Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Trifft Inflation vor allem die Ärmeren?

Die offiziellen Inflationsraten sind seit Jahren sehr niedrig. Aber stimmen sie auch?

Viele Menschen halten ihre persönliche “gefühlte” Inflationsrate für weitaus höher als die offiziell ausgewiesene. So  wurde in der Wahrnehmung vieler Menschen der Euro zum “Teuro”, obgleich die offizielle Inflationsrate seit Einführung des Euros niedriger liegt als die Inflationsrate in der D-Mark-Ära. Manche Ökonomen springen auf diesen populären Zug auf und raunen über angeblich in Wirklichkeit viel höhere Inflationsraten bis 8 Prozent, ohne allerdings nachvollziehbare Berechnungen zu präsentieren. (Wenn es welche gäbe, würden sie diese sehr wahrscheinlich präsentieren…)

Man kann das Thema seriös anpacken. Eine bekannte These lautet beispielsweise, die Inflation treffe vor allem die Ärmeren stärker, als es die offizielle Inflationsrate zeige. Zwei Frankfurter Ökonomen, Alfons Weichenrieder und Eren Gürer, haben in einer neuen Arbeit diese These für europäische Länder getestet. Das Ergebnis: Sie stimmt für die meisten Länder – aber nur eingeschränkt für Deutschland. Überprüft haben sie die Entwicklung von Verbraucherpreisen für die Zeit von 2001 bis 2015 in 25 Ländern der Europäischen Union. Das sind ihre wichtigsten Ergebnisse:

  1. Die Entwicklung der Verbraucherpreise ist sehr ungleich. So sind im Zeitraum von 2001 bis 2015 die Verbraucherpreise in den 25 Ländern im Durchschnitt um 44,7 Prozent gestiegen. Bricht man diesen Anstieg über 15 Jahre auf einzelne Jahre herunter, ergibt sich eine jährliche Inflationsrate von 2,7 Prozent.
  2. Hinter dem durchschnittlichen Anstieg der Verbraucherpreise verbergen sich überdurchschnittliche Preisanstiege für Güter und Dienstleistungen, die im Konsum ärmerer Menschen eine große Rolle spielen. Hierzu zählen Tabak (188 Prozent), Wasser (138 Prozent), Postdienste (107 Prozent), Strom und Gas (106 Prozent) sowie Mietausgaben ( 70 Prozent).
  3. Hingegen lassen für Güter und Dienstleistungen, die für Reiche eine größere Rolle als für Arme spielen, unterdurchschnittliche Preisanstiege erkennen: Dies gilt beispielsweise für Reisen oder teure Haushaltsgegenstände.
  4. Nicht erstaunlich ist daher, dass im europäischen Durchschnitt eine für den typischen Warenkorb von armen Menschen errechnete Inflationsrate ueber der Inflationsrate liegt, die sich für einen Warenkorb errechnet, der die Konsumgewohnheiten reicher Menschen abbildet. Die Differenz macht für den europäischen Durchschnitt 0,7 Prozent aus – und das ist gar nicht so wenig.
  5. Der europäische Durchschnittswert sagt aber nichts über die Situation in den einzelnen Ländern aus. Sie zeigt zum Teil erhebliche Unterschiede.
  6. Es gibt zwei Länder, in denen die Inflationsrate für Arme und für Reiche identisch ist und daher keine Benachteiligung von Ärmeren konstatiert werden kann: Italien und Portugal.
  7. Es gibt mehrere Länder, in denen die Inflationsraten für Arme und Reiche sich nur geringfügig unterscheiden. Hierzu zählt Deutschland, aber auch Belgien, Spanien und Frankreich.
  8. Es gibt mehrere Länder, in denen die Inflationsraten für Arme und Reiche weit zuungunsten der Armen auseinandergehen: Hierzu zählen Großbritannien, Tschechien, Ungarn, Lettland, Slowenien und die Slowakei.