Die Notenbank kauft Anleihen und stellt sich damit in eine schlechte Tradition. Ein Ausflug in die Geschichte lehrt: Der Wert des Geldes muss stabil bleiben.
Ein Gastbeitrag von Hendrik Mäkeler
Dann und wann scheint es an der Zeit zu sein, die elementarsten Voraussetzungen für die Funktionalität unseres Währungssystems in Erinnerung zu rufen. Denn wer die Diskussion über die Euro-Rettung über längere Zeit verfolgt hat, mag fast am eigenen Verstand zweifeln: Die zahlreichen, völlig konträren Lösungsansätze sind in sich vielfach schlüssig begründet.
Helmut Schmidt etwa sagte am 4. Dezember auf dem Bundesparteitag der SPD in Berlin: „Alles Gerede und Geschreibe über eine angebliche Krise des Euro ist in Wirklichkeit leichtfertiges Geschwätz von Medien, […] von Journalisten, und leichtfertiges Geschwätz von Politikern.” Im Feuilleton von F.A.Z. und F.A.S. vertraten unlängst der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Michael Hudson und die deutsche Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht einmal mehr die Meinung, die Europäische Zentralbank (EZB) müsse direkt oder indirekt über eine Banklizenz der EFSF die Finanzmärkte mit Geld fluten.
Aber kann die EZB die Krise lösen, indem sie Geld druckt, wie Hudson und Wagenknecht es fordern? Oder sind die Vertreter der gegenteiligen Meinung im Recht? Haben wir es mit einer Krise des Euro zu tun, oder ist das nicht der Fall, wie Schmidt behauptet?
Die Antwort auf diese Fragen findet, wer darüber nachdenkt, was Geld ist und welchen gesellschaftlichen Zweck es zu erfüllen hat. Derartige Gedanken hat man sich vermutlich bereits gemacht, als das Münzgeld im 7. Jahrhundert vor Christus in Kleinasien erfunden wurde. Der Name des dortigen Königs ist seither sprichwörtlich mit Reichtum verknüpft: Er war nicht nur ein Krösus, sondern er hieß auch so.
Aus der Zeit des Krösus oder seiner Vorgänger, die das Münzgeld erfanden, sind allerdings noch keine theoretischen Überlegungen überliefert, die uns Nachgeborenen erklären würden, warum man die ersten Münzen prägte. Erst aus dem 4. Jahrhundert vor Christus ist eine solche Erläuterung bekannt: Aristoteles fragt in der Nikomachischen Ethik unter anderem danach, wie sich Gerechtigkeit in der Gesellschaft herstellen lässt. In diesem Rahmen behandelt er auch das Geld.
Aristoteles geht davon aus, dass Menschen keine amorphe Masse bilden, sondern dass sie individuell unterschiedliche Interessen und Fähigkeiten haben. Diesen Interessen nachzugehen und ihre Fähigkeiten auszuüben, wird den Menschen allerdings nur dadurch möglich, dass sie Gemeinschaften bilden, innerhalb derer sie ihre unterschiedlichen Waren und Dienstleistungen austauschen können. So erhält der Ingenieur sein Brot und der Bäcker ein Dach über dem Kopf.
Das Problem ist, dass der Wert eines Hauses gemessen und zu demjenigen eines Brotes in Beziehung gesetzt werden muss, um einen gerechten Austausch vornehmen zu können. Diese Funktion leistet das Geld, indem es in Form unterschiedlicher Nominale selbst kleinste und größte Werte messbar, vergleichbar und somit austauschbar macht.
Dabei ist es Aristoteles besonders um die Austauschgerechtigkeit zu tun: Lässt sich durch das Geld keine Gerechtigkeit beim Austausch von Waren und Dienstleistungen mehr herstellen, dann werden Arbeitsteilung und Handel für die Menschen unvorteilhaft. Sie kehren infolgedessen zur Selbstversorgung zurück, und die Gemeinschaft löst sich auf.
Die Argumentation ist bis hierhin von zwingender Logik. Aristoteles leitet im folgenden allerdings Geld (nomisma) etymologisch von Gesetz (nomos) ab und stellt fest, dass es per Gesetz seinen Wert erlange und demgemäß auch durch das Gesetz seinen Wert verlieren könne. Demgemäß betrachteten die Herrscher in der Antike und während weiter Teile des Mittelalters das Bargeld als ihren Besitz, den sie beliebig entwerten konnten. Dem liegt die damalige Vorstellung zugrunde, dass der Herrscher Quell des Rechts war, das dem Geld erst seinen Wert einhauchte. So oder ähnlich mag Aristoteles das auch seinem wohl bekanntesten Schüler, Alexander dem Großen, beigebracht haben. Alexander ließ seinen Namen daher im Genitiv auf seine Münzen prägen, die somit diejenigen „des Alexander” waren.
Diese Sichtweise widerspricht eklatant der vorherigen Argumentationskette: Wenn etwa das für ein Brot gezahlte Geld per Gesetz über Nacht wertlos wird, dann ist damit auch das dem Gelderwerb zugrundeliegende Handelsgeschäft nachträglich ungerecht geworden. Das Geld kann seine ebenfalls von Aristoteles beschriebene Funktion als Wertaufbewahrungsmittel nicht erfüllen.
Diesen logischen Bruch konnten freilich erst diejenigen Gelehrten des Mittelalters überwinden, die seit dem 13. Jahrhundert die Werke des Aristoteles wiederentdeckten und kommentierten. Am bekanntesten unter ihnen ist Nicolas Oresme, ein französischer Bischof. In seiner Abhandlung über Geldwertveränderungen (Tractatus de mutatione monetarum) vertrat er die Ansicht, dass das Geld der Allgemeinheit gehöre, da sie durch ihre Arbeit den Besitz daran erworben habe. Ohne die Zustimmung der Menschen dürfe der Wert des Geldes demgemäß nicht einfach weginflationiert werden.
Diese Erkenntnis der Geldtheorie wird ein Schüler, der während seiner Sommerferien gearbeitet hat, um etwa mit dem Ersparten ein Rad zu kaufen, sicher ebenso zu schätzen wissen wie ein Rentner, der einen großen Teil seines Lebens gearbeitet und somit gegen Geld eingetauscht hat, das ihm den Lebensabend finanzieren soll. Denn beides ist nur möglich, wenn das erarbeitete Geld in seinem Wert stabil bleibt.
Allerdings hatte Oresme noch ein weiteres Problem zu lösen: Die Herrschaftsausgaben waren bis dato durch Inflation finanziert worden. Oresme konzedierte den Herrschern auch weiterhin Einkünfte, die ihrem Rang angemessen waren. Um die notwendigen Mittel aufzubringen, sollten fortan Steuern erhoben werden, was man allgemein als gerechter empfand als die Monetisierung herrschaftlicher Schulden.
In den nachfolgenden Jahrhunderten ging die Erinnerung an diese allmählich, teilweise erst mit gewaltsamen Volksaufständen durchgesetzte Lösung allerdings wieder verloren. Staatsausgaben wurden nicht nur durch Steuern, sondern bisweilen erneut zusätzlich über Inflation finanziert. Dies ändert aber nichts daran, daß eine solche Finanzierungsweise eklatant gegen rationalere und gerechtere Lösungen verstößt, die zu entwickeln die Menschheit fast zwei Jahrtausende gebraucht hat.
Wer dieses historische Orientierungswissen hat, kann leicht zwischen nachhaltigen und nicht zukunftsfähigen Lösungsansätzen für die gegenwärtige Krise unterscheiden:
Sobald eine Zentralbank einspringt, um Staatsschulden zu finanzieren, verwandelt sie eine Schuldenkrise in eine Währungskrise und begibt sich damit gerade auf jenen Irrweg, den man im späten Mittelalter überwunden hatte. Wenn Helmut Schmidt dennoch behauptet, es gebe keine Krise des Euro, dann irrt er daher, leider. Der Altbundeskanzler müsste es eigentlich besser wissen, hat er doch selbst diejenigen beiden Epochen in der deutschen Geschichte miterlebt, in denen die Reichsbank in großem Ausmaß den Staat finanzierte – mit den bekannten Folgen in Form der Hyperinflation 1923 und der zurückgestauten Inflation des „Dritten Reichs”, die sich nach dessen Untergang ihre Bahn brach.
Mit dem umfangreichen Ankauf von Staatsanleihen stellt sich die EZB mithin in eine ungute Tradition. Sie setzt paradoxerweise den Wert der Währung (und damit den Zusammenhalt der Bevölkerung) aufs Spiel, um den Euro-Währungsraum in seiner Gesamtheit zu bewahren.
Der Rückblick auf die Argumente des Aristoteles verdeutlicht aber auch, dass es nicht zulässig ist, die EZB die Schuldenkrise auf dem Umweg über den mit einer Banklizenz ausgestatteten Rettungsfonds EFSF zu finanzieren.
An der Beachtung dieser Grundlagen müssen sich die aktuellen Lösungsansätze messen lassen, egal von welcher Seite sie kommen. Wirtschaftswissenschaftler, darunter insbesondere amerikanische Nobelpreisträger, Europa- und Finanzpolitiker, nicht zuletzt deutsche Ex-Kanzler und Ex-Kommunisten, sollten das nicht unbeachtet lassen. Die Stammtische sind ihnen in dieser Hinsicht nicht selten weit voraus, indem sie schon länger eine aristotelische Grundfrage aufgreifen: diejenige der Gerechtigkeit.
Hendrik Mäkeler leitet das Münzkabinett der Universität Uppsala, Schweden.
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<p>Vielen Dank für die...
Vielen Dank für die zahlreichen Reaktionen auf den Beitrag! Der Zuspruch für die Aufnahme einer historischen Perspektive in diesem Blog ist sehr erfreulich. Die unterschiedlichen Anregungen sollen im folgenden aufgegriffen werden, soweit das den Rahmen eines Kommentars nicht völlig sprengt. Allgemein sei zuvor vermerkt, dass mit dem Beitrag Grundlagen zu einem Teilaspekt der Krisendiskussion in Erinnerung gebracht, aber keine allumfassende Lösung der Eurokrise präsentiert werden sollte und konnte. Der Text war auch nicht als breite allgemeine Einführung zu den Zusammenhängen im Bereich von Geldwesen und Geldtheorie gedacht. Derjenige, der eine niveauvolle, aber gut verständliche Darstellung sucht, sei auf eine Publikation der Bundesbank verwiesen (http://www.bundesbank.de/…/geld2_gesamt.pdf). Diese hat zudem den Vorzug, kostenfrei verfügbar zu sein (das Bestellformular ist unter http://www.bundesbank.de/…/bildung_schuelerbuch_bestellformular.php verfügbar). Dort finden sich ab S. 118 beispielsweise ausführlichere Angaben über Preisstabilität und Zentralbankunabhängigkeit; ab S. 142 wird die Geldpolitik des Eurosystems behandelt.
@Schmeconomics: Wenn Sie das Bestehen auf einem funktionierenden Währungssystem, dessen Grundvoraussetzung gemäß der aristotelischen Argumentation die Geldwertstabilität ist, als Prinzipienreiterei betrachten, dann müssen Sie den Beitrag wohl oder übel in diese Schublade stecken. Allerdings handelt es sich um ein Prinzip, ohne dessen Beachtung eine Währung schweren Schaden nimmt. Der Zusammenhang zwischen Gelddrucken, Staatsanleihenkauf und Inflation ist in diesem Blog zuvor von Patrick Bernau (faz-community.faz.net/…/die-grosse-geldschwemme-oder-wo-waechst-die-naechste-blase.aspx) und Gerald Braunberger (faz-community.faz.net/…/geld-kredit-inflation-und-spekulationsblasen-anmerkungen-zu-patrick-bernaus-juengstem-beitrag.aspx) ausführlich behandelt worden. Einen möglichen Lösungsansatz für die Krise, der hier nicht noch einmal entwickelt werden soll, finden Sie bei Ökonomenstimme (http://www.oekonomenstimme.org/…/quo-vadis-europa).
@aloa5: Mit den Zentralbankmitteln wird in der Tat Zeit gekauft. Die wesentlichen Fragen dabei sind wohl, a) ob auf diese Weise genug Zeit gekauft werden kann, b) inwiefern der Einsatz solcher Mittel eventuell die Anstrengungen zur Lösung der Krisenursachen entschleunigt, und c), inwieweit eine grundsätzlich funktionierende europäische Institution nachhaltig in ihrem Ansehen und in ihrer Funktionalität geschädigt wird.
@Vult: Der Unterschied zwischen Steuererhöhungen und Inflation ist, dass Steuererhöhungen von demokratisch gewählten Parlamenten beschlossen werden, während eine Inflation auf Beschluss einer Notenbank eingeleitet werden kann, ohne dass diese dazu durch die Wähler legitimiert wäre. Das könnte man insofern durchaus mit vormodernen Verhältnissen vergleichen. Jürgen Stark hat völlig zu Recht gesagt: „Die EZB darf nicht über ihr Mandat hinausgehen. Nur für die Sicherung von Preisstabilität besitzt sie demokratische Legitimation und wurde sie unabhängig von politischem Einfluss gestellt.“ (http://www.ecb.int/…/sp111108.de.html). Was Kind und Rad anbetrifft, so können Sie gerne andere Beispiele mit niedrigen Einkommen wählen. Das Problem, dass die Menschen den Wirkungen einer Inflation weitgehend schutzlos ausgeliefert sind, bleibt in diesem Einkommensbereich dasselbe. Eine Inflation, bei der man sich statt drei Eiskugeln nur noch zwei leisten kann, wird sich im übrigen wohl niemand wünschen – rechnen Sie das einmal auf andere Waren hoch…
@g.mayer: Eben, „Kredit“ leitet sich nicht umsonst vom lateinischen Begriff für „Vertrauen“ ab. Es sind allerdings viele gute Argumente dagegen angeführt worden, die EZB als Kreditgeber letzter Instanz (lender of last resort) für Staaten auftreten zu lassen (eine neuere kurze Zusammenschau findet sich beim österreichischen Wirtschaftsblatt: http://www.wirtschaftsblatt.at/…/index.do).
@janeausten: Die zentrale Aussage Oresmes in seiner Abhandlung über Geldwertveränderungen ist, dass der Geldwert stabil bleiben müsse. Somit müssen sowohl Inflation als auch Deflation verhindert werden. Das passt genau in die aristotelische Argumentation zur Austauschgerechtigkeit, die ebenfalls nicht gewahrt ist, wenn das Geld aufgewertet wird. Gewiss wäre das zu erwähnen gewesen, denn selbstredend geht es um Geldwertstabilität, nicht ausschließlich um die einseitige Verhinderung von Inflation. Die letztere Seite der Medaille ist allerdings diejenige, die im Zusammenhang mit dem Ankauf von Staatsschulden und dessen Auswirkungen auf die Inflation relevant ist, siehe dazu im übrigen oben bei @Schmeconomics. Natürlich besteht zwischen Inflation und Hyperinflation ein gewaltiger Unterschied. Die Problematik bleibt hinsichtlich der Austauschgerechtigkeit allerdings grundsätzlich dieselbe.
@St.Michael: Die Langzeitperspektive auf die allgemein als niedrig angesehene Inflationsrate in der Bundesrepublik verdeutlicht tatsächlich eindrucksvoll, welches Ausmaß eine vermeintlich nur leicht erhöhte Inflation längerfristig hätte.
"Ein Ausflug in die Geschichte...
“Ein Ausflug in die Geschichte lehrt: Der Wert des Geldes muss stabil bleiben.”
Und das behauptet gerade ein Deutscher.
Die Geschichte lehrt: Billionen-Inflation in Deutschland in den 1920er Jahren.
Reichsmarkguthaben-Verlust, zuerst die Kaufkraft, dann die Währung, in der Währungsreform von 1948.
Und die viel gelobte DM? Wieviel Kaufkraft verlor sie zwischen 1949 Und 2001?
Ich kenne die genaue Zahl nicht; aber 80% sind es sicherlich.
An dieser Stelle hätte ich -...
An dieser Stelle hätte ich – eben weil es sich vom Thema her aufdrängt – das vom bekannten Nonsenskomiker und charismatischen Finanzmarktkommunikator Helge Schneider entwickelte Gedankenexperiment zur BTMG-konformen Währungsstabilisierung, den sogenannten “Schneider’schen” Dämon vorgestellt. Obwohl Helges Lied vom “Katzenklo” und seine Frisur das Gegenteil vermuten lassen, handelt es sich um ein völlig seriöses Experiment, das durchaus dazu taugt, in Seminargruppen von Erstsemestern diskutiert zu werden.
Der Autor macht es sich viel...
Der Autor macht es sich viel zu einfach. Natürlich kann Inflation verheerende Auswirkungen haben – aber das gilt eben auch für Deflation, wie bereits angemerkt wurde. Der Autor müsste also ehrlicherweise zwischen beiden Szenarien abwägen und dann begründen, welches für ihn das kleinere Übel darstellt. So lange er das nicht tut, hängen seiner Argumente in der Luft.
Nehmen wir mal ein, die Vertrauenskrise in den Euro wird so massiv, dass Italien pleite geht. Dann ist als nächstes Spanien dran, vielleicht sogar Frankreich. Man muss sich nur mal überlegen, wie viele Renten- und Lebensversicherungen dann auf dem Spiel stehen. Ist Mäkeler bereit, für Prinzipienreiterei diesen Preis zu zahlen?
Außerdem wird behauptet, dass eine Monetarisierung der Staatsschulden automatisch zu einer Geldentwertung führt. Es gibt aber gute Gründe anzunehmen, dass das nicht der Fall sein wird, weil es gegenwärtig einfach zu viele Faktoren gibt, die dagegen sprechen. Auch hier macht der Autor es sich zu einfach.
Schließlich tut er so, als sei eine etwas höhere Inflation gleichzusetzen mit Hyperinflation (d.h. vollständiger Geldentwertung). Aber auch dies stimmt nicht. Wäre es wirklich so schlimm, wenn die Geldentwertung bei 4 statt bei 2 Prozent im Jahr läge?
Nach meiner Wahrnehmung haben...
Nach meiner Wahrnehmung haben wir eine Vertrauenskrise, und zwar ist viel Vertrauen in die Schuldentragfähigkeit einzelner Euro-Länder verloren gegangen. Dagegen hilft ein Anleihenkauf der Zentralbank nur sehr kurzfristig und mehr symbolisch, da die Zentralbank mit ihrem (noch) guten Ruf quasi Vertrauen zurück kauft. Auf mittlere Sicht kann es, denke ich, für den Wert des Euro gegenüber anderen Währungen nicht gutgehen, die Euroländer bzw. deren Banken mit Geld zu versorgen, das mit prekären Staatsanleihen “erkauft” wurde, denn dem Wert des Geldes muss letztlich ein realer Wert entsprechen, der das Vertrauen rechtfertigt.
Staaten können sich über Anleihen, Steuererhöhungen oder Ausgabenreduzierungen finanzieren. Auch die Bankenrettung 2008 hat gewaltige Löcher in die Staatsfinanzen gerissen, nicht etwa nur großzügige Sozialleistungen, wie manche glauben machen wollen. Und dass ausgerechnet Rettungskandidaten wie Irland und Italien mit die reichste Bevölkerung im Euroraum haben, gibt einem mit Blick auf angemessene Steuern schon sehr zu denken.
Bisher hat man flächendeckend hauptsächlich den bequemsten Weg gewählt und Anleihen gedruckt, da die Tragfähigkeitsgrenze weit weg bzw. für manche gar nicht existent schien. Die Krise führt hoffentlich endlich zu einer (bitte) unideologischen Diskussion darüber, welcher “Finanzierungsmix” in den Euro-Staaten angemessen ist. Dies ist vor allem eine politische Frage. Die Tea-Party-Freunde in Euroland mögen in dieser Diskussion bedenken, dass in der Krise auch private Akteure Zuflucht bei der öffentlichen Hand (Staaten, EZB) genommen haben. Wer sonst sollte die Rolle des lender of the last resort schlussendlich spielen?
Auch ich danke den Autoren des...
Auch ich danke den Autoren des Blogs und Herrn Mäkeler für diese historische Perspektive.
Allerdings ist die Situation ja nicht so, daß bei einem Aufkauf der Staatsanleihen durch die EZB automatisch der Euro entwertet würde, und da liegt der Unterschied zwischen der willkürlichen Entwertung des Geldes in der Antike, im Mittelalter und in der Neuzeit und der heutigen Situation.
Denn ganz pragmatisch gesehen wird das Vertrauen des Bürgers in die Demokratie und die Vertrauenswürdigkeit des Staates nicht dadurch gehoben, dass der Bürger zur Kasse gebeten wird, um kurz einmal ein paar Banken retten, die vorher prima Profite gemacht haben. Wie dieses Zur-Kasse-Bitten konkret aussieht, ist dabei einerlei : Steuerhöhungen, oder, was derzeit Mode zu sein scheint, Kürzungen im sozialen Bereich oder anderwo. Ich bin auch sicher, daß Sie selbst, Herr Mäkeler, erfreut sein würden, wenn einige Mitarbeiterstellen in dem Münzkabinett gestrichen werden, um der Bankenkrise Herr zu werden. Oder das Münzkabinett wird gleich ganz geschlossen. Solls ja geben…
Und schließlich, zum etwas tränenseligen Argument des Geldes, das sich das Kind verdient hat, und das nun entwertet wird. So schlimm wird es wie gesagt nicht kommen. Und wenn es mal statt drei Kugeln Eis nur zwei werden, weil die Inflation an dem Wert des Geldes genagt haben sollte (was wie gesagt nicht so wahrscheinlich ist), so ist dies weniger schlimm als die Deflation, die dem Kind nach Einbruch der Wirtschaft alle Zukunft raubte. Wie sehr die Demokratie an deflationären Maßnahmen gelitten hat, kann man in Deutschland am Beispiel der Brüning-Ära 1930-1932 sehen, wo eine drastische Sparpolitik einherging mit der beginnenden Aushebelung demokratischer Spielregeln.
"Sobald eine Zentralbank...
“Sobald eine Zentralbank einspringt, um Staatsschulden zu finanzieren, verwandelt sie eine Schuldenkrise in eine Währungskrise”
Das ist so nicht ganz richtig.
Die aktuellen Schulden sind dem “bösen Anteil” im Kapitalismus ge..schuldet. Wenn davor wie danach keine Bereitschaft besteht Steuern zu zahlen und/oder einen funktionierenden Wirtschafts- und Verteilungskreislauf zu etablieren kommt es erst zu innersystemischen Zusammenbrüchen und danach zu liquiditätsproblemen des Staates. Das nicht unbedingt weil er selbst primär Schulden gemacht hätte sondern weil er die systemisch erzeugten Schulden aufzufangen hat.
Man hat also die Wahl
A) mehr Steuern, anderes Verteilungssystem bzw. (in Summa) einen anderen Ordnungsrahmen (das ist Oresmes Weg)
oder
B) die Zentralbank finanziert Staatsschulden (macht die FED schon seit längerem) weil man aus ideologischen Gründen A) nicht möchte (das ist der aktuelle Weg)
Der von vielen erzliberalen geforderte Weg C) welcher lautet weder A) noch B) einzuschlagen führt ins nirgendwo bzw zurück zur Krisenursache. Man kann(!) sagen das man eine Schuldenfinanzierung über die Zentralbank nicht möchte.
Aktuell nehmen wir B) oder auch C). A) wäre der bessere, C) ist die schlechteste Wahl. Aber an der Position einer Zentralbank hat man die Option A) nicht. Diese kann nur die Politik einnehmen und das macht sie nicht.
Was oder wer hat dann also die Währungskrise verursacht? Wenn eine Zentralbank nichts macht (also die Alternative) bleibt die Währung stabil? Das erscheint objektiv gemessen falsch zu sein. Richtiger ist es wohl davon zu sprechen das die Politik eine Schulden- und Währungskrise verursacht hat welcher man mit Zentralbank-Mitteln noch etwas Zeit verschaffen kann. Zeit welches die Politik nutzen sollte um sich darüber im Klaren zu werden das nicht ein paar Banker für das Dilemma verantwortlich sind sondern sie selbst.
Grüße
ALOA
Auch wenn ich es im Sinne...
Auch wenn ich es im Sinne pluralistischer Meinungsäußerung schätze, dass sich hier mal ein Historiker zu Wort meldet, kann ich Ihre Argumentation nicht wirklich nachvollziehen.
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Geht es Ihnen nur ums Prinzip, wonach eine Notenbank niemals Staatsanleihen aufkaufen darf, weil….? Ja, warum eigentlich nicht? Inflation? Zuviel Geld im Markt und damit Gefahr von Blasenbildung? Darauf gehen Sie überhaupt nicht ein.
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Auch muss ich wiedersprechen, dass es sich bei der Euro-Krise eindeutig um eine Schuldenkrise handelt. Warum muss Spanien denn deutlich mehr für seine Anleihen zahlen als Deutschland, obwohl es deutlich weniger Schulden hat als wir? Es handelt sich vielmehr um eine Vertrauenskrise in den Euro als Währung! Es ist kein Vertrauen von Investorenseite mehr in den Euro da und es kommt zu irrationalen Ausbrüchen. Wir haben Glück, dass die Märkte Deutschland als Hort der Stabilität und des tollen Haushaltens sehen (obwohl das nicht stimmt). Deshalb zahlen wir real gesehen negative Zinsen auf neue Anleihen. Die Peripherieländer zahlen sehr hohe Zinsen (was zum Teil zu verstehen ist, zum Teil nicht). Es geht darum, wie sich diese Länder zu Beginn des nächsten Jahre refinanzieren wollen. Die Summen, die im Raum stehen (ca. 70 Mrd. Euro für Italien im Januar u. Februar), sind realistisch gesehen nicht am freien Markt einzusammeln, da es dafür keine Käufer gibt. Die Frage ist also: wie schafft man es, Italien etwas unter die Arme zu greifen, um zu verhindern, dass das Land pleite geht und es dennoch nicht unter Moral-Hazard-Gefahr davon kommt und für die Zukunft nichts lernt.
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In diesem Zusammenhang und in dieser prekären Situation ist es mMn durchaus erlaubt, einem großflächiges Aufkaufen von Staatsanleihen durch die EZB zuzustimmen. Es ist wichtiger, Länder nicht pleite zu gehen lassen als auf Prinzipien rumreiten zu lassen. (Die EZB kauft ja auch nicht alleine. EFSF und dann IWF kaufen ja auch noch…)
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Ich sehe die Alternative dazu einfach nicht. Wenn Sie sie sehen, höre ich gerne zu.