Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Neue Ordnungsökonomik

Die traditionelle Ordnungsökonomik befindet sich an deutschen Universitäten seit vielen Jahren auf dem Rückzug. Diese Entwicklung ist zu einem guten Teil selbstverschuldet. Ein neues Buch gibt Anregungen für eine Neubelebung.

Die Gründe für den Bedeutungsverlust der Ordnungsökonomik bzw. des Ordoliberalismus als wissenschaftliche Disziplin haben vor ein paar Jahren zwei Autoren aus dem Eucken-Institut in Freiburg, Lars Feld und Ekkehard Köhler, in geradezu brutaler Deutlichkeit zusammengefasst. Wir hatten ihre Thesen seinerzeit in einem FAZIT-Beitrag präsentiert – stark vereinfacht lautet der Hauptvorwurf, dass viele Ordnungsökonomen spätestens ab den neunziger Jahren konkurrenzfähiges wissenschaftliches Arbeiten durch Ideologie ersetzt und obendrein internationale Arbeiten zur Institutionenökonomik nicht ausreichend zur Kenntnis genommen hätten. (Den letzten Punkt hatte ich vor Jahren auch in einem Beitrag für die F.A.Z. erwähnt.) Diese Kritik von Feld/Köhler wird allerdings nicht pauschal erhoben; ausgenommen wird zum Beispiel der frühere Leiter des Eucken-Instituts, Victor Vanberg, der an einer Zusammenführung amerikanischen verfassungsökonomischen Denkens und deutscher Ordnungsökonomik gearbeitet hat.

Wege zu einer neuen Ordnungsökonomik sucht ein jetzt erschienener, von Joachim Zweynert, Stefan Kolev und Nils Goldschmidt herausgegebener Band, der neben einer Einleitung zehn Beiträge zu unterschiedlichen Aspekten enthält. Eine traditionelle Rezension dieses Buch kann ich nicht verfassen, weil ein Beitrag aus meiner Feder stammt. Aber es lohnt, das Anliegen des Buches  anhand der Einleitung der Herausgeber zu beschreiben. Sie unterscheiden zwischen einer kontextualen und einer isolierenden Ökonomik. Als isolierende Ökonomik wird eine Wirtschaftswissenschaft verstanden, die sich ausschließlich oder vorwiegend mit ökonomischen Fragen befasst – das ist das, was die große Mehrzahl der Ökonomen tut – und deren Existenzberechtigung überhaupt nicht bestritten wird: “An dieser Konzentration bzw. Verengung ist per se nichts auszusetzen.” Aber es ist nicht alles.

“Die kontextuale Ökonomik interessiert sich vornehmlich für das, was an den Schnittstellen zwischen dem Wirtschaftssystem und anderen gesellschaftlichen Subsystemen passiert…”, schreiben die Herausgeber. Kontextuale Fragen seien aber immer stärker aus den Wirtschaftswissenschaften ausgegliedert worden. Es solle aber in den Wirtschaftswissenschaften um die richtige Gewichtung zwischen isolierender und kontextualer Ökonomik gehen: “Das bedeutet aber auch, dass das Verhältnis von isolierender und kontextualer Ökonomik nicht in Stein gemeißelt ist, sondern mit Veränderungen der Wirtschaftswirklichkeit variiert bzw. variieren sollte.” Der Markt für wirtschaftswissenschaftliche Ideen sei in der Regel oligopolistisch strukturiert, was “erhebliche Anpassungsverzögerungen” zur Folge haben könne: “Genau das ist unserer Auffassung nach gegenwärtig der Fall: Unser zentraler Einwand gegen das heutige Ausmaß, mit dem die isolierende über die kontextuale Ökonomik dominiert, lautet, dass es den jüngsten Veränderungen der Wirtschaftswirklichkeit nicht gerecht wird.”

Gemeint sind Veränderungen, die 1989 begonnen haben, zu tiefen institutionellen Transformationen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft führen und daher mit ökonomisch-puristischen Modellen alleine nicht analysiert werden können: “Der post-sozialistische Wandel im Osten Europas stellte indes nur ein Ausgangspunkt einer neuerlichen Welle tief greifender Veränderungen der institutionellen Struktur vor allem von Entwicklungs- und Schwellenländern, zunehmend aber auch von entwickelten Industrieländern dar. Dies wird über kurz oder lang dazu führen, dass sich innerhalb der Wirtschaftswissenschaft (und an den Schnittstellen mit ihren Nachbardisziplinen) eine Gewichtsverlagerung zwischen isolierender und kontextualer Ökonomik vollziehen wird.”

 

Abschließend seien ein paar Aufsätze genannt:

Lars Feld und Ekkehard Köhler: Ist die Ordnungsökonomik zukunftsfähig?

Inga Fuchs-Goldschmidt und Nils Goldschmidt: Wiesel oder Hermelin? Strukturelle Gerechtigkeit als Fundament einer modernen Sozialen Marktwirtschaft

Jan Schnellenbach: Politisch-ökonomische Implikationen der Verhaltensökonomik: eine kritische Bestandsaufnahme

Michael Wohlgemuth und Stefan Kolev: Evolutorische Public Choice und Neue Ordnungsökonomik.