Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Der Blues der Schwellenländer

In der Geschichte sind Länder wie Deutschland durch die Industrialisierung reich geworden. Heute demonstriert dies China. Der Ökonom Dani Rodrik hat jedoch eine schlechte Nachricht parat: Industrialisierung wird für viele Schwellenländer keine Reichtumsmaschine mehr sein. Dienstleistungen jedoch können die Industrie nicht adäquat ersetzen.

Über Jahrzehnte existiert nunmehr die Vorstellung, die Schwellenländer würden durch eine nachholende Industrialisierung erhebliche Fortschritte erzielen und durch ihre Einbindung in die Weltwirtschaft auch für die alten Industrienationen nützlich sein. China steht für diese Vorstellung.

Dani Rodrik, 1) einer der führenden Entwicklungsökonomen, lehnt die Idee ab, dass die chinesische Industrialisierung ein Vorbild für die meisten anderen Schwellenländer sein wird. Er argumentiert so: Für die meisten Schwellenländer wird die Industrialisierung künftig wenig bieten; er spricht von einer “vorzeitigen Deindustrialisierung”. Daher werden sie sich auf Dienstleistungen verlegen müssen, meist in Bereichen mit niedriger Produktivität und niedrigen Löhnen. Folglich müssen optimistische Schätzungen für das wirtschaftliche Wachstumspotential der Schwellenländer nach unten revidiert werden.

Seine Argumentation berührt drei Punkte.

Warum wird Industrialisierung uninteressant? Der Grund ist der technische Fortschritt, der für die Industrie mehr Kapital und hochqualifizierte Arbeit erfordert. Beides ist in vielen Schwellenländern ein knappes Gut. Traditionelle Industrien in denen viel einfache Arbeit angeboten wurde, wie Textilien und Stahl, sind keine Wachstumsbranchen mehr. Zudem lässt der Industriegigant China vielen anderen Schwellenländern nur mehr kleine Nischen für deren Industrie.

Warum sind hochwertige Dienstleistungen keine Alternative? Wer heute in einem deutschen Unternehmen eine Frage zu einem IT-Thema hat,  wird in nicht wenigen Fällen mit einem Mitarbeiter in Bangalore verbunden. Gleichwohl ist die Rolle der Informations- und Kommunikationstechnologie für die indische Volkswirtschaft bescheiden geblieben. Für Rodrik ist das nicht erstaunlich. Solche international wettbewerbsfähigen Dienstleistungen sind hoch produktiv und versprechen hohe Löhne, aber sie können nur einen kleinen Teil des Arbeitsangebots absorbieren, weil es zu wenig qualifizierte Arbeit gibt.

Was ist mit anderen Dienstleistungen? Nach Rodrik landen in den Schwellenländern viele Menschen, die vom Land in die Städte ziehen, in einfachen Dienstleistungen wie dem meist nicht im internationalen Wettbewerb stehenden Einzelhandel, wo eine hohe berufliche Qualifikation nicht so wichtig ist. Dafür ist hier die Produktivität niedrig und die Vergütung gering. Im Unterschied zur Industrie besteht bei diesen einfachen Dienstleistungen auch nicht die Hoffnung auf starke Produktivitätsgewinne.

Wenn aber Schwellenländer nicht auf starke Produktivitätsgewinne bauen können – was bleibt ihnen dann? Nach Rodrik nur die Hoffnungen auf eine langsame und langfristige Verbesserung: “Growth therefore must rely on the much slower accumulation of economy-wide capabilities in the form of human capital and institutions. So I remain skeptical that a services-led model can deliver rapid growth and good jobs in the way that manufacturing once did. Even if the technological optimists are right, it is difficult to see how that will enable developing countries to sustain the kind of growth they experienced over the last couple of decades.”

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1) Dani Rodriks Arbeiten sind in F.A.Z. und FAZIT schon häufiger Thema gewesen, zum Beispiel hier und hier und hier.