Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Vier für Deutschland

Vier Mitglieder des deutschen Sachverständigenrats schreiben für ein internationales Fachpublikum. Das ist eine gute Sache in einer Zeit, in der im Ausland traditionelle deutsche Ökonomik nicht selten als vorsintflutlich wahrgenommen wird.

Lars Feld, Christoph M. Schmidt, Isabel Schnabel und Volker Wieland haben dieser Tage auf dem von ökonomisch Interessierten gerne frequentierten Internetportal www.voxeu.org einen Beitrag über die Folgen eines Brexits für die Europäische Union (“Unity in diversity: The way Forward for Europe”) veröffentlicht. Es geht uns gar nicht um den konkreten Inhalt des Beitrags, sondern um die Feststellung, dass dieses Autorenquartett, allesamt Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage, in den vergangenen Monaten gegenüber einer englischsprachigen Öffentlichkeit mehrfach gemeinsam aufgetreten ist, zum Teil auch mit Jochen Andritzky, dem Generalsekretär des Sachverständigenrats (zum Beispiel hier, hier und hier).

Mehrere Anmerkungen bieten sich an:

  • Wenn vier Mitglieder auch außerhalb der Gutachten des Sachverständigenrats öffentlich wiederholt auftreten, muss der Graben zum fünften Mitglied, Peter Bofinger, tief sein. Dass ein Mitglied innerhalb der gutachterlichen Arbeit Minderheitsvoten abgibt, ist ein in der Geschichte des Rates verbreitetes Verfahren. Aber dass der Rat auch nach außen derart sichtbar auseinander fällt, ist zumindest bemerkenswert.
  • Es ist sehr lobenswert, wenn sich Mitglieder des deutschen ökonomischen Establishments häufiger in der internationalen Fachöffentlichkeit auch jenseits der einschlägigen Journals zu Wort melden. Dies ist in einer Zeit zu sehen, in der immer wieder einmal ein Bruch zwischen internationalem und traditionellem deutschen ökonomischen Denken und hier vor allem dem Ordoliberalismus konstatiert wird. Darüber ist in englischsprachigen Zeitungen und Blogs häufiger als in Deutschland geschrieben worden, zum Beispiel zuletzt hier; sehr ausführlich ist diese Darstellung. Das Bild ist aber durchaus differenziert. Wohl gibt es eine Tendenz, Ordoliberale als repräsentativ für eine vorsintflutliche deutsche Ökonomik darzustellen, aber das ist nicht generell der Fall. Ziemlich einflussreich ist ein Beitrag Michael Burdas gewesen, dessen Schlussfolgerung lautet: “It is not ordoliberal religion, but a mixture of national self-interest and healthy mistrust informed by experience, that guides German economic policy today.”
  • Zur internationalen Kritik am deutschen Ordoliberalismus hat auch Bofinger beigesteuert, der die deutsche Makroökonomik “in einem langen Schatten Walter Euckens” verortet. Bofingers in englischer Sprache verbreiteter Beitrag wurde mit einem Artikel von Feld/Köhler in der “Süddeutschen Zeitung” beantwortet. Beiden Beiträgen kann man eine klare Wortwahl nicht absprechen.
  • Wir haben in FAZIT immer die Auffassung vertreten, dass man nicht alle Ökonomen eines Landes in einen wissenschaftlichen oder ideologischen Topf werfen kann. Natürlich gibt es, gerade in der Generation der Altvorderen in Deutschland, Ökonomen, die zumindest den Eindruck erwecken, sie könnten mit moderner Makroökonomik oder der internationalen Entwicklung der Volkswirtschaftslehre nichts anfangen. Aber, wie Rüdiger Bachmann zutreffend bemerkt: Diese Ökonomen sind immer weniger repräsentativ für die deutsche Volkswirtschaftslehre, auch wenn die Vertreter der älteren Ansichten häufiger in den Medien vorkommen mögen als die Jüngeren, die ihre Akzente vor allem in der Forschung setzen. Und auch in der angelsächsischen Welt bilden die Ökonomen keinen monolithischen Block.
  • Insofern kann man die Mitglieder des Sachverständigenrats, aber auch andere deutsche Ökonomen, nur dazu ermutigen, sich stärker in internationale Debatten einzubringen – sofern sie dort nicht schon längst etabliert sind.

verfasst.