Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Das Dilemma der Frauen

Karriereweib oder geliebte Ehefrau – beides kann eine Frau nicht sein. Denn Männer mögen keine ehrgeizigen Frauen, die ihnen im Beruf womöglich noch den Rang ablaufen. Sie bevorzugen kleine Heimchen, die sich mit Leidenschaft um Haushalt und Kinder kümmern.

Was klingt wie ein bösartiger Affront gegenüber Frauen und Männern zugleich, ist so aus der Zeit gefallen leider nicht. Selbst Frauen haben dieses Bild noch immer im Kopf. Zu diesem ernüchternden Ergebnis kommen amerikanische Ökonomen in einer Studie, die sie gerade in der renommierten Fachzeitschrift “American Economic Review” veröffentlicht haben. Die Autoren haben darin eine brisante These aufgestellt: Für viele Frauen sei es heute selbstverständlich, genauso ehrgeizig zu sein wie die Männer. Das gelte aber nur, wenn sie schon verheiratet seien. Ledige Frauen scheuten hingegen nach wie vor davor zurück, sich in der Öffentlichkeit allzu ambitioniert zu geben. Sie fürchteten, dass sie sonst als Ehepartner nicht in Frage kämen.

Um ihre These zu untersuchen, werteten die Wissenschaftler Fragebögen zu beruflichen Ambitionen aus, die 241 Männer und 114 Frauen bei Beginn ihres MBA-Studiums an einer Eliteuniversität ausfüllten. Der Anreiz, sich ehrgeizig zu zeigen, war groß: Offiziell sollten die Fragebögen der Zuweisung späterer Praktikumsplätze dienen. Dazu teilten die Forscher die Probanden in zwei Gruppen auf: Einem Teil wurde gesagt, ihre Antworten würden im Anschluss in ihren jeweiligen Kursgruppen namentlich diskutiert. Den anderen wurde erläutert, dass ihre Antworten anonymisiert in die Gruppendiskussion einfließen würden.

Für die meisten Befragten spielte die Unterscheidung zwischen Öffentlichkeit und Anonymität keine Rolle. Nur in der Gruppe der unverheirateten Frauen stellten die Studienautoren erhebliche Unterschiede fest. Befragt nach ihren Gehaltsvorstellungen, gaben die ledigen Studentinnen öffentlich an, 113 000 Dollar im Jahr verdienen zu wollen. Doch im Schutze der Anonymität stieg ihre durchschnittliche Gehaltsforderung auf 131 000 Dollar. Auch ihre Bereitschaft, auf Dienstreisen zu gehen, ging unter öffentlicher Beobachtung von 14 auf 7 Tage im Monat zurück. Zudem machten sie nach außen hin bescheidenere Angaben zu ihren allgemeinen Karrierezielen und schätzten ihre Führungsfähigkeiten geringer ein.

Ein auffälliges Ergebnis – das aber viele Gründe haben könnte. Es könnte zum Beispiel sein, dass sich ledige Studentinnen grundsätzlich zurückhaltender verhielten, schreiben die Autoren. Oder vielleicht gerade wegen ihrer Schüchternheit noch nicht in festen Händen waren. Um diese Möglichkeiten auszuschließen, sollten sich die Probanden in Bezug auf eine Fähigkeit bewerten, die nicht nur dem potentiellen Arbeitgeber gefallen könnte, sondern auch einem Ehepartner in spe – und zwar auf ihre Eloquenz. Siehe da: In diesem Punkt war von der Bescheidenheit der ledigen Frauen plötzlich nichts mehr zu sehen.

Auch für dieses Verhaltensmuster mag es einen anderen triftigen Grund geben als den bloßen Wunsch, auf das andere Geschlecht attraktiver zu wirken. Doch die Forscher legen in ihrer Studie nach. Ein ähnliches Bild fanden sie vor, als sie die Prüfungsleistungen der MBA-Studenten auswerteten. In den schriftlichen Prüfungen schnitten verheiratete und unverheiratete Studentinnen in etwa gleich gut ab. Doch in der mündlichen Mitarbeit waren die ledigen Frauen deutlich zurückhaltender als ihre vergebenen Kolleginnen. Sie meldeten sich seltener und hielten sich in Diskussionen zurück. Und das alles, obwohl ihre Abschlussnote darunter litt. Anders als bei den Frauen hingen die mündlichen Leistungen der Männer dagegen nicht von ihrem Familienstand ab.

Ihre Beobachtungen begründen die Ökonomen mit einem interessanten Erklärungsansatz: Für ledige Studentinnen und Studenten sei die Uni auch ein Heiratsmarkt. Sie verweisen auf eine Umfrage unter Absolventen der Harvard Business School aus dem Jahr 2015, wonach jede dritte Absolventin unter 30 mittlerweile mit einem ehemaligen Kommilitonen verheiratet sei. Das stelle die unverheirateten Studentinnen vor ein Dilemma: “Verhaltensweisen, die ledigen Frauen auf dem einen Markt zum Erfolg verhelfen, könnten ihnen auf dem anderen Markt schaden”, schreiben die Autoren. Wer im Arbeitsleben etwa häufig das Wort ergreift, freiwillig eine leitende Rolle in Projektgruppen übernimmt oder oft Überstunden macht, dürfte seinem Chef gut gefallen – ein potentieller Partner könnte die Sache allerdings anders sehen.

Selbst die Frage nach angemessener Kleidung, richtiger Frisur oder passendem Make-up werde von dieser Doppelambition verkompliziert. Verheiratete Frauen müssten sich diese Gedanken nicht mehr machen, ihre Ambitionen seien ihren Ehepartnern ohnehin bekannt. Ebenso wenig müssen sich Männer darum sorgen, deren Wert auf dem Heiratsmarkt mit dem beruflichen Erfolg steigt.

In vorauseilendem Gehorsam würden sich ledige Frauen in der Öffentlichkeit also vor möglichen “Sanktionen” im Privatleben schützen. Dabei ziehen die Forscher einen interessanten Vergleich: So wie sich ethnische Minderheiten bewusst “weiß” verhalten, um es im Beruf leichter zu haben, nähmen Frauen schon vor der Heirat Verhaltensweisen an, die ein Ehemann an ihnen schätzen dürfte.

Bleibt die Frage, ob dieses Verhalten auch den Wunschvorstellungen der Männer entspricht. Darauf gibt die aktuelle Forschung keine eindeutige Antwort. Glaubt man einer (zugegebenermaßen älteren) Harvard-Studie aus dem Jahr 2006, haben Männer in der Regel eine Vorliebe für Frauen, die weniger intelligent und weniger ehrgeizig sind als sie selbst. Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigte ein ähnliches Bild: Demnach waren beide Eheleute mit ihrer Partnerschaft weniger zufrieden, wenn die Frau mehr verdiente als der Mann.

Die Psychologen Marcel Zentner und Alice Eagly kamen im selben Jahr jedoch zu einem anderen Schluss, als sie etliche Studien zu den Einflüssen von Rollenbildern auf die Partnerwahl auswerteten. Statt in alten Denkweisen zu verharren, reagierten Männer innerhalb kürzester Zeit auf die gesellschaftlichen Veränderungen und passten ihre Partnerpräferenzen entsprechend an. Die Vorstellung, der erfolgreiche Karrieremann wähle seine Frau anhand der Kriterien Schönheit und Jugend, sei längst überholt, schlussfolgern die Forscher. In der heutigen Zeit, in der meist beide Ehepartner für ein befriedigendes Einkommen arbeiten müssten, suchten sich Männer bewusst gebildete Frauen mit guten Gehaltsaussichten.

 


 

Leonardo Bursztyn, Thomas Fujiwara, & Amanda Pallais (2017) ,Acting Wife’: Marriage Market Incentives and Labor Market Investments, American Economic Review, 107:11, 3288-3319

Marcel Zentner & Alice H. Eagly. (2015) A sociocultural framework for understanding partner preferences of women and men: Integration of concepts and evidence, European Review of Social Psychology, 26:1, 328-373