Angeblich beuten die Chinesen Afrika aus. Stimmt nicht. Ohne sie ginge es dem Kontinent viel schlechter.
Der Ausbau der chinesisch-afrikanischen Beziehungen seit dem vergangenen Jahrzehnt wird von Befürchtungen und Warnungen in der afrikanischen und westlichen Öffentlichkeit begleitet: Ein nach Rohstoffen hungriges und im Umgang mit Schurkenregierungen bedenkenloses China versuche, sich als neue Kolonialmacht in Afrika zu etablieren. Und chinesische Unternehmen seien im Begriff, sich gigantische afrikanische Landwirtschaftsflächen anzueignen, um die Bevölkerung in China mit Nahrungsmitteln aus Afrika zu versorgen.
Vor dem Hintergrund der aufgeladenen Debatte sind zwei Veröffentlichungen bemerkenswert, die einen analytischen Blick auf den afrikanisch-chinesischen Wirtschaftsaustausch werfen. Die amerikanische Entwicklungsforscherin Deborah Brautigam untersucht in ihrem Buch „Will Africa Feed China?“ mit Akribie und überraschenden Befunden chinesische Agrarinvestitionen in Afrika. Und die australischen Ökonomen Don Gunasekara, Yiyong Cai und David Newth befassen sich in einem gemeinsamen Artikel mit der vielschichtigen Wirkung von Auslandsinvestitionen in Afrikas Landwirtschaft.
Keiner der Autoren leugnet die Risiken, die ausländische Agrarinvestitionen für die afrikanische Bevölkerung mit sich bringen können. So führen etwa Umsiedlungen immer wieder zu heftigen Konflikten, weil die Betroffenen gegen ihren Willen von ihrem Land vertrieben werden oder keine ausreichenden Entschädigungen erhalten. Zugleich treten häufig gravierende Umweltprobleme auf, wenn ausländische Investoren landwirtschaftliche Großbetriebe im Eiltempo errichten. Speziell in chinesischen Investitionsprojekten kommt es aufgrund niedriger Löhne und sehr hoher Arbeitsanforderungen immer wieder zu offenen Spannungen zwischen Investoren und lokaler Arbeiterschaft.
Die meisten chinesischen Pläne scheitern
Doch zeigen die Studien auch, warum Auslandsinvestitionen dennoch unverzichtbar sind: In weiten Teilen Afrikas werden kleinste Äcker von Familien bestellt, die so ihren Lebensunterhalt zu sichern versuchen. Ein Großteil der Arbeit wird immer noch von Hand erledigt, sodass die Ernteerträge außerordentlich bescheiden ausfallen. In Moçambique, Sudan und Sambia werden riesige Flächen fruchtbaren Landes aufgrund mangelhafter Infrastruktur überhaupt nicht bewirtschaftet. Die Konsequenz liegt auf der Hand: Afrika muss Lebensmittel in großem Umfang importieren – und das bei weiter wachsender Bevölkerung.
Chinas Investitionen mögen auf den ersten Blick denkbar ungeeignet erscheinen, um diese Probleme zu lindern. Im Kontrast zu verbreiteten Warnungen in afrikanischen und westlichen Medien belegt Brautigam mit Hilfe langfristiger Studien indes, dass chinesische Agrarunternehmen bislang nur in sehr begrenztem Umfang afrikanisches Land erworben haben – nämlich rund 2400 Quadratkilometer, eine Fläche, die kleiner ist als das Saarland. Zwar wurden zahlreiche viel größere Investitionsprojekte angekündigt. Doch die meisten dieser Pläne scheiterten an politischer Instabilität, Widerständen in der einheimischen Bevölkerung und fehlender Infrastruktur.
Viele chinesische Investoren haben Afrika daher inzwischen wieder den Rücken gekehrt. Generell kühlt sich das chinesische Engagement auf dem afrikanischen Kontinent gegenwärtig deutlich ab, was auf allen Seiten für Ernüchterung sorgt. Chinas nachlassender Rohstoffappetit wirkt sich überaus negativ auf Wachstum und Investitionen in vielen afrikanischen Ländern aus.
Chinas Landkäufe in Afrika sind gar nicht so strategisch
Brautigam weist in ihrem Buch den Verdacht zurück, Peking habe einen staatlichen Langzeitplan zur Ernährungssicherung ersonnen, in dessen Zentrum der Erwerb von Ackerland in Afrika stehe. Zwar erhielten chinesische Agrarunternehmen staatliche Unterstützung für ihre Auslandsinvestitionen. Doch schlossen diese Förderprogramme eine Subventionierung von Landkäufen bis auf wenige Ausnahmen explizit aus. Zudem ging die Initiative für flächenintensive Großprojekte häufig von Regierungen in Empfängerländern wie Äthiopien, Moçambique und Sambia aus, die sich mangels alternativer Kapitalquellen an China wandten.
Mittels gründlicher Feld- und Quellenforschungen widerlegt Brautigam zudem die Annahme, dass chinesische Unternehmen Nahrungsmittel in Afrika anbauen, um damit den chinesischen Markt zu versorgen. Zwar gibt es chinesische Unternehmen, die in Afrika Kautschuk, Sisal oder Palmöl für den Export in alle Welt erzeugen. Nahrungsmittel aber bauen vor allem kleine und mittlere chinesische Unternehmen an, die vornehmlich für den afrikanischen Markt produzieren. Auf den lokalen Märkten können sich diese Unternehmen behaupten, weil sie die ortsüblichen Preise unterbieten können. Auf internationalen Agrarmärkten aber sind sie von Qualität, Quantität und Preisen her nicht konkurrenzfähig. Und so hat es sich aus Sicht chinesischer Investoren weder als machbar noch als lukrativ erwiesen, Getreide im großen Stil aus Afrika zu exportieren.
Die meisten afrikanischen Länder brauchen die Investitionen
Die Schlussfolgerungen der Untersuchung sind eindeutig: Chinas landwirtschaftliches Engagement in Afrika ist weit davon entfernt, einen substantiellen Beitrag zur Ernährungssicherung in China selbst zu leisten. Die vielfältigen chinesischen Initiativen, von Geflügelhöfen in Ghana über den Bau von Bewässerungsanlagen in Moçambique bis zur Kaffeeplantage in Kenia, könnten aber mittelfristig dazu beitragen, brachliegende Potentiale der afrikanischen Landwirtschaft zu wecken.
Nach der Studie von Gunasekara, Cai und Newth ist nämlich von den allermeisten afrikanischen Ländern nicht zu erwarten, dass es ihnen aus eigener Kraft gelingen wird, den nötigen Fortschritt in der Landwirtschaft herbeizuführen und Infrastrukturlücken zu schließen. Für dringend notwendige Investitionen fehlt das heimische Kapital und Knowhow. Auch die internationale Entwicklungshilfe unterstützt Agrarinvestitionen nur noch in geringem Maß. Kommerzielle Investitionen aus dem Ausland – also auch aus China – werden deshalb unabdingbar sein, um Afrikas landwirtschaftliches Potential zu erschließen, die Lebensmittelversorgung der wachsenden afrikanischen Bevölkerung zu verbessern und Voraussetzungen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents zu schaffen.
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Der Autor ist Direktor des Mercator Instituts für China-Studien (MERICS) in Berlin und Professor für Politik und Wirtschaft Chinas an der Universität Trier.