Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Welche Geldordnung ist optimal?

Das Aktiengeld des Frankfurter Ökonomen Wolfram Engels war kürzlich Thema eines Beitrags in FAZIT. Heute befassen wir uns mit Stärken und Schwächen alternativer Geldordnungen und lernen dabei einen weiteren interessanten Exoten kennen: das Grundstücksgeld.

Stellen wir uns eine Stunde Null vor, in der es in einem Land keine Geldordnung gibt. Nun schicken wir mehrere Notenbanken mit unterschiedlichen Konzepten in einen Wettbewerb. Hier sind die Ergebnisse, zu denen Wolfram Engels seinerzeit gelangt ist: 1) 2)

Das Papiergeld

Engels konnte sich überhaupt nicht vorstellen, dass sich ungedecktes Papiergeld mit einer Notenbank, die ein stabiles Güterpreisniveau verspricht, in einem Wettbewerb mit anderen Geldordnungen durchsetzen würde. Denn er hielt es für unmöglich, dass eine Notenbank ein glaubwürdiges Stabilitätsversprechen einlösen könnte. Die seinerzeit noch populäre monetaristische Auffassung, dass eine Notenbank als Geldmonopolist durch die Steuerung der Geldbasis die Inflationsrate zuverlässig steuern könnte, hielt er theoretisch und empirisch für falsch. In dieser Hinsicht hat er recht behalten. In einer Welt des Währungswettbewerbs mit mehreren konkurrierenden Emittentinnen von Papiergeld, das im Gegenzug zur Kreditvergabe entsteht, war Stabilitätspolitik aus seiner Sicht völlig undenkbar. Engels (1933 bis 1995) entwickelte seine Auffassung in einer Zeit, in der die Inflationsraten deutlich höher waren als heute. Die vergangenen 20 Jahre, in denen die Inflationsraten im Papiergeldstandard deutlich zurückgegangen sind, hat er nicht mehr erlebt.

Das Edelmetallgeld

Die Anhänger der Goldwährung teilen die Verachtung für das ungedeckte Papiergeld; gleichwohl hielt Engels die Goldwährung (bei der eine Emissionsbank Banknoten gegen Golddeckung ausgibt) für untauglich. Hier sind die Gründe: Ein Problem ist, dass Gold keine laufenden Erträge abwirft. Das führt zu der Situation, dass eine Bank, die Banknoten gegen Gold ausgibt, keine Erträge hat. Dafür entstehen Kosten aus der Lagerung des Edelmetalls. Daher betrachtete Engels eine (historisch wohl bekannte) Entwicklung, in der eine Emissionsbank auch ungedeckte Banknoten ausgibt, deren Erlöse sie in zinstragende Aktiva angelegt, für geradezu naturnotwendig: “Sie muss darauf vertrauen, dass nicht alle Inhaber der Banknoten gleichzeitig kommen und ihre Noten in Gold eintauschen wollen … Je höher die Golddeckung ist, um so solventer ist die betreffende Notenbank, um so weniger rentabel ist sie allerdings auch. Sie ist in dem beschriebenen Dilemma, dass sie eine höhere Bonität nur um den Preis einer geringeren Rentabilität verwirklichen kann.” Engels nannte einen zweiten Grund, warum eine Goldwährung in einem Wettbewerb unterschiedlicher Geldordnungen keine Chance hätte: “Ein Geld, das an eine Ware gebunden ist, deren relativer Preis stark schwankt, würde von den Wirtschaftsobjekten als ein unsicheres Geld empfunden … Die Stabilität des relativen Goldpreises beziehungsweise relativen Silberpreises im Rahmen von Edelmetallwährungen beruhte überwiegend darauf, dass das betreffende Metall Währungsbasis war, dass seine Verwendung als Währungsbasis also seinen relativen Preis stabilisiert hat. In einer Welt konkurrierender Notenbanken wäre dieser Effekt natürlich weit aus schwächer.” Zudem ist zu bedenken, dass die Förderung von Gold (oder Silber) Geld kostet und ökonomische Ressourcen bindet. Noch heute gibt es Anhänger des Goldes, die allen Ernstes meinen, die Menschen würden bei freier Wahl eine Goldwährung bevorzugen – ein Ausdruck historisch verklärten Romantizismus.

Das Warengeld

Es hat in der Geschichte eine Reihe von Vorschlägen gegeben, den Wert des Geldes an ein Bündel aus Waren, zumeist Rohstoffen, zu binden. Dadurch wollte man relative Preisschwankungen, wie man sie bei einer Ware wie dem Edelmetall hat, reduzieren. Aber aus Engels’ Sicht verschwinden die grundsätzlichen Defekte nicht: Auch im Falle eines Warenbündels werfen diese Waren wie das Edelmetall keine laufenden Erträge ab; umgekehrt können die laufenden Kosten aus der Lagerung von Rohstoffen erheblich sein. Auf den letzten Punkt haben unter anderem auch Milton Friedman und Friedrich von Hayek kritisch verwiesen. Wiederum könnte eine Emissionsbank nicht nach dem Prinzip der vollständigen Deckung des umlaufenden Geldes funktionieren. Warenwährungen und Edelmetallwährungen mögen nach Engels’ Kriterien besser sein als ungedecktes Papiergeld, aber auch sie sind nicht in der Lage, langfristig ein Stabilitätsversprechen zu verbürgen. Das heißt auch, dass ein Verteilungsrisiko zwischen Geldgläubigern und Geldschuldnern existiert: 3) “Jeder Darlehensvertrag enthält ein Element der Wette; die Risiken beider zusammen sind größer, als sie sein müsste.”

Das Grundstücksgeld

Vom Papiergeld hielt Engels nichts und von der Edelmetall- bzw. Warenwährung auch nicht viel. Jetzt kommen wir zu den Währungen, die durch Vermögensgüter gedeckt sind, die Erträge abwerfen. Diese Art der Geldordnung schätzte Engels sehr viel mehr. Wir beginnen mit der Idee, den Wert von Geld an Grundstücke zu binden – eine Idee, die in der Französischen Revolution mit den sogenannten “Assignaten” verwirklicht wurde. 4) Die Idee ist einfach: Grundstücke sind nicht beliebig vermehrbar und können im Unterschied zu Waren einen laufenden Ertrag durch Vermietung oder Verpachtung generieren. Engels schrieb: “Der Fortschritt einer Grundstücksnotenbank hätte darin bestanden, dass eine hundertprozentige Deckung möglich gewesen wäre, weil die Grundstücke selbst genug Ertrag abwerfen, um die Kosten der Notenbank mehr als zu decken. Im Prinzip hätte also eine Assignatenbank solider sein können als eine Gold- oder Silbernotenbank.” Und: “Der zweite Vorteil einer Grundstückswährung hätte in der Vorhersehbarkeit der relativen Preise bestanden. Der Wert der Edelmetalle hing von den Zufälligkeiten der Gold- und Silberfunde auf der einen Seite und von der Entwicklung der Zahkungstechnik auf der anderen Seite ab… Das Grundstückspreisniveau wäre derartigen Zufällen weniger ausgesetzt gewesen.” In der Praxis allerdings wäre es nicht leicht, eine Geldordnung einzuführen, bei der auf Verlangen gegen Vorlage von Geld Grundstücke eingetauscht werden müssten. Engels schrieb von “einer Fülle schwieriger Probleme”, gelangte aber dennoch zu dem Schluss: “Die Idee der Finanzierung der Revolutionskriege mittels eines Grundstücksgeldes ist wahrscheinlich eine der ganz großen Erfindungen im Finanzwesen gewesen; durch ihren Missbrauch blieb sie bis heute diskriminiert.”

Das Aktiengeld

Engels’ Aktiengeld haben wir in dem erwähnten früheren Beitrag beschrieben. Hier dient das Marktportfolio, also der gesamte Sachkapitalbestand einer Wirtschaft, als Deckung, wobei sich in der Praxis die in einem repräsentativen Index enthaltenen Aktien als Annäherung an das Marktportfolio eignen. Aus der modernen Kapitalmarkttheorie ist bekannt, dass sich die Rendite/Risiko-Kombination des Marktportfolios nicht verbessern lässt; in dieser Hinsicht ist es sogar dem ansonsten schon sehr guten Grundstücksgeld überlegen. Engels’ Fazit: “Die Konkurrenzüberlegenheit der Marktportfoliobank ist also gegenüber jeder Warennotenbank erdrückend: Ihre Bonität ist höher, weil sie eine hundertprozentige Deckung ihrer Noten verwirklichen kann; ihre Rentabilität ist beträchtlich größer, so dass sie die Möglichkeit hat, die Kosten der Kassenhaltung in ihrem Geld niedriger zu halten als eine Warennotenbank, und sie bietet überdies den Gläubigern und Schuldnern in ihrer Währung ein Riiskooptimum, das keine Warennotenbank bieten kann. In der Bonität und Rentabilität kann nur die Assignatenbank mithalten; sie erreicht aber das Risikooptimum nicht, das die Marktportfoliobank bietet. Die Marktportfoliobank hätte sich in unserem Modell konkurrierender Notenbanken durchgesetzt.”

 

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1) Dieser Beitrag, der im Wesentlichen auf Ausführungen des posthum erschienen Werkes “Der Kapitalismus und seine Krisen” beruht,  soll der Diskussion dienen und an Wolfram Engels erinnern. Das bedeutet keineswegs, dass ich alle Ansichten Engels’ teile.

2) Die nachfolgende Auswahl ist nicht vollständig.

3) Im Falle unvorhergesehener Inflation stellt sich der Geldschuldner besser, im Falle unvorhergesehener Deflation der Geldgläubiger.

4) Die Idee wurde missbraucht, weil im Laufe der Zeit die Grundstücksdeckung aufgegeben und immer mehr Assignaten gedruck wurden, bis sie nahezu wertlos waren. Daher ist der Begriff Assignaten in der Währungsgeschichte negativ besetzt, was aber nichts mit ihrer ursprünglichen Idee zu tun hat.