Fazit – das Wirtschaftsblog

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Das notorische Versagen der Fed

Die amerikanische Notenbank Federal Reserve wird im kommenden Jahr 100 Jahre alt. Die geldpolitische Bilanz ist nicht so toll. Der Sonntagsökonom von Patrick Welter.

Die amerikanische Notenbank Federal Reserve wird im kommenden Jahr 100 Jahre alt. Die geldpolitische Bilanz ist nicht so toll. 

Von Patrick Welter

“Keine wichtige Institution in den Vereinigten Staaten hat so einen schlechten Leistungsnachweis über eine so lange Zeit, aber zugleich eine so gute Reputation.” Das Urteil, das der verstorbene Nobelpreisträger Milton Friedman einst über die amerikanische Notenbank Federal Reserve fällte, lässt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig. Aber ist dieses Urteil gerechtfertigt? Aktuell ist der Ruf der Federal Reserve wohl so schlecht wie noch nie in ihrer Geschichte. Der Zorn über die Milliarden Dollar, mit denen die Fed während der Finanzkrise Großbanken und Versicherer herauspaukte, ist in den Vereinigten Staaten noch lange nicht verraucht. Die Notenbank wird scharf kritisiert, dass sie als Aufseher vor dem Ausbruch der Krise nicht genau in die Bücher der Finanzhäuser geschaut habe. Und die Ängste, dass der Vorsitzende Ben Bernanke mit der jahrelangen Nullzinspolitik und dem Ankauf von Staatsanleihen einen großen Inflationsschub heraufbeschwört, sind allgegenwärtig.

In Vorbereitung Illustration: Alfons Holtgreveauf das 100. Jubiläum der Fed im kommenden Jahr haben drei Ökonomen genauer hingeschaut. George Selgin, William Lastrapes und Lawrence White lassen in ihrer Studie über die Leistung der Federal Reserve die Zahlen sprechen. Die drei Ökonomen sind bekannte Anhänger des “Free Bankings”, einer Geldordnung, in der nicht Zentralbanken und Finanzaufseher für stabile Preise und eine möglichst stabile Finanzordnung sorgen sollen, sondern privatwirtschaftlich bereitgestelltes Geld und die Kraft des Wettbewerbs. In der Ökonomik ist das eine extreme Außenseiterposition. Darunter leidet die Qualität der Analyse der drei Ökonomen nicht, sie bieten ein ausgewogenes Urteil. Gemessen an der Inflationsentwicklung ist die Bilanz der Fed, die mit der Geldversorgung in den Vereinigten Staaten 1913 zum Monopol erhoben wurde, verheerend. Der Wert des Dollars ist in den Fed-Jahrzehnten dramatisch gesunken, nachdem er zwischen 1790 und 1913 nahezu wertstabil geblieben war. Ein Warenkorb mit typischen Produkten eines privaten Haushalts, der 1790 rund 100 Dollar kostete, war 1913 für 108 Dollar zu haben. Am Beginn der Finanzkrise 2008 kostete das gleiche Warenbündel 2422 Dollar. Kein Zufall ist nach Ansicht der Autoren, dass die größte Entwertung des Geldes einsetzte, als die Vereinigten Staaten 1971 die Bindung des Dollars an das Gold aufgaben.

Neben einer niedrigen Inflation ist als Vorbedingung für ein erfolgreiches Wirtschaften von Haushalten und Unternehmen gleichermaßen wichtig, dass das Preisniveau möglichst wenig schwankt. Solche Stabilität erleichtert es den Menschen, langfristige Verträge einzugehen. Sie fördert das Sparen und den Aufbau eines Kapitalstocks, der größeres Wachstum und Wohlstand ermöglicht.

Die Leistung der Federal Reserve ist in dieser Hinsicht durchwachsen. In der Zeit zwischen den Weltkriegen schwankte die Inflationsrate weit mehr als in den Jahrzehnten vor der Gründung der Fed. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber lagen die Schwankungen der Inflationsrate niedriger. Mit der Verfestigung der Inflation wurde es indes immer schwieriger, das künftige Preisniveau auf längere Sicht zu prognostizieren. Die größere Unsicherheit zeigt sich unter anderem darin, dass Unternehmen weit weniger willens sind als früher, Anleihen mit einer Laufzeit von 100 Jahren aufzunehmen.

Trotz der insgesamt schlechten Inflationsbilanz der Fed richteten sich seit den achtziger Jahren die Hoffnungen darauf, dass Zentralbanken wie die Fed aus den inflationären Übertreibungen der siebziger Jahre gelernt hätten. Ökonomen und Notenbanker zeichneten das Bild einer “großen Moderation”, gemäß dem nicht nur die Vereinigten Staaten in nahezu goldenen Zeiten niedriger Inflation und robusten Wachstums lebten. Zweifel an der Lernfähigkeit der Fed aber sind angebracht. Ohne Frage hatten die Vorsitzenden Paul Volcker und Alan Greenspan seit den achtziger Jahren die Inflation in Amerika mit harter Hand eingedämmt. Viele Ökonomen begründeten die besseren wirtschaftlichen Ergebnisse – vor der Krise – jedoch mit strukturellen Veränderungen wie weniger Angebotsschocks, mehr Finanzinnovationen oder dem Trend hin zu Dienstleistungen. Die damit sinkende strukturelle Arbeitslosigkeit führte die Fed weniger in Versuchung, mit einer überraschend höheren Inflation zu versuchen, mehr Beschäftigung zu generieren. Ein Indiz, dass die Fed gelernt hat, ist die große Moderation in dieser Interpretation nicht. Seit 2007 hat die Finanz- und Wirtschaftskrise die Hoffnung auf goldene Zeiten ohnedies dahinfliegen lassen wie Blätter im Wind.

Während die Fed im historischen Vergleich darin versagte, Inflation zu verhindern, wird sie üblicherweise dafür gepriesen, die Deflation, den Fall des Preisniveaus, fast ausgerottet zu haben. Das Ökonomentrio stellt auch diese Wertung in Frage. Richtig ist, dass in den Jahrzehnten vor der Gründung der Fed die Wirtschaft oft von Deflationsschüben heimgesucht wurde. Meistens handelte es sich dabei um eine ungefährliche Deflation, die mit Wachstum einherging. Der Abwärtstrend des Preisniveaus von 1873 bis 1896 etwa gründete in einem Produktivitätsschub, in dem “mehr Güter das Geld jagten”, ohne die Wirtschaft in den Abgrund zu stürzen. Gelegentliche Finanzpaniken führten indes zu kurzen “hässlichen” Deflationsepisoden.

Die Fed hat diese zwar weitgehend eliminiert. Sie ist andererseits aber mitverantwortlich für einige der schlimmsten Deflationen in der amerikanischen Geschichte. Die Große Depression von 1929 bis 1934 war deshalb so dramatisch, weil die Fed die Geldversorgung zu knapp hielt. Und die Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2007 ist auch Folge davon, dass die Fed die Geldversorgung zuvor zu lange zu locker hielt. In beiden Episoden habe die Federal Reserve zugleich in ihrer Rolle als “Lender of last resort”, als Liquiditätsgeber der letzten Instanz, versagt, werten die Autoren. Sie habe insolvente Institute am Leben erhalten, anstatt sich auf reine Liquiditätsgaben zur Stabilisierung des Finanzsystems zu beschränken. Selgin, Lastrapes und White halten das für den wohl größten Fehler in der Geschichte der Fed. Die Fehlanreize für Finanzinstitute, dass sie auch in künftigen Krisen herausgepaukt werden, sind offensichtlich.

George Selgin, William Lastrapes, Lawrence White: Has the Fed Been a Failure? Working Paper, Cato-Institut, Dezember 2010.

Der Beitrag erschien als Sonntagsökonom in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 12. Februar 2012.

 

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