Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Was bleibt vom Monetarismus? Zum 100. Geburtstag von Karl Brunner

Karl Brunner zählte mit Milton Friedman und Allan H. Meltzer zum Dreigestirn des Monetarismus. In diesem Jahr wäre Karl Brunner, der den Begriff “Monetarismus” prägte, 100 Jahre alt geworden. Wir begeben uns auf eine – notwendigerweise sehr selektive – Spurensuche.

 

Tempi passati… Wohl kein Ökonom hat mehr zur Verbreitung der monetaristischen Geldlehre im deutschen Sprachraum beigetragen als der aus der Schweiz stammende und viele Jahre in den Vereinigten Staaten lebende Karl Brunner (1916 bis 1989). Milton Friedman war zweifellos international einflussreicher und berühmter, aber es war Brunners Graswurzelarbeit – der zeitweiligen Lehre an der Universität Konstanz, der diskreten Beratung der Deutschen Bundesbank und der Schweizerischen Nationalbank, vor allem aber der Etablierung eines transatlantischen Netzwerkes durch das Konstanzer Seminar zur Geldtheorie und Geldpolitik – zu verdanken, dass sich ab den siebziger Jahre der Monetarismus in der akademischen Welt, der Geldpolitik und in Medien auch in Deutschland verbreitete.1)

Vieles davon ist heute Geschichte, auch wenn das Konstanzer Seminar weiterhin existiert. Der 100. Geburtstag Karl Brunners sowie die Unruhe in der aktuellen geldtheoretischen und geldpolitischen Debatte sollen Anlass geben, kurz an ausgewählte theoretische Aspekte von Brunners Geldlehre zu erinnern. Eine umfassende Würdigung seines Lebens und seines Werkes muss Berufeneren vorbehalten bleiben.

Ausgangspunkt unserer Darlegungen ist das nachfolgende Zitat Brunners:

“The basic tenet of monetarism is the reassertion of the relevance of price theory to understand what happens in aggregate economics. Our fundamental point is that price theory is the crucial paradigm – as a matter of fact, the only paradigm – that economists have. You can use this paradigm to explain the whole range of social phenomena.” (Karl Brunner)

 

Informationskosten

Anfang der fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts führten an der UCLA in Los Angeles Armen Alchian und Karl Brunner viele Gespräche über das Thema Arbeitslosigkeit. Die seinerzeit herrschenden Theorien, sowohl die traditionelle Neoklassik mit friktionslosen Gleichgewichtsmärkten als auch John Maynard Keynes’ “General Theory”, hielten sie für wenig hilfreich. Unter der intellektuellen Führung Alchians entstand in Los Angeles eine “UCLA-Schule”, die sich intensiv mit den ökonomischen Konsequenzen von Informations- und Transaktionskosten in einer unsicheren Welt befasste. Mit diesem Ansatz lässt sich erklären, warum Menschen vorübergehend Arbeitslosigkeit akzeptieren, um genügend Zeit für die Suche nach dem besten neuen Job zu verbringen. Dieses Phänomen ist als Sucharbeitslosigkeit in die Theorie eingegangen – allerdings nicht als einzige, sondern als eine Ursache von Arbeitslosigkeit unter mehreren. Alleine und mit seinem häufigen Co-Autor Allan Meltzer hat Brunner versucht, die Bedeutung von Informationskosten für die Geldtheorie und die Makroökonomik zu nutzen.

 

Anwendung auf die Geldtheorie

In einer Welt mit perfekten Märkten ohne Unsicherheit und Transaktions- und Informationskosten sowie rationalen Individuen ist es schwierig, die Notwendigkeit von Geld theoretisch zu begründen. Brunner und Meltzer haben Anfang der siebziger Jahre versucht, die Existenz des Geldes aus der Existenz von Informationskosten herzuleiten. Der Grundgedanke geht wie folgt: Wirtschaftliche Tätigkeit beruht in einer Welt ohne Geld auf dem direkten Tausch von Gütern oder Dienstleistungen, deren Eigenschaften und Qualitäten dem Tauschpartner oft nicht vorab bekannt sind. Die Beschaffung der notwendigen Informationen kostet nicht nur Zeit, sondern oft auch Ressourcen.

Die Verwendung eines allgemein akzeptierten Geld erspart die Beschaffung dieser Informationen und wirkt so förderlich auf das Wirtschaftsleben. In den Worten Meltzers: “Uncertainty was at the forefront and gradually became central. Working out the “Uses of Money” paper over several years brought a specific type of uncertainty into monetary analysis by making uncertainty the reason for using money as a medium of exchange. We concluded that without uncertainty about the qualities and relative prices of goods and services, there would not be a medium of exchange.”  Man kann diese Literatur als frühen Beitrag zum Gebiet “Microeconomics of Money” verstehen.

 

Geld in der gesamtwirtschaftlichen Analyse

Als Brunner jung war, eroberte gerade das berühmt-berüchtigte keynesianische IS/LM-Modell die Lehrbücher, mit dessen Hilfe sich die Effekte von Geld- und Finanzpolitik auf die Gesamtwirtschaft analysieren ließen. Brunner/Meltzer störte die Simplizität des Modells, in dem lediglich zwei Kapitalanlagen vorhanden waren: Geld und ein zinstragendes Aktivum, das Anleihen und Aktien kombinierte. Zeitgleich mit James Tobin gingen Brunner/Meltzer daran, Modelle mit einer größeren Zahl von Teilnehmern und Märkten zu analysieren, in denen die Zentralbank, die Banken und die Nichtbanken (Unternehmen und Privathaushalte) miteinander agieren. Dabei stand nicht zuletzt eine wichtige Frage im Zentrum: Wie können Veränderungen nominaler Größen wie der Geldmenge reale Wirkungen auf Produktion und Beschäftigung erzeugen? “Das Forschungsprogramm von Brunner/Meltzer zielte darauf ab, das einfache, aus nur wenigen Assets bestehende Keynessche Modell zu einer reichhaltigen Vermögens-, Güter- und Arbeitsmarkttheorie auszubauen, die Bestands- und Stromgrößen sowie Budgetbeschränkungen aller Akteure und dabei die Fortschritte der Informationsökonomie berücksichtigt.” (Hans-Peter Spahn).

Brunner/Meltzer haben im Laufe der Zeit mehrere, zum Teil recht komplizierte Modelle entwickelt (zum Beispiel hier und hier). Immer ging es darum, dass sich durch einen Politikeingriff relative Preise in der Wirtschaft verändern und die Banken wie die Nichtbanken darauf reagieren. Die Brücke von der Finanzsphäre zur Gütersphäre wird über den Markt für bestehende und neue Sachanlagen geschlagen. Ihren grundlegenden Ansatz, der als “Transmissionsmechanismus der relativen Preise” in die damaligen Lehrbücher eingegangen ist und zahlreiche Vermögens- und Substitutonseffekte beinhaltet, haben Brunner/Meltzer wie folgt beschrieben: “Since the late fifties, we have stressed that money stock, bank credit (total earning assets of banks) and interest rates are jointly determind by the interaction of the banks, the public and the central bank. The central bank controls the stock of base money in a closed economy. Commercial banks determine the optimal allocation of their total assets between reserves and earning assets and set the supply conditons for a range of liabilities. The public allocates wealth among different components to achieve its preferred portfolio. Of particular relevance, the public allocates money balances between currency and the Transaction accounts at financial institutions, allocates total liabilities of financial institutions between transaction and (various types of) non-transaction accounts and allocates financial assets between deposits and non-deposit lialabilities of financial institutions. The allocation patterns associated with the portfolio management of banks and the public depend on the relative yields or costs on the portfolio items involved. The actual values of the parameters are assumed to equal the desired values.”

Dies mag abstrakt klingen. Daher setzen wir mit einem konkreten Beispiel fort.

 

Ein Beispiel: Senkung der Mindestreservesätze

Beispielhaft sei expansive Geldpolitik durch Senkung der Mindestreservsätze betrachtet.2)  Die nachfolgenden Effekte sind finden teilweise gleichzeitig statt. Es handelt sich nicht um eine strikte Sequenz:

  1. Nach der Mindestreservesenkung entsteht aus der Sicht der Banken ein Anpassungsbedarf im Aktivgeschäft, da sie nun unnötige Überschussreserven bei der Zentralbank halten. Sie reduzieren ihre Verschuldung bei der Zentralbank, kaufen Geldmarktpapiere und fragen auch Staatsanleihen nach. Die dadurch steigenden Kurse (niedrigeren Renditen) veranlassen Nichtbanken in einem ersten Schritt zum Verkauf von Staatsanleihen an die Banken. Im Gegenzug erhalten die Nichtbanken Guthaben bei den Banken: Die Geldmenge steigt.
  2. In einem zweiten Schritt bauen die Banken nun auch das Kreditgeschäft an die Nichtbanken aus, um ihre Bilanz zu optimieren. Das Kreditgeschäft folgt erst nach den Anleihekäufen, weil zur Kreditvergabe Informationen über die Bonität des Kreditnehmers eingeholt und überprüft werden müssen, während die Bonität des Staates bekannt ist. Im Gegenzug verschulden sich die Banken wieder etwas mehr bei der Zentralbank, auch reduzieren sie im Zuge der Optimierung ihrer Aktivseite ihre Anleihebestände ein wenig. Die Nichtbanken verwenden einen Teil des aus Anleiheverkäufen in Schritt 1 erhaltenen Geldes zur Tilung von Bankkrediten. Aus steigendem Kreditangebot der Banken und sinkender Kreditnachfrage der Nichtbanken folgt eine Senkung des Kreditzinssatzes.
  3. Die gesunkende Rendite der Anleihen veranlasst die Nichtbanken, zur Optimierung ihres Portfolios, vorhandenes Sachkapital zu erwerben, zum Beispiel in Form von Aktien, bestehenden Häusern oder Gebrauchtwagen. Die steigende Nachfrage nach vorhandem Sachvermögen führt zu steigenden Preisen etwa in Form höherer Aktienkurse.
  4. Der Preisanstieg führt dazu, dass vorhandenes Sachvermögen im Verhältnis zu neu zu produzierendem Sachvermögen teurer wird (Dieses Verhältnis ist das berühmte Tobinsche q). Daher steigt die Nachfrage nach neu zu produzierendem Sachvermögen, das heißt, es werden unter anderem neue Häuser gebaut und neue Maschinen oder dauerhafte Konsumgüter hergestellt. In den betroffenen Branchen Branchen steigen Produktion und Preise.
  5. Der Preisanstieg bei altem und neuem Sachvermögen führt zu einer wachsenden Nachfrage nach Leistungen aus dem Sachvermögen; so entsteht bei steigenden Häuserpreisen ein Interesse, lieber zu mieten als zu bauen. Dies lässt in den betroffenen Branchen die Preise steigen; unter anderem werden die Mieten teurer.
  6. In den mittlerweile von Expanson erfassten Branchen steigen mit den Preisen auch die Löhne, was zu steigender Nachfrage auch bei Konsumgütern führt, die bisher noch nicht erfasst waren. Die aus dem Wachstum der Geldmenge entstandenen Impulse haben nun das allgemeine Güterpreisniveau angehoben: Die Inflation steigt. Aber der Prozess ist noch nicht zuende.
  7. Wegen der gestiegenen Preise für Anleihen und Sachvermögen steigen die Vermögen der Nichtbanken, was zu einer wachsenden Güternachfrage führt.
  8. Da die Wirtschaft immer besser in Schwung kommt, steigern die Investoren ihre Ertragserwartungen, was ihre Nachfrage nach Sachvermögen verstärkt.
  9. Die in den  Schritten 4 bis 8 beschriebene Steigerung der Güternachfrage durch die Nichtbanken geht mit einer wachsenden Nachfrage nach Krediten einher. Daher steigt der Kreditzins, da die Banken die guten Geschäftsmöglichkeiten nutzen wollen. Sie müssen sich damit aber wieder höher bei der Zentralbank verschulden und reduzieren ihre Bestände an Geldmarktpapieren und Anleihen, deren Renditen daher steigen.
  10. Jetzt kommt der sogenannte Feedback-Effekt: Die als Folge der Wirtschaftsbelebung gestiegenen Kreditzinsen und Anleiherenditen wirken bremsend auf die Wirtschaft.
  11. Verstärkt wird dieser Effekt durch den Rückgang der Nettovermögen der Nichtbanken als Folge des gestiegenen Preisniveaus.

Expansive Geldpolitik belebt das Wirtschaftswachstum nur vorübergehend, aber steigert dauerhaft das Preisniveau. Wichtig ist auch, dass auf den geldpolitischen Impuls erst die Preise an den Finanzmärkten reagieren und erst danach die Preise von Sach- und Konsumgütern. Auch dies lässt sich informationsökonomisch erklären: Es erfordert weniger Informationen, die Aktie eines Wohnungsbauunternehmens zu bewerten als ein existierendes Mietshaus. Und es ist noch einmal aufwendiger, die zum Bau eines neuen Mietshauses notwendigen Informationen zu besorgen und dann dauert es wieder, bis tatsächlich gebaut wird. Kurz: Das Güterpreisniveau reagiert erst mit einer Zeitverzögerung auf expansive Geldpolitik.

Die zentrale monetaristische Botschaft lautete in den Worten Brunners: “Inflation ist ein rein monetäres Phänomen. Die Preise steigen, wenn die Geldmenge in einem Staat rascher steigt als die Güter und Leistungen. Genauer gesagt, wenn die Wachstumsrate der Geldmenge die volkswirtschaftliche Wachstumsrate übersteigt, dann bekommen wir mit Sicherheit nach einem bestimmten Zeitabstand auch Inflation. Und dieser Zeitabstand, dieser Time-lag, wie wir ihn nennen, ist ein wesentlicher neuer Gesichtspunkt in unserer Theorie.”

Daraus folgt, dass Geldpolitik langfristig angelegt und auf eine Steuerung der Geldmenge ausgerichtet sein sollte. Kurzfristig ausgerichtete Geld- und Finanzpolitik sind unzuverlässige Instrumente. Die Unsicherheit über die künftige Wirtschaftsentwicklung erschwert die Nutzung von Indikatoren für die Geldpolitik – die Geldmenge eignet sich noch am ehesten, weil sie rasch und zuverlässig erhoben werden kann. Aus dieser Perspektive ließe sich die aktuelle Neigung etwa der Fed, einen großen Strauß ökonomischer Daten zur Grundlage ihrer Geldpolitik machen, kritisieren.

 

Gründe für das Vergessen

Man kann mit Otmar Issing und Volker Wieland die These vertreten, dass der Monetarismus alleine dadurch lange nachwirkt, weil er ein paar frühere keynesianische Illusionen zu überwinden vermochte (mit denen wir uns in unserem Beitrag nicht befassen):

“However, the main message of monetarism had a lasting  influence on monetary theory and policy.
1.  Money demand is a stable function of a few key variables.
2. Discretionary monetary policy – not least because of long and variable time lags – causes volatility in output and employment and has no permanent impact.

3. The Phillips trade-off cannot be exploited, unemployment is determined by the natural rate.”

 

Gleichwohl ist zu konstatieren, dass die Theorie des Monetarismus in modernen Lehrbüchern keine bedeutende Rolle mehr spielt. In den dominierenden modernen Modellen steuert die Geldpolitik den kurzfristigen Zins und nicht die Geldmenge.

Schaut man sich die oben beschriebenen theoretischen Konzepte Brunners an, fällt auf:

1. Die “Microfoundations of Money” sind ein Forschungsprogramm mit zahlreichen Arbeiten und letztlich vielleicht doch nur übersichtlichem Erfolg. Informationskosten spielen dort durchaus eine Rolle, aber es ist bezeichnend, dass selbst in einer diesem Thema gewidmeten Monographie Brunner/Meltzer nur eher beiläufig vorkommen. Schon Mitte der siebziger Jahre sagten damalige Jungstars dem Thema keine große Zukunft voraus. Immerhin wird der Aufsatz von Brunner/Meltzer in manchen modernen Lehrbüchern noch erwähnt.

2. Der Gedanke, dass die Geldnachfrage nur von wenigen Größen abhängt, dabei das (permanente) Einkommen eine große Rolle spielt und die Geldnachfrage daher relativ stabil verläuft, ist nicht nur theoretisch nicht zwingend. Sie steht gerade in den vergangenen Jahren empirisch auf dem Kopf, unter anderem, weil nicht eindeutig zu definieren ist, was unter die relevante Geldmenge zu subsumieren ist. Das hat Geldmengenpolitik unterminiert.

3. In den sechziger und siebziger Jahren führten Monetaristen und Keynesianer schwere Auseinandersetzungen unter anderem um die Frage, wer die bessere Portfoliotheorie habe. Im Endeffekt wurde die Portfoliotheorie von der nachwachsenden Generation vollkommen aufgegeben und überdies von ihr konstatiert, die Modelle von Tobin und Brunner/Meltzer unterschieden sich kaum. Und es stimmt: Auch aus Modellen von Brunner/Meltzer ließen sich keynesianische Resultate wie die (vorübergehende) Wirksamkeit expansiver Finanzpolitik ableiten ebenso wie umgekehrt die Geldpolitik in Tobins Modellen ein mächtiges Instrument sein kann. Nachdem sich der Pulverdampf verzogen hatte, räumten dies die unmittelbar Beteiligten auch ein. Vielmehr seien ihre Differenzen weniger theoretisch, sondern vor allem empirischer Natur und auch ideologisch gewesen. (So James Tobin und Allan Meltzer in Gesprächen mit mir.) Ein prominenter Monetarist, David Laidler, stellte Mitte der neunziger Jahre klar: “Brunner and Meltzer provided an analytical framework capable of yielding either side’s predictions, about for example, the significance of monetary impulses in generating inflation, or the effects of fiscal policy on aggregate demand, thus establishing that these issues were empirical rather than theoretical. The simple fact remains that a further 30 years of monetarist analysis has not been able to demonstrate the empirical existence of a structurally stable transmission mechanism between money and inflation to the satisfaction of its own practitioners, let alone its critics.”

4. Die aktuellen Versuche, Makrotheorie und Finanztheorie zusammen zu führen (“Macrofinance”); sehen ein wachsendes Interesse an alten Arbeiten James Tobins, wogegen Brunner/Meltzer in der neuen Literatur selten erwähnt werden. In das Bild unterschiedlicher Wahrnehmung passt auch, dass Tobin den Nobelpreis erhielt, Brunner/Meltzer aber nicht. Im Rahmen von “Macrofinance” ist durchaus die Geldmenge wieder entdeckt worden, aber als ein Indikator für künftige Spannungen an Finanzmärkten und damit ganz anders als im monetaristischen Sinne.

5. Eine Reaktion Brunners auf die Schwierigkeiten der monetaristischen Geldlehre bestand darin, unter Monetarismus eine breiter definierte Weltanschauung zu verstehen. Dies ist nicht Thema unseres Artikels; als Einstieg in die Lektüre sei Brunners Aufsatz “Has Monetarism Failed?” empfohlen oder eine Würdigung Allan Meltzers.

6. In der geldpolitischen Praxis wurde eine primär an der Steuerung der Geldmenge ausgerichtete Geldpolitik längst aufgegeben. Wie weit man sich gedanklich davon entfernt hat, zeigt die Tatsache, dass heute mengenorientierte Instrumente wie Anleihenkaufprogramme als “unkonventionelle” Geldpolitik verstanden werden und die Vorstellung existiert, dass konventionelle expansive Geldpolitik an einer Zinsuntergrenze enden könnte. Hierzu bemerkt Meltzer: “I was surprised, as I am sure Karl would have been, by the large volume of research on the so called lower bound. As the QE programs at the Federal Reserve and other central banks showed, a zero short-term interest rate did not prevent monetary expansion. The Federal Reserve purchased medium- and long-term debt. Asset prices rose and the exchange rate depreciated, as our conclusion about liquidity traps implied. The so-called zero lower bound turned out to bind very little other than very short-term rates.” Brunner/Meltzer hatten schon 1968 in einer Arbeit beschrieben, warum aus ihrer Sicht die Geldpolitik nicht Opfer einer Liquiditätsfalle werden kann.

 

Im September 2016 veranstaltet die Schweizerische Nationalbank eine Konferenz in Erinnerung an Karl Brunner. Vielleicht gehen von ihr Impulse aus, die zu einer intensiveren Beschäftigung mit seinem Werk führen, das weit über den Monetarismus hinaus reichte.

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  1. Die Bedeutung des Konstanzer Seminars wird hier erwähnt; sehr interessant ist auch der Beitrag von Fratianni/von Hagen.
  2. Das Beispiel entstammt dem Lehrbuch von Hans-Joachim Jarchow: Theorie und Politik des Geldes. Band 1: Geldtheorie. 9. Auflage.