Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Was soll die Fiskalunion?

Vor den Eurobond hat die Bundeskanzlerin die Fiskalunion gestellt. Aber wie viel Gemeinsamkeit in der Finanzpolitik ist überhaupt sinnvoll? Die Fiskalunion verspricht mehr, als sie halten wird. Von Heike Göbel.

Von Heike Göbel

Vor den Eurobond hat die Bundeskanzlerin die Chiffre „Fiskalunion” gestellt. Die Fiskalunion steht am Horizont der Euro-Rettung. „Wir reden nicht nur über die Fiskalunion, wir fangen an, sie zu bauen”,  sagte die  Bundeskanzlerin an diesem Freitag in ihrer Regierungserklärung. Der Inhalt bleibt freilich verschwommen, Angela Merkel lieferte noch die Stichworte „Durchgriffsrechte” und „Europäische Schuldenbremse”. Wahlweise steht da auch die Figur des „Europäischen Finanzministers”, die der gerade pensionierte Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet hinterlassen hat. Der neue bayerische Finanzminister Söder empfiehlt die europäische „Stabilitätspolizei”, und FDP-Chef Rösler will einen unabhängigen Experten-Stabilitätsrat schaffen, der „Empfehlungen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auszusprechen, die nationalen Haushaltspläne zu prüfen, an den Überwachungsverfahren der EU zur Wettbewerbsfähigkeit und der Haushaltspolitik mitzuwirken” hat. Und natürlich sollen Sanktionen auf Verstöße folgen.

Angela Merkel - Foto: dpaVersprochen wird also irgendwie mehr Gemeinsamkeit in der Finanzpolitik der 17 Euro-Staaten. Die Haushaltsdisziplin soll größer und die Schulden kleiner werden – und die Schuldenkrise enden. Im gelobten Land einer  Fiskalunion gibt es, so lockt  die Kanzlerin, keine übermäßigen Schulden mehr, weswegen der Weg frei wäre für die von Frankreich und den Südeurostaaten dringlich gewünschten Eurobonds: Wo keine Schuldensünder, da keine unterschiedlichen Kreditrisiken. Mithin gelangt man nur durch das Nadelöhr der Fiskalunion ins rettende Zinsparadies eines großen gemeinsamen Eurobond-Anleihemarktes von 17 Euroländern – Niedrigzinsen für alle auf alle Zeit, gemeinsame Haftung großer und kleiner Länder, gleiche Bonität für alle, den Ratingagenturen ein Schnippchen geschlagen und Frieden in der Währungsunion? Lieber ein Eurobond als gar keine Vision für Europa?

Aber wie viel Gemeinsamkeit in der Finanzpolitik ist überhaupt sinnvoll, jenseits der Frage, wie viel Gemeinsamkeit möglich wäre und zu welchem Souveränitätsverzicht nationale Parlamente bereit wären? Auf welcher staatlichen Ebene wären welche Kompetenzen anzusiedeln? Und was sollen die diversen Stabilitätsrichter anderes prüfen und einfordern, als die Einhaltung eben jener missachteten Defizit-Quoten, die im Maastricht-Vertrag und Stabilitäts- und Wachstumspakt geregelt sind: den Umfang der laufenden Schulden und die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung?

Der langjährige Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH), Rüdiger Pohl, hat seine Skepsis am Projekt „Fiskalunion” kürzlich in einem lesenswerten Beitrag für die F.A.Z. so ausgedrückt: „Es gibt keine einheitliche optimale Staatsaktivität, weder im Umfang noch in der Struktur. Der EU-Finanzpolitik fehlt damit jeder ökonomische Maßstab für eine sinnvolle Vereinheitlichung nationaler Budgets.” Und noch ein berechtigter Hinweis Pohls: Mit Besteuerung und Staatsausgaben gestalten die Mitgliedstaaten ihre Standortbedingungen. Eine weitgehende Vereinheitlichung würde den Standortwettbewerb in der EU schwächen und die wirtschaftliche Dynamik beeinträchtigen. „Umfang und Struktur der Staatstätigkeit bleiben daher vernünftigerweise in der Verantwortung der Mitgliedstaaten.” Dem ist wenig hinzuzufügen.

Deshalb hilft es aber auch wenig, wenn die Euroländer ihre nationalen Budgets künftig vor der Verabschiedung in Brüssel begutachten lassen. Natürlich kann sich die Europäische Kommission über die Wachstumsprognosen beugen, die der Haushaltsplanung zugrunde liegen. Sie kann versuchen, das Steueraufkommen selbst abzuschätzen, und einen Blick auf die größten Ausgabenposten werfen. Aber wer ein bisschen verfolgt hat, mit welcher Inbrunst im deutschen Bundestag bisweilen über Wahrheit, Klarheit und Vollständigkeit eines Budgets gestritten wird, der ahnt, dass ein Brüsseler Sparkommissar hier 17 Mal auf verlorenem Posten stünde. Er hat ja keine besseren Wachstumsprognosen. Aber an diesen Prognosen hängt die Schätzung sowohl der Steuereinnahmen als auch der Sozialausgaben – mithin liegt hier die entscheidende Stellschraube für die Planung der Haushalte.  Mit welchen Argumenten will der Sparkommissar  Infrastruktur- oder Sozialausgaben kritisieren, solange unter dem Strich im Haushaltsplan kein übermäßiges Defizit steht? Und was nutzt es, wenn der Bundesfinanzminister den Bundeshaushalt einschickt, die 16 deutschen Länder aber tun und lassen, was sie wollen? Die Schuldenbremse, die Deutschland allen Euroländern als Modell empfiehlt, bindet die deutschen Bundesländer übrigens erst 2019. Erst dann wird man sehen, welche disziplinierende Kraft sie tatsächlich entfaltet.

Wer die Fiskalunion predigt, handelt sich die Transferunion ein. Das ist zumindest eine sehr reale Gefahr des fiskalpolitischen Zusammenrückens in der Währungsunion. Der  Vergleich von Haushaltskennziffern zeigt eben auch die Unterschiede in der Finanzkraft, die ja im deutschen Föderalsystem durch jährliche große Steuertransfers ausgeglichen werden. (Trotzdem haben übrigens die Zahlerländer keinerlei Mitsprache bei den Ausgaben der Transferempfänger – kein bisschen Souveränitätsverzicht in deutschen Landeshauptstädten.) Wollte man den deutschen Ausgleichsmechanismus auf den Euroraum übertragen, müssten jährlich rund 137 Milliarden Euro umverteilt werden, schätzt die Deutsche Bank Research in einer Studie zur „Transferunion Europa”.  

Auch ändert alles fiskalpolitische Zusammenrücken im Euroraum nichts daran, dass finanzielle Sanktionen bei Verletzung der Haushaltsdisziplin auch weiterhin unglaubwürdig sind. Das kann man übrigens auch im deutschen System beobachten: Das Erpressungspotential der Defizitsünder ist hoch, und zwar nicht nur, weil die deutsche Verfassung  – anders als die Europäischen Verträge – finanziellen Beistand vorsieht. Immer wieder haben das Saarland und Bremen Sanierungshilfen bekommen, ohne dass die Schuldenlast nachhaltig gesunken wäre. Geld fließt, weil es in einem föderalen Verbund viele Vetopositionen gibt – nicht nur innerhalb des deutschen Systems, sondern auch auf EU Ebene.

Die „Fiskalunion” verspricht mehr, als sie halten wird. Man braucht schon viel guten Glauben, um im  Zusammenrücken, Abstimmen und Überwachen der Euro-Haushalte einen wirksamen Mechanismus zur Begrenzung der Kreditaufnahme  zu erkennen. Viel wahrscheinlicher ist es wohl, dass die Chiffre „Fiskalunion” lediglich benutzt wird, um nach ein paar kosmetischen Korrekturen am Mechanismus der  Haushaltsüberwachung eben doch schnellstens die Vergemeinschaftung der Schulden über Eurobonds durchzusetzen und die Transfergemeinschaft vorzubereiten.

 

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