Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

War die Ökonomen-Tagung plural?

Plurale Ökonomen rezensieren die Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik.
Von Dennis Gottschlich und Henrika Meyer

Auch dieses Jahr hat sich bei der Tagung des Vereins für Socialpolitik (VfS), dem wichtigsten Verband deutschsprachiger ÖkonomInnen, eine Gruppe von Menschen mit enormem Gestaltungsspielraum zusammengefunden. Menschen, die die Zukunft von Deutschland maßgeblich prägen und diesen Einfluss regelmäßig geltend machen. Von Mitgliedern des Sachverständigenrats über Vertreter der Bundesregierung bis zu den Vorsitzenden aller renommierten Wirtschaftsforschungsinstitute waren alle anwesend. Neben den TeilnehmerInnen lässt auch die Beschreibung des Vereins als “wesentlich zur Infrastruktur in den Wirtschaftswissenschaften“ beitragend auf die Relevanz der Tagung schließen. Schnell wird deutlich: Was hier gedacht wird, formt das Land.

Gleich zu Beginn der Tagung ging Lars Feld – Mitglied des Sachverständigenrats, Direktor des Walter Eucken Instituts und Gastgeber der Veranstaltung – ausgiebig auf Pluralität in der Ökonomik ein. Feld fragte bei der Eröffnungsrede, ob sich „die Plurale Ökonomik” endlich der Einsicht gebeugt habe, dass die Freiburger Schule traditionell für Pluralismus stehe und die Tagung des VfS mit dem Walter Eucken Institut als Gastgeber also bereits ausreichend plural sei. Immerhin: Lars Feld scheint Pluralität als wertvollen Maßstab anzuerkennen. Wir möchten die prominente Erwähnung von Pluraler Ökonomik in dieser Begrüßungsrede als Einladung verstehen, einige Missverständnisse aus dem Weg zu räumen und einen genaueren Blick auf die diesjährige Vereinstagung zu werfen.

Mathe ist nicht gleich Mathe

Bevor wir uns aber anschauen, wie plural die VfS Tagung war, möchten wir eines klarstellen. Lars Feld eröffnete die VfS-Tagung mit einem oft gehörten Vorwurf: “Die Pluralen wollen vor allem weniger Mathe in den Vorlesungen.” Richtig ist hingegen: Wir wollen Mathematik in der VWL. Es ist kaum zu bestreiten, dass die Gleichgewichtstheorie bahnbrechende Erkenntnisse erbracht hat. Beispielsweise im Hinblick auf den grundlegenden Mechanismus der Preisbildung oder die Bedingungen für effiziente Allokation und den dazu kontrastierenden Formen von Marktversagen.

Allerdings ist Mathe nicht gleich Mathe. Ein Beispiel, wie auch andere mathematische Methoden in der VWL Erkenntnisse bringen können, ist die Methode der agentenbasierten Modellierung in der Komplexitätsökonomik. In diesem Ansatz werden Erkenntnisse aus der Komplexitätstheorie – eine Theorie aus der Informatik, die bereits Anwendung in der Biologie gefunden hat – auf die Wirtschaftswissenschaften angewendet. Es können hiermit komplexe Interaktionsprozesse mit beschränkter Rationalität beschrieben werden, die nicht in den Rahmen üblicher DSGE-Modelle passen.

Zudem präsentierte das junge Netzwerkmitglied Oliver Richters seine Forschung, in der er auf Basis naturwissenschaftlicher Modelle mathematische Verfahren der VWL weiterentwickelt hat. In der Session “Theory – Concepts” verdeutlichte er, wie Konzepte der Newtonschen Mechanik adaptiert werden können, um dynamische Nicht-Gleichgewichte zu modellieren (Glötzl et al. 2018).

Das Wichtige: die Dimension

Der Bewegung der Pluralen Ökonomik geht es also bei Weitem nicht nur um die Rolle von Mathematik. Der springende Punkt ist die Definition von Pluralismus. Wenn Feld behauptet “Wir sind doch schon plural”, und dabei lediglich ein ökonomisches Paradigma (die Freiburger Schule) im Sinn hat, bezieht er sich nur auf eine Dimension der Pluralität. Um nun zu erläutern, wieso wir der Meinung sind, dass die VfS Tagung vielleicht doch noch nicht vollkommen plural war, werden wir im Folgenden in Anlehnung an Mäki (1997) einzelne Dimensionen der Pluralität betrachten. Dabei werden wir uns beschäftigen mit der Auswahl der Fragestellungen (pragmatische Pluralität), die Diversität in den Ideologien (politische Pluralität), der Pluralität in der Erkenntnisgewinnung (epistemologische Pluralität) und – damit eng zusammenhängend – der Pluralität in den Methoden (methodologische Pluralität).

Stellen wir die w/richtigen Fragen?

Zunächst soll auf die pragmatische Pluralität eingegangen werden, die in der Auswahl der Fragen und der Definition der Ziele einer Disziplin besteht. Pragmatische Pluralität wird benötigt, damit keine thematische Einseitigkeit entsteht, in der wichtige gesellschaftliche Fragestellungen unbeachtet bleiben.

Was die Auswahl der behandelten Fragestellungen betrifft, würde wohl auch der kritischste Pluralo zustimmen: Das war plural, aber vielleicht nicht plural genug.

Neben den zumindest in der Lehre vorherrschenden Themen wie Wachstum, Konjunkturzyklen und Geldpolitik wurden auch Fragen nach den Ursachen der Wahlerfolge von links- und rechtsextremen Parteien sowie die Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen in der offenen Tagung diskutiert. Allesamt interessante und relevante Inhalte, bei denen wir uns freuen, dass diese einen Platz beim VfS finden. Zudem war das Thema der Kerntagung “Digitale Wirtschaft” höchst relevant und aktuell.

Darüber hinaus betrachten wir die Fragen der Einkommens- und Vermögensverteilung sowie der nachhaltigen Entwicklung als zentrale Themen des 21. Jahrhunderts (Maxton & Randers 2016, Raworth 2017). Deswegen möchten wir anerkennen, dass diese in zahlreichen Sessions diskutiert wurden. Doch stellt sich aber die Frage, ob diese Themen proportional zu ihrer Wichtigkeit vertreten waren. Hier fällt unsere Einschätzung negativ aus, obwohl die Präsenz höher war als im VWL-Studium. Der Anfang ist gut, aber es muss noch mehr gehen.

Haben wir die w/richtigen Ziele?

Als zweite Dimension befassen wir uns mit der politischen Pluralität. Hiermit meinen wir die Pluralität an politischen Ideologien und damit eng zusammenhängend eine Pluralität in den ausgewählten Zielgrößen. Diese Zielgrößen müssen von ÖkonomInnen festgelegt werden. Wie bei der pragmatischen Pluralität liegt die Wichtigkeit der politischen Pluralität darin, keine relevanten Zielgrößen zu vernachlässigen.
Wie haben wir diese Dimension der Pluralität auf der Tagung wahrgenommen? So spürte man diese Form der Vielfalt auf dem Panel zu den sozialpolitischen Implikationen von Digitalisierung und Robotik. Lars Feld (Walter Eucken Institut), Jens Südekum (Düsseldorf Institute for Competition Economics – DICE), Enzo Weber (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung – IAB) und Gustav Horn (Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung – IMK) argumentierten auf diesem Panel für verschiedene Positionen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Zielgrößen: Feld fokussierte sich in Lehrbuchtradition auf die Effizienzvorteile. Südekum interessierte, wer diejenigen sind, die ihren Arbeitsplatz verlieren und/oder einen neuen gewinnen, Horn hinterfragte die Qualität und Entlohnung der neu entstehenden Arbeitsplätze und warnte vor einer Polarisierung der Gesellschaft.

“Vor zehn Jahren wäre das auf der VfS-Tagung so nicht möglich gewesen”, sagte Gustav Horn. Unser Fazit hier: Es entwickelt sich politischer Pluralismus, aber langsam und für Studierende wenig sichtbar. Außerdem werden Zielgrößen oft implizit festgelegt. Wir fordern hier mehr Reflexion und Transparenz bei der Normativität dieser Entscheidungen.

Und wieder Normativität

Normativität. Ein Wort, mit dem viele aus dem Netzwerk Plurale Ökonomik die Wirtschaftswissenschaft identifizieren, aber worum geht es? Sowohl die Auswahl der Zielgrößen in der Dimension der politischen Pluralität als auch die Auswahl der Themen in der pragmatischen Pluralität würden wir als normativ bezeichnen. Wir meinen damit im Gegensatz zu rein deskriptiven Aussagen solche, die nicht rein objektiv beschreibender Natur sind. Sie sind somit abhängig von den Werten der Forschenden.

Die Frage nach der Normativität der Wissenschaft und der wissenschaftlichen Beratung wurde auf der VfS-Tagung explizit diskutiert. Dies ist erfreulich, weil diese wichtige Frage doch zuletzt vor dem ersten Weltkrieg prominent auf der Agenda des VfS stand. Unter anderem Max Weber und Werner Sombart (Rammstedt 1991) vertraten die Ansicht, dass WissenschaftlerInnen sich auf Wenn-Dann-Aussagen beschränken sollen (erster Werturteilsstreit). In den 1960er Jahren unterstützte dieses Bild der positiven Wissenschaft ein sehr bekannter Ökonom: Milton Friedman (1953).

Haben wir nun auf der Tagung den Beginn des nächsten Werturteilsstreit gesehen? Clemens Fuest (Präsidenten des Ifo-Instituts) und Feld vertraten hier gegen Isabel Schnabel (Mitglied des Sachverständigenrats) und Achim Wambach (Präsident des VfS) die Ansicht, dass die Forschung und Beratung eben nicht ohne normative Aussagen auskomme. Auf Twitter wird Feld mit den Worten “Wir arbeiten alle mit eigenen Wertvorstellungen, auch wenn manchmal versucht wird, diese zu verdecken. Ordnungspolitische Prinzipien helfen weiter, da dadurch rein persönliche Wertvorstellungen teilweise zurückgedrängt werden können.” zitiert. Zwar keine “‘persönliche[n]’, so doch kollektive Wertvorstellungen der Ordoliberalen” kommentiert Sebastian Dullien, Professor für VWL an der HTW Berlin. Wir sagen: immerhin transparent.

Doch was soll daraus geschlossen werden? Wir möchten in die Debatte hier nicht einsteigen sondern an der Stelle davon ausgehen, dass den Entscheidungen für die Auswahl der Fragestellungen und Zielgrößen normative Urteile zugrunde liegen. Da diese Urteile weitreichende gesellschaftliche und ökologische Folgen haben können, stellt sich die Frage, wie man nun vorgeht. Feld und Fuest lassen uns hier im Dunkeln stehen. Wir empfehlen auch hier Mut zu mehr Pluralität in der Normativität und zudem eine Offenlegung der zugrunde liegenden Werte. Wenn wir die Normativität nicht verhindern können, so könnte man zumindest einen Ausgleich schaffen durch Teams, deren Mitglieder unterschiedliche Werte vertreten und den Fokus auf unterschiedlichen Zielgrößen legen. Ein Beispiel hierfür ist ein Projekt des IÖW und des Wuppertal Instituts. Zwei Institute, die sich thematisch und politisch für Nachhaltigkeit einsetzen, und die zusammen mit dem RWI – einem Institut, das wir als eher wirtschaftsliberal einordnen würden – Fragen der Wachstumsgrenzen untersuchen.

Wie gewinnt man Erkenntnisse?

Die nächste Dimension, die betrachtet werden soll, ist die epistemologische Pluralität. In der Epistemologie stellt man sich die Frage, wie aus der Realität Wissen erlangt werden kann. Hier dominiert in den theoretischen Wirtschaftswissenschaften die Sicht, dass Hypothesen aus formalen Modellen abgeleitet werden (Deduktion), welche dann empirisch (quantitativ) getestet werden. Dass nicht der gesamte Forschungsprozess so abläuft, wurde schon häufig und zuletzt zum Beispiel prominent von Heckman und Singer (2017) argumentiert. Da dieses Vorgehen nicht auf alle Forschungsfragen anwendbar ist, wäre es wünschenswert, auch andere erkenntnistheoretische Zugänge, insbesondere auch stärker deduktiv arbeitende Ansätze anzuerkennen. Hierzu mehr im kommenden Absatz. Auf der Tagung war von deduktiven Ansätzen jedoch nichts zu sehen.

Mathematik, immer Mathematik, überall Mathematik oder methodologische Pluralität?

Abschließend wollen wir uns mit dem methodologischen Pluralismus befassen. Die Frage, die hier gestellt wird: Benutzen wir eine ausreichend große Anzahl an Methoden, um alle relevanten Fragen abzudecken? Die Tagung bot dabei mit Methoden aus den Bereichen Neuroeconomics, Verhaltensökonomik und experimenteller Ökonomik zumindest einige Alternativen zum klassischen Methodenkoffer an. Wie eingangs erläutert, wollen wir Mathematik. Im Kern geht es nicht um Mathematik an sich, sondern um methodologischen Pluralismus. Es geht also darum, den klassischen Methodenkoffer zu füllen durch angemessene Methoden und erkenntnistheoretischen Paradigmen, dort, wo dieser noch kaum befüllt ist. Diese Methoden sollen komplementär zur Mathematik dort eingesetzt zu werden, wo die Mathematik an die Grenzen der Erkenntnisgewinnung stößt. Qualitative Methoden könnten in der Volkswirtschaftslehre die “Intuition” und “anekdotische Evidenz” ersetzen. Letzterer wird sich auch gerne in Lehrbüchern bedient, um theoretische Annahmen herzuleiten. In der qualitativen Methodik wird dieses anerkanntermaßen unwissenschaftliche Vorgehen durch ein systematisches Vorgehen ersetzt.

Der Pluralismus des VfS beschränkt sich in dieser Dimension aber auf deduktiv-arbeitende (Epistemologie) Ansätze und quantitative Herangehensweisen (Methodologie). In diesem Rahmen ist die Forschung vielfältig und wir finden hier unterschiedliche Methoden (beispielsweise ökonometrische und spieltheoretische Modelle). Über den genannten Rahmen hinaus geht die präsente Forschung allerdings nicht.

Wie kann der VfS pluraler werden?

Es stellt sich die Frage: Wieso stellen so wenige ÖkonomInnen auf der VfS-Tagung ihre Arbeiten vor, die auch in anderen Dimensionen für mehr Vielfalt sorgen würden? Wie so oft ist die Antwort auch hier nicht eindimensional und liegt auf beiden Seiten. Wir wünschen uns, dass die Pluralos versuchen, die Wissenschaftscommunity von ihren Ideen zu überzeugen, indem sie Paper auf der Vereinstagung vorstellen und in Top-Journalen einreichen. Post-KeynesianerInnen, KomplexitätsökonomInnen und WissenschaftlerInnen, die mit qualitativen Methoden arbeiten, etwa auf Basis von Interviews, sind selbst in der Verantwortung, ihre Botschaften zu platzieren.

Jedoch könnten sie Unterstützung gebrauchen. Undifferenzierte Vorwürfe wie von Feld und anderen VfS-ÖkonomInnen in der Vergangenheit motivieren allerdings nicht gerade zur Einreichung. Der Eindruck, dass VertreterInnen der Pluralen Ökonomik nicht erwünscht seien, wurde in Felds Eröffnungsrede nochmal bestärkt.

Die Diskussion erinnert an die Geschlechterdebatte, die wir auch in den Wirtschaftswissenschaften führen. Achim Wambach, Vorsitzender des VfS, sieht es als eine große Herausforderung des Faches an, die Eintrittshürden für Frauen zu erforschen. Wieso sollte neben der Geschlechterpluralität nicht auch die wissenschaftliche Pluralität gefördert werden? Bei den ungelösten Fragen der VWL und den ökologischen und gesellschaftlichen Problemen, die vor uns liegen, kann die ein oder andere weitere Perspektive bestimmt nicht schaden. Wie könnte also eine Starthilfe aussehen, um aus dem sehr ungleichen Status quo zu kommen – braucht es vielleicht eine Pluralo-Quote? Bitte nicht! Eine Pluralo-Förderung könnte viel eher in der Unterstützung dabei bestehen, die Wissenschaftsgemeinschaft für das Thema zu sensibilisieren. Beispielsweise durch ein Panel über Pluralität in der Ökonomik oder etwa einen Workshop über die Darstellung der Pluralität der Ökonomik in der Lehre auf der nächsten Jahrestagung in Leipzig. Zudem: Wir freuen uns über Kritik, aber undifferenzierte Vorwürfe helfen an der Stelle nicht. Vielleicht hilft dieser Artikel ja, die Diskussion auf einem konstruktiven Niveau weiterzuführen. Wir sind zuversichtlich.

Unsere Schlussfolgerungen

Was schließen wir aus diesen Überlegungen? Zu Felds Behauptung, der VfS sei doch schon plural, sagen wir: Es kommt darauf an. Nämlich auf die betrachtete Dimension. Bei der politischen und pragmatischen Pluralität ist der VfS schon sehr weit. Wir warnen aber davor, wichtige Themen und Zielgrößen in den Modellen und Empfehlungen zu vernachlässigen. Wir wollen Mathematik und sehen auch eine methodologische Pluralität im VfS, aber nur innerhalb der deduktiven und quantitativen Methoden. Wir fordern auch, die Erkenntnisgewinnung aus anderen Ansätzen zu akzeptieren.

Jedoch: Wenn das Studium der VWL so plural wäre wie die Tagung des VfS, wäre schon viel gewonnen. Es braucht Platz im VWL-Studium für die wichtigen Fragen des 21. Jahrhunderts. Es braucht Platz für eine Darstellung der Möglichkeiten, die die VWL bietet und das in all den beschriebenen Dimensionen von Pluralität. Dazu mangelt es in der Lehre an Transparenz. Erklären Sie uns, wieso die Neoklassik nicht schlecht ist, obwohl die Annahmen unrealistisch sind. Diskutieren Sie mit uns über die Fundamente der Theorien, die wir lernen, und nehmen Sie sich bitte Zeit für diesen wichtigen Punkt. Modelle rechnen wir nämlich schon mehr als genug. Dem Argument, dass die Lehre nicht pluraler sein kann, weil die Studierenden genau dieses Handwerkszeug brauchen, um auf dem (wissenschaftlichen) Arbeitsmarkt bestehen zu können, stimmen wir grundsätzlich zu. Zumindest kurzfristig kommen weder Studierende noch Lehrende um den geltenden Standard herum. Es stellen sich aber zwei Fragen: Erstens, sind nicht gerade Querdenker und Menschen, die unterschiedliche Ideen kombinieren können, die gefragten ArbeitnehmerInnen der Zukunft? Zweitens stellt sich die Frage, ob das Studium nur das Ziel der Arbeitsmarktvorbereitung haben sollte oder darüber hinaus auch den Studierenden einen breiten Werkzeugkasten an die Hand geben sollte sowie die Fähigkeit, aus diesem reflektiert auszuwählen? Was ist notwendig, damit die ÖkonomInnen der Zukunft die richtigen Werkzeuge wählen?

Ein Anfang wäre eine einführende Veranstaltung rund um das Facettenreichtum der VWL, und das bereits im Bachelor-Studium. Nur Studierende, denen beigebracht wird, welche Möglichkeiten die VWL bietet, welche Vor- und Nachteile die unterschiedlichen Paradigmen haben, können selbstbestimmt entscheiden, welche Ansicht sie für die erfolgversprechendste halten und ein dementsprechendes Masterstudium wählen. Wäre das Verschweigen nicht eine Form der Ausnutzung von Marktmacht? Gewisse Konzentrationen, u. a. in der Verteilung der Zitationen und der Paradigmen, kann man jedenfalls empirisch feststellen (Glötzl & Aigner 2017).

Zudem fordern wir wie schon Max Weber im ersten Werturteilsstreit: Legen Sie ihre Werte offen. Diskutieren Sie mit uns über unsere und helfen Sie uns, unsere Argumente zu stärken und unsere Ansichten zu hinterfragen. Nur so können wir auf die politisch-normativen Debatten vorbereitet werden, die wir als ÖkonomInnen irgendwann führen werden dürfen. Erste Erkenntnisse deuten darauf hin, dass nicht nur die Pluralos sich das wünschen (Pühringer et al. 2017).

Wenn das gelingt, werden deutsche ÖkonomikprofessorInnen die ÖkonomInnen des 21. Jahrhunderts ausbilden. Andernfalls werden sie eine weitere Generationen von Studierenden unreflektiert in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft entlassen oder sogar durch die bisherige Art der Lehre zum Verzweifeln bringen (Pühringer et al. 2017).

„GesellschaftimUmbruch“ hieß das Passwort zum Tagungs-Wlan. Wir hoffen weiterhin, dass dies auch die Wirtschaftsfakultäten einbezieht.

Wir freuen uns auf die Debatte unter #pluralervfs.

Die AutorInnen bedanken sich für die anregenden Kommentare und Verbesserungsvorschläge von Claudius Gräbner, Dominik Piétron, Fabian Klinge , Hannes Bohne, Jörn Schirok, Julia Schmid und Svenja Flechtner.

Transparenzhinweis: Das genannte Panel zur Digitalisierung wurde moderiert von F.A.S.-Ressortleiter und Fazit-Blogger Patrick Bernau.