Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Die große Geldschwemme. Oder: Wo wächst die nächste Blase?

Die Notenbanken sollen den Euro mit viel Geld aus der Krise holen. Dabei hat ihn das viele Geld vermutlich erst hineingebracht. Von Patrick Bernau.

Geld ist Trumpf – so scheint es zumindest. Was war das für ein Fest gestern an der Börse! Die Banken auf der Welt bekommen Milliarden Dollar zu niedrigeren Zinsen geliehen – prompt rauschten die Aktien nach oben. Und wenn es nach den Eurorettern im Rest der Welt geht, dann war die Flutung der Märkte mit Geld gestern nur ein kleiner Vorgeschmack zur großen Sintflut. Die Europäische Zentralbank muss Geld drucken und Staatsanleihen kaufen, sagen sie. Das sei die letzte Chance auf eine Euro-Rettung. Und wenn sich die EZB querstellt, dann müssen eben die amerikanischen Kollegen von der Fed ran. (Auch so kann man es betrachten, dass die Fed jetzt auf dem Umweg über die EZB Dollar zur Verfügung stellt.)

Inflationsbekämpfung, Sparanreize, Unabhängigkeit der EZB – all das ist den Verfechtern der EZB-Löschkanone nicht mehr so wichtig. Schließlich stehe der Euro vor dem Abgrund. Da müsse man Anleihen kaufen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Bild zu: Die große Geldschwemme. Oder: Wo wächst die nächste Blase? Doch was, wenn das Geld die Welt erst richtig in die Bredouille bringt? Wenn all die Liquidität das falsche Mittel ist – wenn die Eurozone nicht brennt, sondern jetzt schon im Geld ertrinkt? Das klingt paradox, zugegeben, fehlt es doch den meisten Euro-Staaten gerade am Geld. Aber es wird gleich klarer.

In der Eurozone insgesamt gibt es nämlich eigentlich genug Geld. Sogar zu viel davon. Seit Jahren ist die Geldmenge viel schneller gewachsen als das Bruttoinlandsprodukt. (Die Grafik links zeigt aus technischen Gründen das inflationsbereinigte BIP, das nicht-inflationsbereinigte BIP ist bis auf etwa 150 Indespunkte gewachsen). Noch im Juni sprach die Europäische Zentralbank selbst von „überschüssiger Liquidität” (PDF, S. 35/36) – und ihre Worte waren warnend: „Die angesammelte Liquidität kann Preisdruck in Vermögenspreisen und Produktpreisen verursachen, selbst wenn die Geldmenge nur langsam wächst.”

Was die EZB da sagt, heißt übersetzt: Geld kann nicht nur die Inflation in die Höhe treiben. Pedro Teles und Harald Uhlig haben das gezeigt: Irgendwann gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts hat sich die Welt geändert. Seitdem verursachen Zentralbanken nur noch selten Inflation, wenn sie die Geldmenge schnell wachsen lassen. Einst hieß diese Phase „Great Moderation” (Große Mäßigung): Die Zentralbanken schienen alles im Griff zu haben. Wer so denkt, druckt auch heute noch Geld. Denn die Inflation scheint weit weg zu sein. Doch die „Great Moderation” hat sich als Illusion entpuppt.

Denn Inflation ist nicht das einzige Risiko an großen Geldmengen – auch das haben die vergangenen 20 Jahre gezeigt. „Liquidität findet immer ihren Weg”, sagt der scheidende EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark im Interview mit der F.A.S. Wir müssen fürchten, dass er Recht hat. Ansgar Belke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und zwei Kollegen jedenfalls haben festgestellt, dass das Geld auf der Welt inzwischen leichter die Preise für Geldanlagen nach oben treibt als die Preise im Supermarkt. Das hat schon mehrmals böse geendet. In Amerika hat Alan Greenspan über Jahre hinweg zu viel Geld verteilt. Er bekam immer größere Blasen – bis zur Immobilienblase und der Finanzkrise. Großbritannien ging es nicht besser.

Die Eurozone war ebenfalls nicht immun. Sie hatte von ihrem Geld nicht nur eine Immobilienblase in Irland und Spanien. Sie hatte offenbar auch eine veritable Blase in Staatsanleihen. So manche Bank hat sich Geld von der EZB geliehen und davon postwendend Staatsanleihen gekauft – gegen die konnte die Bank sich noch mehr Geld leihen und davon noch mehr Staatsanleihen kaufen. Für die Banken war das ein gewinnbringendes Geschäft. Und die Kreditzinsen für die Staaten sanken viel zu tief.

Geld - Foto: Getty Images / AFP Genau das macht mir große Sorgen. Denn das Geld ist jetzt noch nicht weg, es ist nur woanders. Und schickt sich dort an, die nächsten Blasen zu befüllen. Das merkt man sogar schon in der Praxis: Investoren stehen heute schon ratlos vor den Finanzmärkten, weil kaum noch eine Geldanlage angemessen bepreist scheint – alles sieht zu teuer aus. Wer sich noch Gewinn erhofft, der setzt auf spekulative Kurssteigerungen. Das ist ein Alarmzeichen.

Normalerweise heißt es: Die Zentralbanken müssen jetzt Geld verteilen, in besseren Zeiten sammeln sie es wieder ein. Ich glaube das nicht, die Erfahrung der vergangenen 20 Jahre macht mich skeptisch. Aber vielleicht ist es dieses Mal anders – vielleicht kommt dieses Mal gar keine gute Zeit nach.

Denn: Wenn die Investoren jetzt noch ihre Peripherie-Anleihen an die Zentralbank verkaufen und dafür neues Geld bekommen – wo sollen sie denn das noch hinlegen, ohne die Blase zu vergrößern?

In Rohstoffe? Bis heute ist umstritten, ob Investoren die Lebensmittelpreise nach oben getrieben haben – das ist zumindest möglich. Der Goldpreis ist auf jeden Fall in die Höhe geschossen. Wenn das alles wäre, wäre es noch in Ordnung. Eine Blase im Goldpreis lässt sich noch recht gut abfedern.

Doch Blasen werden richtig gefährlich, wenn sie mit Krediten verbunden sind. Und für Kreditblasen gibt es auch einige Kandidaten. Zum Beispiel die Immobilien in deutschen Metropolen. Gefühlt jeder zweite Deutsche, der Angst vor Inflation hat, kauft sich eine Wohnung oder ein Haus. Oft auf Kredit. Die Preise schießen in die Höhe. Und wenn dort eine Blase entsteht, wird’s gefährlich.

Noch gefährlicher könnte es aber werden, wenn eine Blase in deutschen Staatsanleihen platzt. Gestern hat Deutschland zum ersten Mal Geld dafür bekommen, dass es sich Geld leiht. Das kann nicht dauerhaft so bleiben. Irgendwann müssen deutsche Anleihen im Preis zurückgehen, die langfristigen Anleihen tun es schon. Mit etwas Pech stehen wir dann vor einer Blase, die die aktuelle Euro-Krise wie ein Ponyreiten aussehen lässt. Denn dann hätte potenziell das Euro-Kernland Probleme – und mit ihm alle Banken, die ihr Geld jetzt vermeintlich sicher in Bundesanleihen angelegt haben. Das ist nur ein Worst-Case-Szenario, zugegeben, aber ein sehr abschreckendes.

Was also ist zu tun? Ich stehe auf der Seite von Gerald Braunberger (in der F.A.Z. vom Dienstag) und Martin Feldstein, die sagen: Sieben Prozent Anleihenrendite sind nicht das Ende, anders als es die Politiker gerne predigen. Italien wird nicht daran zugrundegehen, wenn es mal für ein paar Anleihen mehr bezahlen muss. Das Land hat immer noch genug Zeit für ein richtiges Sparpaket. Auf jeden Fall müssen die Kredite zurückgezahlt werden, denn nur so lässt sich das Geld aus der Welt bringen. Das ist die kurzfristige Lösung.

Zudem sollten Ökonomen versuchen zu verstehen, was sich am Ende des vergangenen Jahrhunderts in der Weltwirtschaft geändert hat. Dort vermute ich das Gegengift für die vielen kleinen und großen Blasen der vergangenen Jahre. Wann genau hat sich die Geldmenge von der Inflation entkoppelt? Und warum? Ich sehe mehrere Möglichkeiten: Die Deregulierung des Wirtschaftslebens, den Abbau von Zöllen, den Eintritt von Osteuropa und Asien in die Welt-Marktwirtschaft, undsoweiter. Da gibt es noch einige offene Fragen.

Dank an Olaf Storbeck für den Hinweis auf das Uhlig-Paper. Das Chart, das die Geldmenge im Vergleich zum BIP zeigt, ist aktualisiert und korrigiert.

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