Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Die Bundesbank, die Zombie-Bank und das negative Eigenkapital

Wegen der Euro-Risiken sinkt der Bundesbankgewinn. Die Retterungsorgie gibt es nicht kostenlos. Von Philip Plickert

Wegen der Euro-Risiken sinkt der Bundesbankgewinn. Die Retterungsorgie gibt es nicht kostenlos.

Von Philip Plickert

Wenn Wolfgang Schäuble heute auf sein Konto schaut, sieht er eine magere Überweisung der Bundesbank: Nur noch 643 Millionen Euro (nach 2,2 Milliarden Euro im Vorjahr) haben ihm die Frankfurter Währungshüter heute Vormittag überwiesen. Er hatte mit mehr als 2 Milliarden Euro gerechnet. Grund für den Rückgang des Jahresüberschusses 2011 ist, dass die Bundesbank ihre Risikovorsorge erhöht – sie hatte sich darauf eingestellt, dass angesichts der extrem ausgeweiteten Versorgung der Banken mit Zentralbankgeld die Gefahr von Ausfällen wächst.

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann (Foto: dpa) Jens Weidmann - Foto: dpa hat auf der heutigen Bilanzpressekonferenz gefühlt fünfzigmal das Wort “Risiko” in den Mund genommen. Die Wagnisrückstellung für potentielle Verluste ist klug und ein wichtiges Signal: Die Euro-Retterei gibt es nicht kostenlos.

Geht eine Bank pleite, dann bleiben die Notenbanken auf den Sicherheiten sitzen, die diese hinterlegt hat. In der Finanzkrise hat die rettungseifrige EZB die Anforderungen für Sicherheiten immer weiter heruntergeschraubt. Die Bundesbank ist darüber so besorgt, dass Weidmann vor zwei Wochen einen vertraulichen Brief an EZB-Chef Mario Draghi schrieb. Durch Recherchen meines Kollegen Stefan Ruhkamp kam der Inhalt des Briefs an die Öffentlichkeit.

Prompt machte der „Spiegel” eine Geschichte über das angeblich gestörte Verhältnis zwischen Weidmann und Draghi. Seitdem müssen die beiden bei jeder sich bietenden Gelegentlich öffentlich beteuern, wie sehr sie doch ein Herz und eine Seele sind – nur eben die Risikowahrnehmung unterscheidet sie doch etwas. Der Italiener mit der „Dicken Bertha” findet, er habe es sei Dezember „exzellent” gemacht. Der Deutsche mischt eher kritische Töne dazu. Die Dreijahresgeldleihen für rund eine Billion Euro haben zwar dafür gesorgt, dass die Banken ein dickes Liquiditätspolster haben und das Misstrauen untereinander abgeklungen ist; doch gibt es auch „Risiken und Nebenwirkungen”.

Dass die EZB mit ihrer Geldflut nicht nur das Finanzsystem rette, sondern auch nicht lebensfähige Strukturen erhalte, beschäftigt die hartleibigen Bundesbanker immer mehr. Vize-Chefin Sabine Lautenschläger warnte jetzt vor Zombie-Banken, die nur mittels billigem Zentralbankgeld am Leben erhalten werden. Auf der heutigen Bilanzpressekonferenz vermied Weidmann solche drastischen Ausdrücke. Er ließ aber seine Sorgen deutlich durchschimmern, dass Banken ohne tragfähiges Geschäftsmodell auf Dauer vom EZB-Geld abhängig werden. Bankenverband-Chef Andreas Schmitz wirft der EZB eine Gleichmacherei vor, weil sie die schlechten Banken belohnt und damit die Banken die dummen sind, die ihre Passivseite gut geführt haben.

Risiken gibt es auch aus dem Target-2-System: Das ist das Kanalsystem der Währungsunion, über das die Notenbanken den Zahlungsverkehr abwickeln und das zuletzt in die Diskussion geraten ist. Auch hierzu vermied Weidmann scharfe Töne, wies aber abermals auf die Gefahren hin, die damit verbunden sind.

In einem Gastbeitrag für die F.A.Z. hat Weidmann heute seine grundsätzliche Sicht auf Target erklärt. Auf der Bilanzpressekonferenz lobte er Hans-Werner Sinn, der mit seiner hartnäckigen Kritik ein “wichtiges Thema” aufgebracht und auf Risiken in den Notenbankbilanzen hingewiesen habe. Aber letztlich führe der starre Blick auf Target (immerhin hat die Bundesbank schon Forderungen von 547 Milliarden Euro angehäuft) in die Irre, betonte Weidmann: Die Salden allein stellten noch kein eigenständiges Risiko für die Bundesbank dar. „Die Salden sind vielmehr ein Symptom der Finanzkrise.”

Entscheidend ist für ihn die Werthaltigkeit der Sicherheiten, die diese Banken geben, wenn sie sich Geld bei den Notenbanken leihen. Die Ausfallrisiken haben zugenommen, das sagen alle Fachleute. Allerdings wären von möglichen Verlusten alle Notenbanken des Eurosystems – unabhängig von ihrem jeweiligen Target-Saldo – anteilig betroffen, betonte Weidmann. Er gehe zwar nicht von Verlusten aus, doch müsse man Vorsorge treffen.

Verluste für die Bundesbank würden auch nur dann auftreten, wenn ein Land mit hohen Target-Verbindlichkeiten ausscheidet (wie Griechenland mit mehr als 100 Millarden Euro) und die Sicherheiten sich als Illusion herausstellen. Die anfallenden Verluste würde Deutschland anteilig übernehmen, gemäß seiner EZB-Kapitalquote müsste es etwas mehr als 27 Prozent tragen. So sehr sich Weidmann auch gegen ein solches Szenario innerlich wehrt, es ist nicht ausgeschlossen. Etwas unbedacht war da seine Antwort auf die Frage, ob die Notenbanken solche Verluste verkraften könnten. Da rutschte ihm raus, dass es ja sogar Notenbanken gebe, die mit „negativem Eigenkapital” arbeiteten.

Negatives Eigenkapital? Ein Unternehmen würde man dann schlicht pleite nennen – es müsste weg vom Markt. Aber, ja doch, Notenbanken sind anders. Zur Not schaffen sie sich das Geld selbst, das sie brauchen. Nur Herr Schäuble und die Steuerzahler werden dann auf Jahre auf Magerkost gesetzt.

 

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