Amerikanische Ökonomen haben die Europäische Währungsunion von Beginn an mit großer Skepsis begleitet. In vielem haben sie Recht behalten. Ein Überblick.
Von Patrick Welter
In Kürze jährt sich zum zwanzigsten Mal die Unterzeichnung des Maastricht-Vertrags. Politisch wandelte der Vertrag die Europäische Gemeinschaft zur Europäischen Union. Ökonomisch wurde in Maastricht der Euro gezeugt, der sieben Jahre später aus der Taufe gehoben werden sollte. Die Schuldenkrise hat den Europäern die Freude an dem Jubiläum vergällt. Die Stadt Maastricht verwarf schon die Idee, die alternden Architekten der Währungsunion im Februar zu einem Festakt einzuladen. Passender wäre es für einen Rückblick ohnehin, die Kritiker des Euro hinzu zu bitten. Die Einladungsliste würden dann viele amerikanische Ökonomen schmücken.
Die se haben den Euro von Beginn an fast geschlossen mit großer Skepsis betrachtet. „Es kann nicht passieren, es ist eine schlechte Idee, es wird nicht halten.“ So beschrieb 2001 der inzwischen verstorbene Rüdiger Dornbusch die Meinungen in Amerika über die Währungsunion. Fast schon als Prophet muss auch der ebenfalls inzwischen verstorbene Milton Friedman gelten, der zur Euro-Einführung 1999 noch gewarnt hatte, die erste große globale Rezession werde die Euro-Union auseinanderreißen. Kern der Befürchtungen in den Vereinigten Staaten war immer, dass die europäischen Staaten wirtschaftlich zu unterschiedlich seien, um auf das Ventil anpassungsfähiger Wechselkurse und auf eigenständige Geldpolitiken zu verzichten. Die Europäer aber wussten es besser. Die Folgen sind in Griechenland oder Italien zu besichtigen, die im Produktivitätswachstum etwa Deutschland hinterherhinkten, in der Lohnentwicklung aber weit vorauseilten.
Nicht alle Befürchtungen der Amerikaner sind eingetreten. Die Warnung von Martin Feldstein von 1992, mit der Einheitswährung könne der Handel in der Währungsunion leiden, ist widerlegt. Der Binnenhandel im Euroraum hat überdurchschnittlich stark zugelegt. Auch die Sorge, die Währungsunion werde zur Inflationsunion verkommen, war verfehlt. Die Inflationsrate lag in den Euro-Jahren bislang bei soliden 2 Prozent. Das freilich ist keine singuläre Leistung der EZB; auch andere große Zentralbanken profitierten von einem günstigen wirtschaftspolitischen Umfeld.
Die schon 1992 geäußerte Sorge, die Mitglieder des EZB-Rats könnten zu sehr auf ihre Regierungen hören, ist indes nicht aus der Welt – gerade nach der Amtszeit des EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet. Realistischer als die europäischen Träumer waren die meisten amerikanischen Ökonomen in der Erwartung, der Euro werde dem Dollar die Rolle als Leitwährung der Welt nicht ablaufen. Nur wenige wie Robert Mundell oder Fred Bergsten sahen den Euro als Reserve- oder Handelswährung rasch mit dem Dollar gleichziehen oder ihn gar schnell überholen. Diese Erwartung ist mit der Euro-Krise auf Jahre dahin.
Wie Peter Kenen erkannten nur wenige Ökonomen in Amerika die Gefahr, dass mit der vergemeinschafteten Reputation des Euro die Versuchung der Regierungen groß sein werde, ihre Staatsschuld übermäßig auszudehnen. Dieses Fehlverhalten ist ein wichtiger Grund für die Euro-Krise. In krasser Verkennung dieses Risikos kritisierten viele amerikanische Ökonomen sogar die – gescheiterten – Bemühungen, mit den Eintrittskriterien in die Währungsunion und mit dem Stabilitätspakt die Finanzpolitik zu disziplinieren. Angeblich enge der Stabilitätspakt die Konjunkturpolitik ein.
In der politökonomischen Analyse des Euro am weitesten vor wagte sich Martin Feldstein. Schon 1992 stellte er die Frage, ob die politischen Vorteile der Einheitswährung, die Berufseuropäer in einer Fiskalunion und einer politischen Integration sehen, die wirtschaftlichen Nachteile aufwögen. Feldstein warnte ferner, dass das Friedensprojekt Euro Unfrieden zwischen den Völkern Europas stiften werde. Damit behielt er recht. Die Griechen empfinden den Druck, den Gürtel enger zu schnallen, als Diktat der Germanen. Deutsche Steuerzahler schimpfen über die „faulen Griechen“ und wollen nicht mehr zahlen. Feldstein fürchtete auch die – sich nun abzeichnende – Spaltung der EU in föderal eng verbundene Euro-Staaten und Außenseiter. „Die Folgen könnten für Frieden und Stabilität in Europa unvorteilhaft sein“, schrieb er 1992.
Zwanzig Jahre später analysiert der Ökonom jetzt unter dem polemischen Untertitel „Die kleine Währung, die nicht konnte“ das politökonomische Trauerspiel in Europa. Deutschland sei nun zwar bereit, die Griechen und andere zu subventionieren, damit ein Ausstieg Griechenlands die Währungsunion nicht sprenge. Die Versuchung für das insolvente Griechenland, den Euro aufzugeben, sei aber groß. Eine abwertende neue Drachme könne die schmerzhafte Anpassung über sinkende Preise und Löhne lindern.
Als größtes praktisches Problem sieht Feldstein dabei die Euro-Schulden griechischer Unternehmen und Individuen bei ausländischen Banken. Diese Schulden unterliegen nicht griechischem Recht und können nicht per Dekret in Drachmen umgewandelt werden. Die Erfahrung von Argentinien, das 2002 seine Dollar-Anbindung aufgab, lehre indes, dass die heimischen Schuldner wohl nur einen Bruchteil ihrer Schulden zahlen müssten.
Feldsteins Prognose lautet: „Die Eurozone wird wahrscheinlich mit fast allen ihren derzeitigen Mitgliedern weitermachen.“ Spanien oder Italien könnten die Insolvenz noch vermeiden, in dem sie ihr Budget und ihre Handelsbilanzdefizite adjustierten. Falls durchgesetzt, könnten die neuen Regeln für einen ausgeglichenen Staatshaushalt die nationalen Schulden auf ein nachhaltiges Niveau zurückführen. Feldstein fordert ferner „neue Politiken“, um Leistungsbilanzdefizite der Euro-Staaten zu vermeiden. Die Einfuhr sei zu begrenzen, damit sie allein mit den Exporteinnahmen und ausländischen Direktinvestitionen finanziert werden könne. Wie das geschehen soll, lässt er offen. Den Vorteil solch einer Politik aber erkennt der Ökonom darin, dass der Euro überleben könnte – auch ohne fiskalische Umverteilung in Europa und die dadurch ausgelösten politischen Spannungen.
Ein guter Überblick von Lars Jonung und Eoin Drea über die Genese der amerikanischen Euro-Debatte findet sich hier.
Der Beitrag erschien als Sonntagsökonom in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 1. Januar.
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