Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Paul Romer entmachtet – im Streit um Verständlichkeit

Die Weltbank entmachtet ihren Chefökonomen. Seine Volkswirte haben gemeutert – auch deshalb, weil er sie zur Verständlichkeit bringen wollte.

© dpaPaul Romer

Auf diese Weise ist noch nicht oft ein Chefökonom entmachtet worden. Im September erst übernahm Paul Romer seine Stelle bei der Weltbank – jetzt darf er seine Forschungsabteilung nicht mehr leiten, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg meldet. Auch weil er sich mit seinen Ökonomen über die Verständlichkeit ihrer Forschung zerstritten hat.

Chefökonom der Weltbank bleibt Romer, er muss nur das Management seiner Abteilung für Entwicklungsökonomik abgeben, die die Armutsbekämpfung erforscht. Das liegt daran, dass er sich mit seinen Ökonomen zerstritten hat. Sie werfen ihm vor, er habe sich zu wenig für ihre Arbeit interessiert. Das ist der eine Teil des Streits. Ein anderer kommt daher, dass einige Ökonomen ihm gegenüber misstrauisch waren, weil Romer nach der Finanzkrise immer wieder makroökonomische Modelle kritisiert hat. Doch ein wichtiger Teil des Streits dreht sich auch um die Relevanz und Verständlichkeit der Weltbank-Forschung.

Zwar wird laut der Zitatedatenbank “Repec” keine andere entwicklungsökonomische Institution so oft zitiert wie die Weltbank. Doch längst nicht alles, was in der Weltbank erforscht wird, erschließt sich Außenstehenden – nicht mal in der eigenen Diszplin.

Die Weltbank spricht “Bankspeak”

Berühmt wurde vor drei Jahren eine eigene Auswertung der Weltbank, die zeigte: Fast ein Drittel der Weltbank-Studien wird nicht ein einziges Mal von der Webseite heruntergeladen.

Ein Jahr später analysierten ein Wissenschaftshistoriker und ein Sprachwissenschaftler zusammen die Berichte der Weltbank und attestierten ihr eine ganz eigene Sprache, losgelöst von der Alltagssprache: “Bankspeak”.

Paul Romer ging das Thema offenbar offensiv an – mit dem Ziel, die Weltbank mehr in die öffentliche Debatte zu bringen. Laut Bloomberg schaffte er mehrere Stellen ab und befristete die Stellen an der Spitze der Abteilungs-Hierarchie. Unter Verweis auf seine eigene Leseschwäche kümmerte er sich auch um die Qualität schriftlicher Kommunikation. Er verlangte kürzere E-Mails und klarere Formulierungen. “In der Weltbank wird die Reputation des Autors geschützt, indem man vage und ungenau bleibt”, schrieb er an seine Ökonomen. Zudem führte er eine Obergrenze für das Wort “und” ein.

Überall steht “und”

Tatsächlich wird in dem “Bankspeak”-Bericht nachgezählt, dass die Weltbank das Wort “und” besonders gerne verwendet. Oft diene es dazu, unzusammenhängende Themen ohne weitere Differenzierung zusammenzubringen. Die Autoren zitieren einen Satz, in dem die Weltbank mehrere Dinge fördern will: “Unternehmensführung und Wettbewerbspolitik und Reformen und Privatisierungen und Arbeitsmarktreformen”.

Vor 1950 machte das Wort “und” noch rund 2,6 Prozent der Wörter in den Berichten aus, ebenso viel wie in anderen englischen wissenschaftlichen Texten. Inzwischen stieg die Häufigkeit des Wortes auf fast sechs Prozent – noch einmal besonders in den Jahren seit 2010. Weltbank-Mitarbeiter sind praktisch die einzigen Autoren der Welt, die das Wort “and” häufiger verwenden als “the”.

Paul Romer hat in einem Blogbeitrag selbst Stellung genommen. Unter der Überschrift “Romer schlachtet Kätzchen” verweist er unter anderem auf einen Blogbeitrag vom August. Darin schrieb er: “Jeder will Fortschritt, keiner Veränderung” und “Organisationen, über die sich niemand beschwert, schwimmen tot im Wasser.”

Auf Twitter fragte er: “Habe ich seit Oktober irgendwas verpasst?”

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Patrick Bernau