Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Yuan und D-Mark sind sich ähnlich

Chinas Währung gibt in Asien den Ton an, wie einst die D-Mark in Europa.

Für das Weltwährungssystem steht in diesem Jahr eine wichtige Weichenstellung an. Der Internationale Währungsfonds (IWF) muss entscheiden, ob die chinesische Währung neben dem Dollar, dem Euro, dem japanischen Yen und dem britischen Pfund in jenen Währungskorb aufgenommen wird, der den Wert der sogenannten Sonderziehungsrechte des IWF bestimmt. Dies spiegelt Chinas wachsende Bedeutung in globalen Finanz- und Währungsfragen greifbar wider. Auch wenn die Chancen für eine “multipolare” Währungsordnung, wie sie viele Währungspolitiker außerhalb der Vereinigten Staaten wünschen, weiterhin wenig konkret sind, so scheint der Aufstieg des chinesischen Yuan zur weltweit drittwichtigsten Währung nach dem Dollar und dem Euro nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Vor diesem Hintergrund untersuchen die Ökonomen Marcel Fratzscher und Arnaud Mehl vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und der Europäischen Zentralbank, inwieweit das internationale Währungssystem schon heute “tripolar” ist, also von diesen drei Währungen geprägt wird. Sie testen hierzu die “China-Dominanzhypothese”. Diese Hypothese formulieren sie in Anlehnung an ältere wirtschaftswissenschaftliche Debatten über die Rolle Deutschlands im europäischen Währungsraum in den 1980er und 1990er Jahren. Dabei geht es mit Blick auf den Yuan (wie damals für die D-Mark) um die auch politisch wichtige Frage, inwiefern die Währung wirtschaftlich maßgeblicher Regionalmächte die Wechselkurse und Geldpolitik ihrer Nachbarstaaten beeinflusst.

Ausgangspunkt der Analyse ist also eine womöglich analoge und vergleichbare Konstellation in den Währungsbeziehungen. De jure waren nationale Währungen – zu Zeiten der D-Mark wie auch heute in Asien – mehrheitlich an den Dollar gekoppelt. De facto aber bestanden und bestehen zugleich starke wirtschaftliche Abhängigkeiten der unmittelbaren Nachbarökonomien gegenüber der regional dominierenden Wirtschaftsmacht. Und diese Abhängigkeiten erstrecken sich auch auf regionale Währungs- und Finanzbeziehungen.

Für die D-Mark ergab die empirische Überprüfung dieser Hypothese eine herausgehobene, nicht aber dominante Rolle. Die Autoren postulieren für den Yuan in Asien nun eine ähnliche Position als regionale Ankerwährung, die allerdings im globalen Kontext dem amerikanischen Dollar untergeordnet bleibt.

In ihrer Analyse zeigen Fratzscher und Mehl, dass der Yuan in der Tat zur regionalen Ankerwährung in Asien geworden ist, seit China seine Wechselkursbindung an den Dollar 2005 lockerte. Insbesondere seit der globalen Finanzkrise richten sich Wechselkursbewegungen in der Region zunehmend an der chinesischen Währung aus. Auch Studien des Peterson Institute for International Economics in Washington und der Asiatischen Entwicklungsbank bestätigen den rapiden Bedeutungsgewinn des chinesischen Yuan im asiatischen Währungsraum. Die asymmetrische Abhängigkeit vom Yuan ist derzeit allerdings noch geringer als jene des Europäischen Währungssystems von der D-Mark in den 1980er und 1990er Jahren.

Fratzscher und Mehl beantworten allerdings nicht die aus wirtschaftspolitischer Sicht zentrale Frage, welche Wechselkurskonfiguration für Asien besonders wachstums- und zugleich stabilitätsfördernd sein könnte. Ökonometrische Analysen produzieren auch generell selten Erkenntnisse mit Blick auf die politisch-diplomatischen Voraussetzungen der Internationalisierung von Währungen. Hierfür sind politökonomisch orientierte Analysen erforderlich.

Injoo Sohn, ein zurzeit an der amerikanischen Brookings Institution arbeitender koreanischer Politikwissenschaftler, nimmt genau diesen Zusammenhang in den Blick. Er widmet sich den innen- und außenpolitischen Faktoren, die die Internationalisierung des Yuan beeinflussen. Eine seiner Erkenntnisse, die in vielen Studien über Chinas Aufstiegs unterschätzt wird, ist besonders wichtig: Innenpolitische Lern- und Rückkopplungs-Mechanismen prägen den Prozess der wirtschaftlichen Internationalisierung Chinas. Dieser ist in markanter Weise durch ein Vorgehen in experimentierenden, reversiblen Schritten gekennzeichnet, nicht aber durch eine Strategie der abrupten Liberalisierung (“big bang”) oder visionäre Sprünge in neue Währungsstrategien.

Aus Pekinger Sicht muss die Internationalisierung des Yuan korrigierbar bleiben, je nach innen- und wirtschaftspolitischen Risikoeinschätzungen. Die besondere innere Spannung von Chinas Währungspolitik besteht darin, dass gegensätzliche – teils eher liberale und teils eher merkantilistische – Ziele sehr unterschiedlicher Interessengruppen in China zum Ausgleich gebracht werden müssen. Chinas exportorientierte Wirtschaftsbranchen pochen auf Öffnung und Weltmarktintegration. Große staatsnahe Betriebe fordern hingegen politischen Schutz vor übermächtiger ausländischer Konkurrenz. Aufgrund dieser innerchinesischen Spannungen unterliegen Tempo und Richtung der Internationalisierung des Yuan wiederkehrenden Korrekturen. Eine innerchinesische Finanzkrise oder auch eine innenpolitische Führungskrise könnten den Prozess jederzeit zurückwerfen.

Über diese innerchinesischen Beschränkungen hinaus verweist Injoo Sohn auf zusätzliche Barrieren für die internationale Etablierung der chinesischen Währung. Chinas Gewicht auf den Währungs- und Finanzmärkten wird auf absehbare Zeit nicht global und hegemonial verankert sein wie das der Vereinigten Staaten. Denn die Sonderstellung des amerikanischen Dollars ist durch die Liquidität und die ungebrochene Anziehungskraft der amerikanischen Finanzmärkte sowie durch den Einfluss der Vereinigten Staaten als global wirksame Regulierungsmacht und ihre diplomatisch-militärischen Allianzen unterfüttert. Die Sonderrolle des Dollars als globaler Leitwährung beruht also auf historischen und aktuellen Voraussetzungen, die weit über das Feld der Währungspolitik hinausreichen.

China Währung besitzt diese Voraussetzungen bislang nicht. Chinas Regierung bleibt aus Furcht vor unkontrollierbarer Volatilität grundsätzlich skeptisch gegenüber einem ungezügelten Kapitalverkehr und der Freigabe des Wechselkurses. Wirtschaftspolitische Autonomie, politische Steuerbarkeit und Stabilität haben aus Pekings Sicht überragende Bedeutung. Chinas interner Finanzmarkt ist weiterhin unterentwickelt, die internationale Position der chinesischen Finanzbranche vergleichsweise schwach. Alle diese Faktoren erschweren eine rasche globale Etablierung des Yuan. Damit rückt eine – nicht nur in Peking erhoffte – Relativierung oder gar Ablösung des Dollars als globaler Leitwährung in die Ferne. Im asiatischen Wirtschaftsraum aber verdichten sich die Anzeichen für immer stärker auf China ausgerichtete Währungsbeziehungen.

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Der Autor ist Direktor des Mercator Instituts für China-Studien (MERICS) in Berlin und Professor für Politik und Wirtschaft Chinas an der Universität Trier.

Marcel Fratzscher und Arnaud Mehl (2014): “China’s Dominance Hypothesis and the Emergence of a Tripolar Global Currency System”. The Economic Journal, Vol. 124 (Dezember).

Injoo Sohn (2015): “China’s Monetary Ambition: RMB Internationalization in Comparative Perspective”. Korean Journal of International Studies, Vol. 13 (April). Kurzfassung unter: www.brookings.edu/research/opinions/2015/03/09-china-monetary-ambition-sohn