Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Keine Angst vor der Finanzpolitik!

Manche Zeitgenossen malen schon heute die Unmöglichkeit der Bekämpfung einer künftigen Rezession an die Wand: Die Geldpolitik besitzt bei Zinsen nahe Null und hohen Anleihebeständen in ihrer Bilanz kaum Handlungsspielraum und angesichts hoher Staatsschulden in vielen Ländern wird auch expansive Finanzpolitik nur für wenige Länder möglich sein. Doch halt! Zwei Ökonomen vertreten die Auffassung: Expansive Finanzpolitik in einer Rezession kann die langfristige Schuldentragfähigkeit eines Landes stärken. (Neues aus Jackson Hole Teil 2)

Die diesjährige geldpolitische Konferenz von Jackson Hole hat sich nicht unmittelbar mit Geldpolitik befasst, sondern eher mit dem Umfeld, in dem Geldpolitik agiert. In einem ersten Beitrag haben wir eine Arbeit vorgestellt, die sich mit der Bedeutung von Innovationen für das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten befasst. Heute stellen wir eine Arbeit von Alan Auerbach, einem Veteranen der modernen Finanzwissenschaft und Yuriy Gorodnichenko vor.

Sie setzen sich mit einer verbreiteten These auseinander: In der nächsten, irgendwann eintretenden Rezession verfügen viele Staaten über keinen nennenswerten Handlungsspielraum, weil eine auf höherer Neuverschuldung ausgerichtete Finanzpolitik an der ohnehin schon sehr hohen bestehenden Staatsverschuldung scheitern dürfte. Und tatsächlich ist in vielen Industrienationen in den vergangenen zehn Jahren der Anteil der Staatsverschuldung am BIP deutlich gestiegen.

Auerbach/Gorodnichenko sagen: Diese Argumentation ist so nicht haltbar. Sie stellen ihr eine These entgegen, die jeder kennt, der seinen Keynes gelesen hat: Expansive Finanzpolitik in der Rezession hat positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, die über eine Konjunkturerholung und die mit ihr verbundenen Steuereinnahmen die langfristige Schuldentragfähigkeit eines Staates stärken und nicht schwächen. Dagegen ist es nach dieser Ansicht völlig falsch, einem Land in einer Rezession eine staatliche Sparpolitik verordnen zu wollen.  (Ein intensiv diskutiertes Plädoyer für Sparpolitik in der Rezession haben vor ein paar Jahren Alesina/Ardagna veröffentlicht.)

Ihre These basiert auf der Analyse der Finanzpolitik von 25 Industrie- und Schwellenländern in den vergangenen Jahrzehnten. Sie zeigen, dass nicht nur positive Wirkungen von expansiver Finanzpolitik mit Blick auf Konjunktur und Schuldentragfähigkeit nachweisbar sind, sondern auch eine positive Reaktion durch die Finanzmärkte, ablesbar zum Beispiel an Preise für Kreditausfallderivate (CDS) auf Staatsanleihen.

Aber Vorsicht! Die Autoren geben keinen Freifahrschein für jedwede expansive Finanzpolitik. Hier sind ihre Einschränkungen:

  • Die Wirksamkeit expansiver Finanzpolitik hängt von der konjunkturellen Situation. In einer Rezession hat expansive Finanzpolitik am ehesten eine Chance, positiv zu wirken. Wer den Autoren entgegenhalten möchte, warum in vielen Ländern die Verschuldung pro Kopf gestiegen zuletzt gestiegen ist, wenn expansive Finanzpolitik in der Rezession langfristig die Schuldentragfähigkeit eines Staates verbessern kann, würde als Antwort halten: Die expansive Finanzpolitik ist in der letzten Krise nicht konsequent genug durchgeführt worden und daher ist seitdem die wirtschaftliche Erholung nicht dynamisch genug, um die fiskalische Position zu verbessern.
  • In einer guten Konjunkturlage ist expansive Finanzpolitik aber kein wirkungsvolles Instrument. (Dieser Befund stimmt mit den Ergebnissen anderer empirischer Arbeiten aus den vergangenen Jahren überein.) Daher ließe sich mit dem Paper aus Jackson Hole eine expansive Finanzpolitik im Deutschland des Jahres 2017 NICHT begründen.
  • Expansive Finanzpolitik in der Krise kann nur dann vertrauensvoll wirken, wenn sie ökonomisch nachvollziehbar betrieben wird. Und das heißt, es gibt auch Grenzen für eine solche Politik: “Die Erfahrungen in Griechenland und anderen südeuropäischen Ländern bilden eine ernste Warnung über politische Risiken und die Grenzen der Finanzpolitik. Brücken ins Nirgendwo, Projekte mit Liebhaberwert und andere Geldverschwendungen können die Effekte einer Finanzpolitik ins Negative kehren.”