Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Innenansichten eines Molochs

Schon Joseph Schumpeter wusste: Nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung erfordert eine leistungsfähige Finanzwirtschaft. Aber wenn die Banken zu groß werden, beginnt das Wirtschaftswachstum zu leiden.

Geld zu Beton zu Geld: Seit der Finanzkrise schauen Ökonomen kritischer hinter die Fassaden der Finanzplätze, wie hier in Frankfurt. Wie viel Bank ist gut für die Wirtschaft?© ReutersGeld zu Beton zu Geld: Seit der Finanzkrise schauen Ökonomen kritischer hinter die Fassaden der Finanzplätze, wie hier in Frankfurt. Wie viel Bank ist gut für die Wirtschaft?

Wer auf ein unzureichend erforschtes Gewässer hinausfährt, sollte einen soliden Anker mitnehmen. Der Anker für diesen Beitrag über die moderne Finanzwirtschaft ist Joseph Schumpeters im Jahre 1912 erschienene Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. In der Öffentlichkeit verbindet sich mit dem Namen Schumpeter meist der Begriff “schöpferische Zerstörung”, der wirtschaftlichen Wandel als Folge innovativer Unternehmer beschreibt, die Geschäftsmodelle alter Unternehmen ablösen. Weniger bekannt ist, dass nach Schumpeters Ansicht der innovative Unternehmer ohne leistungsfähige Banken gar nicht zustande kommt.

Schumpeter unterschied idealtypisch zwei Wirtschaftswelten. Er ging zunächst von einer statischen Welt aus, wie sie zuvor der französische Ökonom Léon Walras in seiner Gleichgewichtstheorie beschrieben hatte: Die Menschen leben in einer Art Nullzeit, in der das Wirtschaftswachstum, die Inflationsrate und damit auch der Zins nahe Null verharren. Diese Welt wurde lange Zeit als ein rein theoretisches Konstrukt verstanden, aber die aktuelle ökonomische Lage und die Debatten über eine säkulare Stagnation lassen die Nullzeit als ein denkbares wirtschaftliches Szenario für die nahe Zukunft erscheinen. Schumpeter wusste schon vor rund 100 Jahren, was heute Bankvorstände und ihre Ökonomen mit Schrecken herausfinden: In einer solchen Welt leitet sich kaum eine Existenzberechtigung für traditionelle Banken her, da es nur wenig zu finanzieren gäbe. Und er wusste auch, dass Sparer in einer solchen Welt keine Zinsen erwarten können.

In Schumpeters alternativer Welt reißen junge und dynamische Unternehmer die statische Wirtschaft aus der Nullzeit heraus, indem sie mit neuen Kombinationen der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital nützlichere Güter und Dienstleistungen auf den Markt bringen. Nur: Diese jungen Unternehmen haben annahmegemäß kein Geld  und nach Schumpeter bedarf es daher kreditgebender Banken, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen. In einer Epoche, in der Kenntnisse der Antike noch an guten Schulen unterrichtet wurden, verglich Schumpeter seine schöpferischen Unternehmer mit den Königen Spartas und die Banken mit den “Ephoren”. So wurden in Sparta hohe Beamte genannt, die gemeinsam mit den Königen den Staat führten und erhebliche Befugnisse besaßen. Das Fazit von Schumpeters Theorie lautet: Wirtschaftliches Wachstum entsteht aus dem Zusammenwirken innovativer Unternehmer mit den Banken. Ohne innovative Unternehmen gibt es keine Banken, aber umgekehrt gibt es ohne Banken auch keine innovativen Unternehmen und damit auch kein Wirtschaftswachstum. Sollte dies richtig sein, wären zeitgenössische Forderungen nach einer sehr viel kleineren Finanzbranche möglicherweise kontraproduktiv.

Schumpeter war einer der ersten Ökonomen, der die bis heute häufig nicht richtig verstandene Geldentstehung durch Kreditvergabe von Geschäftsbanken begriffen hatte. Der Österreicher erkannte, dass eine zusätzliche Geldproduktion zugunsten von Unternehmen, die erst später Güter produzieren werden, am Anfang inflationär wirkt. Aber er hielt dies für unumgänglich, um das Wirtschaftswachstum in Gang zu bringen, und er betrachtete es als unbedenklich, weil mit der späteren Tilgung der Schulden durch die Unternehmen das zusätzlich geschaffene Geld wieder verschwinden würde.

Wichtig ist: Schumpeter hielt nur Geldproduktion der Geschäftsbanken durch  Finanzierung innovativer Unternehmen für zulässig; die Finanzierung von Konsum oder Investitionen in altmodischen Branche auf diesem Wege lehnte er ab: “Der einzig wirklich gültige Schluss ist der, dass der Kreditapparat so gebaut ist, dass er der Verbesserung des Produktionsapparats dient und jede andere Benutzung unter Strafe stellt.” Schulden sind nicht per se gut oder schlecht.

In der Theorie von 1912 wissen kundige Banker, welche Unternehmen sie zu finanzieren haben und der wirtschaftliche Entwicklungsprozess verläuft daher störungsfrei. Eine Weltwirtschaftskrise später entwickelte Schumpeter in seinem 1939 erschienenen Monumentalwerk über Konjunkturzyklen ein differenziertes Bild, das eine schwere Krise als Option zulässt, sie aber nicht erzwingt. Hier beginnen die Banken mit der vernünftigen Finanzierung innovativer Unternehmen, aber eine durch das Wirtschaftswachstum und steigende Börsenkurse ausgelöste Euphorie lässt die Banker ihren kühlen Kopf verlieren und auch andere, weniger rentable Projekte finanzieren. Die Finanzwirtschaft bläht sich  auf und die kreditfinanzierten Spekulationsblasen finden anschließend ein Ende in einer schweren Wirtschaftskrise. Ursprünglich war Schumpeter der Ansicht, ein stabilisierendes Eingreifen der Politik wäre unnötig, weil neue innovative Unternehmen alleine für den Wiederaufstieg der Wirtschaft sorgen würden. Später räumte er in sehr schweren Krisen eine Rolle für aktive Konjunkturpolitik ein.

Vorzüge starker Banken

Schumpeters Konjunkturtheorie fiel rasch in Vergessenheit und auch in der jüngsten Finanzkrise wurde sie nicht wieder entdeckt. Aber die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Banken – oder allgemeiner: der Finanzwirtschaft – und der Entwicklung der Realwirtschaft besteht, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgenommen, allerdings mit widersprüchlichen Schlussfolgerungen. Der Finanzökonom und Nobelpreisträger Merton Miller vertrat die These, der Beitrag der Finanzbranche zum Wirtschaftswachstum wäre so offensichtlich, dass er keiner Diskussion bedürfte. Der Makroökonom und Nobelpreisträger Robert Lucas wiederum warnte vor einer Überschätzung der Finanzbranche und weite Teile des ökonomischen Mainstreams schlossen sich dieser Überzeugung an. Ein Beispiel ist jener Zweig der modernen Wachstumstheorie, der sich “neo-schumpeterianisch” nennt: In ihm sorgen im Geiste des Altmeisters innovative Unternehmer für Wirtschaftswachstum. Leider ist der Banker abhanden gekommen.

Kein Ökonom hat sich in der jüngeren Vergangenheit intensiver mit dem Verhältnis von Finanzwirtschaft und Realwirtschaft befasst als der Amerikaner Ross Levine. In einem vorläufigen Fazit antwortete er vor rund zehn Jahren auf die Frage, ob die Finanzwirtschaft für das Wirtschaftswachstum wichtig ist, sinngemäß mit: “Ja, aber…” Denn es liegen viele empirische Untersuchungen vor, die für verschiedene Länder ein paralleles Wachstum von Finanz- und Realwirtschaft nachweisen. Aber häufig bleibt unklar, was Ursache ist und was Wirkung. Vielleicht vermag eine aus sich selbst heraus wachsende Realwirtschaft die Entwicklung der Finanzwirtschaft zu treiben, ohne von ihr abhängig zu sein. Diese, Schumpeter widersprechende Annahme ist implizit in vielen gesamtwirtschaftlichen Modellen enthalten, die vor der Krise von 2007 unter anderem von Notenbanken konsultiert wurden. Nach Abwägung vieler Bedenken sieht Levine jedoch die These von der Unterstützung des Wirtschaftswachstums durch eine wachsende Finanzbranche als plausibel an.

Auf welche Weise könnte die Finanzwirtschaft das Wachstum der Realwirtschaft stimulieren? Hier ist  die empirische Erkenntnis wichtig, nach der die reine Bildung von Sachkapital das langfristige Wirtschaftswachstum fast gar nicht antreibt, wohl aber die Entwicklung der Bevölkerung sowie der Produktivitätsfortschritt. Das Bevölkerungswachstum kann von der Finanzbranche  unmittelbar nicht gefördert werden, wohl aber das Produktivitätswachstum durch die finanzielle Unterstützung technischen Fortschritts. Schumpeters Bild von der Rolle der Banken scheint somit auch für unsere Zeit zu gelten. Levine nennt fünf Instrumente, mit denen die Finanzwirtschaft nach der Theorie hilfreich wirken kann:

  • die Beschaffung von Informationen über lohnenswerte Investitionsprojekte
  • die Überwachung des Kreditnehmers nach der Finanzierung
  • die Erleichterung des Handels, der Diversifizierung und des Managements von Risiken
  • die Zusammenführung individueller Ersparnisse und ihre Mobilisierung
  • die Erleichterung des Handels von Gütern und Dienstleistungen.

Das sind Kernelemente der modernen Theorie der Bank. Eine praktische Schwierigkeit besteht jedoch in der fehlenden Möglichkeit, die fünf Einflussfaktoren präzise zu messen. Daher hat sich  als Indikator für die Finanzwirtschaft die Summe der Bankkredite an Unternehmen und Privathaushalte im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) etabliert, weil diese Daten für zahlreiche Länder und für lange Zeiträume verfügbar sind. Daraus entstand dann die Überzeugung, dass eine wachsende Verschuldung der privaten Unternehmen und Haushalte das Wirtschaftswachstum befördert. Privatverschuldung galt als vorteilhaft und wurde daher von vielen Ökonomen unkritisch gesehen.

In einer Vielzahl von Studien fächerten Ökonomen diesen Zusammenhang weiter auf. Raghuram Rajan und Luigi Zingales belegten Ende der neunziger Jahre, wie sehr in den Vereinigten Staaten von externen Finanzierungen abhängige Branchen wie die Pharmaindustrie von der wachsenden Bankenbranche profitierten. Wenige Jahre später zeigte Thorsten Beck, dass Länder mit gut entwickelten Finanzwirtschaften in Branchen mit hoher Fremdfinanzierung stark im Exportgeschäft sind. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes schien offenbar auch von der Leistungsfähigkeit seiner Finanzwirtschaft abzuhängen.

 

Kosten der Finanzwirtschaft

 

Doch seit einigen Jahren dreht sich der Wind, nachdem die Finanzwirtschaft in den Industrienationen überproportional stark gewachsen ist. So entfielen in den Vereinigten Staaten im Jahre 1950 nur 2,8 Prozent des BIP auf die Finanzwirtschaft. Im Jahre 1980 betrug ihr Anteil 4,9 Prozent und im Jahre 2006 gar 8,3 Prozent. Mehrere Gründe haben zu dieser Entwicklung beigetragen, darunter der politische Rahmen wie Deregulierungen, Subventionierungen und die Geldpolitik, aber auch der technische Fortschritt, der säkulare Rückgang des Realzinses sowie eine steigende und zunehmend diversifizierte Nachfrage nach Finanzprodukten.

Heute macht die These von der Vorteilhaftigkeit einer wachsenden Finanzbranche für das Wirtschaftswachstum in den Industrienationen einer entgegengesetzten Auffassung Platz, nach der eine wachsende Finanzbranche das Wirtschaftswachstum schädigen kann. Mehrere Trends haben zu dieser Neuorientierung beigetragen.

  1. Die Privatverschuldung ist in den Industrienationen viel zu schnell gewachsen, weil Banken gegen Schumpeters Prinzip verstoßen haben und neben innovativen Unternehmen auch wenig produktivitätssteigernde Projekte finanzierten. Nach Berechnungen des Ökonomen Adair Turner ist im vergangenen Vierteljahrhundert in den Industrienationen die Kreditvergabe an Unternehmen und Privatpersonen im Durchschnitt um 10 bis 15 Prozent im Jahr gewachsen, während gleichzeitig das nominale BIP nur um 4 bis 5 Prozent im Jahr zulegte. Das spricht für eine sehr ineffiziente Kreditvergabe. Ein großer Teil der Bankkredite wurde zur Finanzierung von Immobilien vergeben und gerade hier kam es zu erheblichen Fehllenkungen von Kapital, wie sich anhand schwerer Immobilienkrisen mit anschließenden Leerständen zeigen lässt. “Je reicher die betrachteten Länder werden, umso weniger eignet sich das Verhältnis von privatem Kredit zum BIP – und besonders von Unternehmenskrediten – als ein Indikator für die geschäftliche Ausrichtung von Banken”, schreibt Beck.
  2. Schumpeter beschränkte seine Analyse der Finanzwirtschaft weitgehend auf Banken, aber trotz der wichtigen Rolle der Banken als Kreditgeber ist heute eine differenzierte Betrachtung notwendig. Robin Greenwood und David Scharfstein weisen in einer Studie über die amerikanische Finanzwirtschaft nach, dass in den vergangenen Jahrzehnten das Geschäft der Versicherer stetig wuchs, aber neben dem Bankgeschäft auch die Vermögensverwaltung, die aus der Sicht ihrer Betreiber Gebühreneinnahmen generiert, sehr stark gestiegen ist. Daneben spielen vor allem in den angelsächsischen Ländern Schattenbanken wie Hedge Fonds und Geldmarktfonds eine bedeutende Rolle. Arbeitsteilung ist auch in der Finanzwirtschaft im Grundsatz eine positive Entwicklung, die von einer wachsenden Nachfrage nach maßgeschneiderten Finanzprodukte profitiert. “Nach unserer Ansicht ist die professionelle Vermögensverwaltung vorteilhaft gewesen, indem sie eine wachsende Beteiligung der Anleger an den Finanzmärkten und eine Diversifizierung erlaubte”, argumentieren Greenwood und Scharfstein. Doch sie setzen fort: “Es existiert vermutlich zu viel aktive Vermögensverwaltung zu hohen Kosten, die Renten für die Finanzwirtschaft erzeugt und berufliches Talent von produktiveren Wirtschaftsbranchen ablenkt.” Dieses Argument lässt sich, wie der nächste Punkt zeigt, ausweiten.
  3. Banken und andere Finanzunternehmen haben nach Untersuchungen unter anderem von Stephen Cecchetti und Enisse Kharroubi (hier und hier) dem Produktivitätsfortschritt und damit dem Wirtschaftswachstum geschadet, indem sie sehr gut ausgebildete junge Leute, die in anderen Branchen hohen Nutzen hätten stiften können, für nicht selten wenig produktive Zwecke extrem gut bezahlen. Im Jahre 1980 verdiente ein durchschnittlicher Mitarbeiter in der amerikanischen Finanzbranche so viel wie ein Mitarbeiter in anderen Branchen. Im Jahre 2006 verdiente der Mitarbeiter in der Finanzbranche 70 Prozent mehr. Kein Wunder, dass zahlreiche Absolventen erstklassiger Hochschulen in die Finanzwirtschaft wechselten, wo die Unternehmen nicht nur Absolventen der Wirtschaftsfakultäten und Business Schools nachfragten, sondern auch Ingenieure, Mathematiker, Informatiker und Naturwissenschaftler einstellten.
  4. Obgleich die Finanzgeschichte der vergangenen Jahrhundert voll ist mit Episoden, in denen hohe Privatverschuldung schwere Finanzkrisen auslöste, geriet dieser Zusammenhang in den Jahrzehnten vor 2007 in Vergessenheit. Die Existenz großzügiger Schattenbanken ist in der Lage, die von großzügigen Banken ausgehenden Gefahren noch zu vergrößern. Doch wenn die Verschuldung von Unternehmen und Privathaushalten über einen langen Zeitraum schneller wächst als das nominale BIP, erlischt irgendwann die Schuldentragfähigkeit. Neuere Arbeiten von Ökonomen zeigen, wie nicht selten eine hohe Verschuldung am Immobilienmarkt Krisen auslöst, die zunächst die Solvenz von Finanzinstituten gefährden und dann auf die Realwirtschaft ausstrahlen. Als weiterer Nachteil des Immobilienbooms kommt hinzu, dass in dieser Phase Arbeitskräfte in die wenig produktive Baubranche gelockt werden – solche Kreditbooms reduzieren nach einer Studie aus der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich Schäden für die Produktivität der Gesamtwirtschaft. Ob die überdimensionierte Finanzwirtschaft anschließend schrumpft, ist aus zwei Gründen unsicher, auf die Turner verweist. Zum einen verschwinden nach Krisenausbruch die Schulden nicht, da Regierungen Massenkonkurse von Unternehmen und Bankzusammenbrüche verhindern wollen und daher bereit sind, private Schulden gegen die Ausgabe zusätzlicher staatlicher Schulden zu übernehmen. Für die Banken bedeutet dies, dass sie nicht schrumpfen, sondern in ihrer Bilanz weniger Kredit an Private, aber dafür mehr Staatsanleihen ausweisen. Zum zweiten setzt traditionelle Politik darauf, die Banken in einer Krise zu stabilisieren, damit sie anschließend einen Konjunkturaufschwung mit neuen Krediten an Private finanzieren. Eigenkapitalschwache Banken, die noch zahlreiche Kredite fragwürdiger Bonität in ihren Bilanzen haben, sind jedoch in ihrer Fähigkeit zur Kreditvergabe beschränkt. Die realwirtschaftlichen Kosten von Finanzkrisen, die auf zu hoher Verschuldung und damit auf einer zu großen Finanzbranche beruhen, sind immens.

 

Der moderne Schumpeter

 

Heute bleiben Schumpeters Einsichten ein Orientierungspunkt in einer überaus komplexen Welt. Viele Schwellen- und Entwicklungsländer haben eine unterentwickelte Finanzbranche und hier gilt die Feststellung von Cecchetti und Kharroubi: “Wenn das Kreditvolumen oder die Beschäftigung in der Finanzbranche gering ist, kann eine Zunahme der Verschuldung zum Wirtschaftswachstum beitragen.” Dagegen könnte in den Industrienationen eine Rückbesinnung auf die Prinzipien Schumpeters ein künftiges ungesundes Wachstum der Banken zumindest erschweren. “Es liegen mittlerweile mehr als genügend Nachweise vor, dass die Produktivität langsamer wächst, wenn die Verschuldung in einem Land – Verschuldung von Staat, Privathaushalten oder Unternehmen – 100 Prozent des BIP überschreitet”, schlussfolgern Cecchetti und Kharroubi. Freilich sind moderne Finanzwirtschaften so vielschichtig, dass ihre Analyse auf der Basis einer Kennzahl sehr stark vereinfacht. “Um Winston Churchill  zu paraphrasieren, das Verhältnis von Privatverschuldung und BIP ist der schlechteste Indikator, um finanzielle Entwicklung zu messen – mit Ausnahme aller anderen verfügbaren Indikatoren”, schreiben Cecchetti und Kharroubi. Schumpeter wusste schon vor langer Zeit, dass in der Wirtschaftslehre Erklärungen entweder einfach oder richtig, aber gewöhnlich nicht beides zugleich sind.