Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Sind Frauen die besseren Menschen?

Frauen spenden mehr Geld als Männer. Weil sie selten Nein sagen. Der Sonntagsökonom von Patrick Bernau

Frauen spenden mehr Geld als Männer. Weil sie selten Nein sagen.

Von Patrick Bernau

Wenn es darum geht, wer den Armen mehr Geld gibt – dann sind die Frauen vorne. Das zeigt sich im theoretischen Laborexperiment ebenso wie in den praktischen Spenden an Hilfsorganisationen: Wenn Frauen um Geld gebeten werden, geben sie mehr als Männer.

Illustration: Alfons HoltgreveDas bedeutet aber noch lange nicht, dass Frauen wirklich die besseren Menschen sind. Natürlich kann es sein, dass Frauen altruistischer sind und aus tiefempfundenem Mitleid einen Teil ihres Reichtums den Schwächeren abgeben. Aber das muss ja nicht der Grund sein, dachte ein Team von Ökonomen in den Vereinigten Staaten, zu dem die deutsche Berkeley-Professorin Ulrike Malmendier und der Feldexperiment-Spezialist John List von der Universität Chicago gehören. Dieses Forscherteam kennt auch noch andere Gründe, aus denen Frauen mehr spenden könnten. Einer lautet: Vielleicht fällt es ihnen nur schwerer als den Männern, Bitten abzulehnen.

Die Frauen sind – zumindest in diesem Punkt – also noch ein großes Rätsel. Dabei versucht gerade die halbe Ökonomen-Welt, die Frauen zu verstehen. Sie wollen etwa herausfinden, warum Frauen immer noch weniger verdienen als Männer und seltener Chef werden. John List zum Beispiel hat schon mal einen viel beachteten Nachweis geliefert: Er schrieb unterschiedliche Typen von Stellen per Kleinanzeige aus. Dann zählte er die Bewerbungen aus. Und stellte fest: Wenn eine Arbeit deutlich erkennbar in Konkurrenz zu anderen Leuten geschehen muss, dann interessieren sich Frauen nicht so sehr dafür. Frauen bewarben sich lieber auf die Stellen, auf denen die Konkurrenz nicht so ausgeprägt ist. Frauen scheuen also den Wettbewerb, wie John List bewiesen hat. Jetzt fragt er zusammen mit seinen Koautoren: Können Frauen nicht nein sagen?

Wie man diese Frage beantworten kann, dazu hatten die vier Forscher eine gute Idee. Sie schickten Spendensammler durch verschiedene Wohnviertel in Chicago, die tatsächlich Geld für eine Kinderklinik in der Stadt sammelten. Ein Teil der Spendensammler klingelte unangekündigt an den Haustüren. Ein anderer Teil der Sammler meldete sich vorher an: Am Tag zuvor hängten sie einen Zettel an den Türknopf, auf dem sie eine ungefähre Zeit für ihren Besuch angaben – ähnlich wie der Schornsteinfeger.

Auch die Ankündigungszettel selbst unterschieden sich: Auf manchen konnten die Anwohner per Kreuz markieren, dass sie nichts spenden wollen, auf anderen gab es diese Möglichkeit nicht. So konnten die Forscher ziemlich gut die unterschiedlichen Motive der Spender auseinanderhalten.

Wenn die Frauen tatsächlich aus purem Altruismus so viel spenden, dann müsste der Ankündigungszettel die Spenden von Frauen noch mal in die Höhe treiben. Schließlich teilt dann die eine oder andere Frau dann ihre Zeit so ein, dass der Spendensammler sie auch tatsächlich antrifft.

Wenn die Frauen aber nur das Neinsagen vermeiden wollen, dann geht es umgekehrt: Dann muss der Ankündigungszettel die Spendensumme senken. Schließlich würde dann die eine oder andere Frau ihren Tag gerade so planen, dass sie während der Sammelaktion nicht im Haus ist.

Damit sich die vier Forscher ihrer Erkenntnis sicherer sein konnten, wiederholten sie ihr Experiment. Dabei baten sie die Chicagoer aber nicht mehr um eine Geldspende, sondern um die Teilnahme an einer Umfrage für die Universität. Manchmal kündigte die Universität sogar an, für die Teilnahme ein paar Dollar zu bezahlen.

Und was war das Ergebnis? Tatsächlich änderte sich gar nichts. Die Leute waren ebenso oft daheim wie diejenigen, die keinen Zettel bekommen hatten. Das galt für Männer und Frauen gleichermaßen. Die Forscher folgern daraus, dass Altruismus und Angst vorm Neinsagen einander im Ergebnis ausgeglichen haben.

Egal war den Leuten der Zettel an ihrem Türknauf nämlich nicht. Das zeigt das Wiederholungsexperiment: Wenn es um eine Umfrage ging, selbst um eine unbezahlte, öffneten nach einer Ankündigung sehr viel mehr Menschen die Tür als ohne die Anmeldung. Offenbar nehmen die meisten Chicagoer lieber an Umfragen der Universität als an Spendenaktionen teil.

Doch auch das Spendenexperiment selbst hat bewiesen, dass die Ankündigung den Leuten nicht egal war. Das zeigt der Zettel, auf dem man sich per Kreuz vom Spenden abmelden konnte. Sobald es den Frauen nämlich leichtgemacht wurde, ihr Geld zu behalten, taten sie das auch sehr gerne. Und viele kreuzten ihren Ausstieg aus der Spendenaktion an – deutlich mehr Frauen als Männer. Diese Tendenz bestätigte das Umfrage-Experiment.

Die Folgerung ist dann leicht zu ziehen: Anderen zu helfen ist den Frauen offenbar kaum ein größeres Herzensanliegen als den Männern. Aber eine Bitte um Hilfe scheint sie einfach weniger zu beschäftigen. Nur wenn sie die Hilfe mit kleinem Aufwand verweigern können, tun sie es. Aber wenn sie die Hilfe nur mit größerem Aufwand verweigern können, dann drücken sie sich nicht davor. Um ständig nein zu sagen, ist ihnen das alles nämlich zu unwichtig.

Stefano DellaVigna, John List, Ulrike Malmendier, Gautam Rao: Why Do Women (Not) Say No? Präsentation für das Jahrestreffen der American Economic Association, 5.-8. Januar 2012.

Der Beitrag ist der Sonntagsökonom der F.A.S. vom 8.1.2012.

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