern stundenlang miteinander führen können: Wem geht es besser? Dem Elternteil, der tagsüber zu Hause ist und die Kinder betreut? Oder dem Elternteil, der nach einer unruhigen Nacht arbeiten gehen muss und am besten trotzdem wieder pünktlich zu Hause sein soll, auch wenn die Arbeit gerade besonders drückt? Dieser Streit neigt sich gerade einer Entscheidung zu. Die wird den arbeitenden Elternteilen nicht immer gefallen. Und auch nicht allen Männern.
Alles begann mit der Soziologin Arlie Hochschild, die 1997 feststellte, dass sich Freizeit und Arbeit verwischten. Mehr noch: Manche Arbeitnehmer waren gar nicht böse, wenn sie ins Büro gehen und dem trubeligen Haushalt entfliehen konnten.

Dazu kam ein zweites, überraschendes Forschungsergebnis: Vor zwei Jahren stellten die beiden amerikanischen Soziologinnen Adrianne French und Sarah Damaske fest, dass arbeitende Mütter nicht etwa vom vielen Stress krank werden. Sie untersuchten den Gesundheitszustand von 40-jährigen Müttern, die nach der Ankunft der Kinder Hausfrau geworden waren oder die weitergearbeitet hatten. Das überraschende Ergebnis: Am gesündesten waren die Mütter, die möglichst lange durchgearbeitet hatten. Teilzeit arbeitende Mütter waren etwas gesünder, und die Mütter, die mit der Arbeit ganz ausgesetzt hatten, bekamen die meisten Gesundheitsprobleme.

Ein Teil der Unterschiede ließ sich noch mit Effekten erklären, die mit der Arbeit wenig zu tun hatten. Natürlich waren es nicht immer die arbeitenden Frauen, die gesund blieben – sondern es waren auch die gesunden Frauen, die besonders oft arbeiteten. Ein anderer Teil der Unterschiede stammte daher, dass die Hausfrauen später nicht in den Beruf zurückfanden und darunter litten. Doch am Ende blieb eine Erkenntnis stehen: Die Doppelbelastung von Arbeit und Kindern machte die Mütter nicht etwa krank, sondern half ihnen, gesund zu bleiben – und zwar umso eher, je länger die Mütter arbeiteten.

Arbeit ist weniger aufreibend als Kinderbetreuung

Eine der Autorinnen von damals hat jetzt nachgelegt. An der Pennsylvania State University hat sich Sarah Damaske zwei Kollegen geschnappt und arbeitende Menschen, Männer und Frauen, sechsmal am Tag nach ihrer Stimmung gefragt: Fühlt ihr euch wohl? Habt ihr Stress? Die Probanden mussten sogar Speichel abgeben, der dann auf das Stresshormon Cortisol untersucht wurde.

Dabei lernten die Forscher eine Menge. Zum Beispiel: Hohe Einkommen werden häufig mit großem Stress erkauft. Wer viel verdiente, fand meistens die Arbeit anstrengender als die Zeit zu Hause. Wer dagegen mittelmäßig oder wenig verdiente, für den war die Zeit bei der Arbeit meistens die entspannteste Zeit des Tages. Das galt für die meisten Leute. Aber wie ist das mit den Kindern?

Nun weiß die Glücksforschung schon seit einiger Zeit: Kinderbetreuung macht keinen Spaß. Eltern sind zwar mit ihrem Leben sehr viel zufriedener, wenn sie Kinder haben – die Zeit aber, in der sie auf ihre Kinder aufpassen, ist oft nicht sehr vergnüglich. In mancher Umfrage landet die Kinderbetreuung in den Beliebtheitsnoten weit hinter der Arbeitszeit, nur knapp vor der Hausarbeit.
Doch kann das den Stress ausgleichen, dass sich arbeitende Eltern ständig zwischen den Anforderungen in der Arbeit und den Bedürfnissen ihrer Kinder zerreißen müssen? Dass sie immer wieder in Hektik geraten, damit sie ihr Kind rechtzeitig aus der Kita abholen können? Dass sie immer wieder Ersatzlösungen organisieren müssen, wenn ein Kind krank wird?

Offenbar ist die Arbeit trotz allem weniger aufreibend als die Zeit zu Hause. Soziologin Damaske hat dafür eine einfache Begründung. Egal wie stressig die Arbeit auch sein kann: Arbeitssorgen werden doch nie so existentiell wie die Probleme, die zu Hause warten können. Wenn im Beruf alles viel zu schlimm wird, kann man immer noch kündigen. Mit den Kindern ist das nicht so leicht. Dort sind die Sorgen größer, die Konsequenzen heftiger, und eine Kündigung gibt es nicht.

Vor allem die Mütter fühlen sich bei der Arbeit wohl

Dieser Umstand scheint vor allem die Mütter zu belasten. Denn sie sind es, die sich bei der Arbeit wohler fühlen als zu Hause. Die Männer sind bei der Arbeit ebenso glücklich wie die Frauen–aber sie genießen die Zeit zu Hause noch mehr.

Warum profitieren gerade die Mütter so von der Arbeit? Nehmen Frauen die häuslichen Sorgen ernster als Männer? Sind die Väter von ihrer Arbeit genervt, weil sie so oft gut bezahlte, aber eben stressige Arbeit machen? Oder zeigt sich hier, dass Frauen, die mit ihrem Arbeitsplatz nicht zufrieden sind, eher mal kündigen und zu Hause bleiben? Eine klare Antwort auf diese Fragen gibt es noch nicht.

Ungeklärt ist auch noch, ob all das auch in Deutschland gilt. Die Untersuchungen von Sarah Damaske stammen alle aus den Vereinigten Staaten. Katharina Spieß am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung weiß, dass arbeitende Mütter in Deutschland sich eher unter Zeitdruck fühlen als Mütter, die zu Hause bleiben– dass sich aber die grundsätzliche Lebenszufriedenheit von arbeitenden und nicht arbeitenden Müttern kaum unterscheidet. Doch es gibt für Deutschland noch keine Untersuchungen, die den Stress-Effekt der Arbeit ebenso genau messen wie diese neue Studie aus Amerika.

Und wenn die nächsten Studien zu diesem Thema kommen, dann können die Forscher auch noch eine weitere seltsame Beobachtung aufklären: dass kinderlose Leute zu Hause noch mehr Stresshormone produzieren, als das die Eltern tun.

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