Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Warum werden die Reichen reicher?

In vielen Ländern wächst der Abstand zwischen Arm und Reich. Und die Superstars sahnen besonders kräftig ab.

Yachten für die Superstars.© AFPYachten für die Superstars.

Es passiert nicht oft, dass ein Trend sich überall auf der Welt so gleichmäßig niederschlägt wie der zur wachsenden Einkommensungleichheit. Die Einkommen von Reichen und Armen laufen auseinander, die hohen Einkommen wachsen schneller als die niedrigen, und zwar seit den achtziger Jahren, in den meisten Ländern der Erde. Nicht überall ist die Entwicklung gleich deutlich. In Frankreich begann sie erst in den neunziger Jahren, Deutschland wiederum hat den Trend seit den Hartz-Reformen des Jahres 2005 gebrochen. Aber es lässt sich kaum übersehen, dass sich in den vergangenen Jahren ein weltweiter Trend gebildet hat.

Ist das schlimm? Und wenn ja, kann man etwas dagegen tun? Diese Fragen sind hochgradig umstritten, und das liegt auch daran, dass noch niemand vollständig verstanden hat, woher der Trend kommt. Doch auf der Suche nach den Gründen sind die Wirtschaftsforscher inzwischen einen großen Schritt weitergekommen.
Auf die Suche gemacht hat sich auch François Bourguignon. Er war früher Chefökonom der Weltbank, die sich besonders um die Entwicklung in armen Staaten kümmert. Er hat die Ungleichheit auf der ganzen Welt angeguckt und stellt fest: Zwar wächst der Unterschied zwischen Arm und Reich in vielen Ländern der Welt, trotzdem schrumpft der Unterschied zwischen Arm und Reich auf der Welt. Dieser Satz klingt erst ein bisschen absurd, aber er ist der Schlüssel zum wichtigsten Grund für den Trend zur Ungleichheit.

Betrachtet man alle Weltbürger, dann schrumpft der Abstand

Es stellt sich heraus: Ungleichheit ist eine Frage der Betrachtung. Innerhalb der Staaten wächst der Unterschied zwischen Arm und Reich. Zwischen den Staaten schrumpft der Unterschied aber: Viele arme Länder haben in den vergangenen Jahren gegenüber den Industriestaaten aufgeholt. China ist nur ein Beispiel: Mag das Land gerade in der Krise stecken, der Wohlstand ist trotzdem viel größer als vor 30 Jahren. In Summe ist die Ungleichheit nicht gewachsen. Betrachtet man alle Weltbürger auf einmal, dann schrumpft der Unterschied zwischen den Einkommen von Arm und Reich schon seit 1990.

Die Folgerung ist einfach: Die Welt ist zusammengewachsen. Ländergrenzen werden durchlässiger, entsprechend können Menschen in Schwellenländern Arbeit übernehmen, die früher in Industrieländern gemacht worden wäre. All das bringt der Welt einen enormen Wohlstandsgewinn. Aber dieser Gewinn wird nicht entlang der Ländergrenzen verteilt. In reichen Ländern profitieren die gut ausgebildeten Leute überproportional, also steigen ihre Einkommen schneller. Die schlechter ausgebildeten wiederum konkurrieren mit den ehemals armen Menschen aus den Schwellenländern, die jetzt mehr Geld verdienen. Und diese setzen sich wiederum von den Leuten in den Schwellenländern ab, die von der Globalisierung nicht profitieren.

Welche Ungleichheit ist wichtiger: die innerhalb der Staaten oder die allgemeine auf der ganzen Welt? Bourguignon argumentiert: Beide sind wichtig. Die Ungleichheit auf der Welt ist wichtig dafür, dass es der Menschheit bessergeht und Menschen aus bitterer Armut kommen. Aber der gesellschaftliche Zusammenhalt bildet sich eher innerhalb eines Landes als auf der ganzen Welt. Und: Gewählt wird immer noch innerhalb der einzelnen Länder.

Und warum werden die Superstars reicher?

Doch es gibt ein Ungleichheitsphänomen, das sich so noch nicht erklären lässt. In vielen reichen Ländern steigen die Einkommen sehr reicher Menschen besonders schnell: die des obersten Prozents. Und innerhalb des obersten Prozents steigen wieder die Einkommen des obersten Prozents viel schneller als alle anderen.

Das nennt Bourguignon den „Superstar-Effekt“. Globalisierung und Technik machen es den besten Leuten einer Zunft leichter, überall auf der Welt Geld zu verdienen. Erfolgreiche Bands touren um die ganze Welt. Sie müssen sich nicht länger auf Europa und Amerika beschränken, sie finden auch in China und in Südamerika ein zahlungskräftiges Publikum. Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling verdient rund 300 Millionen Dollar im Jahr, weil Übersetzungen und Filmrechte viel mehr Geld bringen, als Autoren früher erwarten konnten. Dafür musste sie sich beim Schreiben nicht zusätzlich anstrengen.

Ähnlich ist es mit Topmanagern und Unternehmern. Hochspezialisierte Juristen und Banker können auf der ganzen Welt Geld verdienen. Wenn die Nachfrage nach ihren Diensten hoch ist, können sie ihre Gebühren und ihre Gehälter erhöhen. Dann kann der Chef ja nicht weniger verdienen als die Stars im Unternehmen. Doch auch für den Chef gilt, dass seine Entscheidungen wertvoller werden. Die Unternehmen wachsen, sie haben Fabriken und verkaufen ihre Produkte auf der ganzen Welt. Entsprechend hängt an den Entscheidungen viel mehr Geld als früher. Kein Wunder, dass es den Aufsichtsräten da in den Gehaltsverhandlungen nicht unbedingt auf Euro und Cent ankommt, wenn sie glauben, den Richtigen für die Stelle gefunden zu haben.
Diese theoretischen Überlegungen zum „Superstar“-Effekt, die Bourguignon in seinem Buch wiedergibt, sind fast gleichzeitig überprüft worden. Ein Forscherteam aus Frankreich und den Vereinigten Staaten hat mehrere ökonomische Modelle darauf getestet, ob sie zur tatsächlichen Entwicklung der Ungleichheit passen. Die Modelle, die die Unterschiede zwischen Arm und Reich am besten erklären konnten, waren die „Superstar“-Modelle.

Die Technik stört die Superstars nicht

Und was ist mit der Technik? Haben nicht auch Computer die Arbeit von vielen schlecht ausgebildeten Menschen ersetzt und so den Armen zusätzliche Schwierigkeiten gemacht? So einfach ist die Sache nicht. Ersten sind neue Stellen entstanden. Und zweitens gefährdet die Technik längst auch schon Berufe aus der Mittelschicht, sogar aus der Oberschicht. Inzwischen geht es vor allem darum, ob ein Mensch viel mit leicht automatisierbarer Routine beschäftigt ist – und solche Stellen gibt es in allen Einkommensschichten.

Trotzdem kann die Technik noch zu Superstar-Effekten führen. Immerhin gibt es Leute, die mit der neuen Technik ganz besonders gut umgehen können oder ihre Chancen besonders gut nutzen. SAP-Mitarbeiter verdienen ziemlich gut, und Mark Zuckerberg ist dank der Gründung von Facebook zum Milliardär geworden. Es wird ganz deutlich: Die Technik-Superstars sind wahrscheinlich auch noch in ein paar Jahren gut dabei.

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