Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Neid ist was für alte Leute

Ältere Arbeitnehmer leiden, wenn der Kollege mehr verdient - für Jüngere ist es Ansporn. Der Sonntagsökonom von Patrick Bernau

Ältere Arbeitnehmer leiden, wenn der Kollege mehr verdient – für Jüngere ist es Ansporn.

Von Patrick Bernau

Was bringt ein hohes Einkommen? Einst schien die Sache klar: Glücklicher macht es nicht – so dachte man. Wer mehr Geld verdient als vorher, wird deshalb nicht automatisch zufriedener mit seinem Einkommen und hat noch lange keine bessere Laune. Sicher schien auch: Wer weniger verdient als seine Kollegen, der ist auf jeden Fall ziemlich sauer.

Illustration: Alfons HoltgreveDoch inzwischen wird immer deutlicher, dass die Gefühle der Menschen so einfach nicht sind. Schon seit einigen Jahren finden Forscher mehr und mehr Hinweise darauf, dass ein hohes Einkommen vielleicht doch glücklicher macht als gedacht – es scheint seine Empfänger zumindest zufriedener zu machen. Und jetzt wackelt auch die Vorstellung über ein anderes, sicher geglaubtes Gefühl: den Neid.

Werden Menschen wirklich sauer, wenn ihr Kollege mehr verdient? Vergangene Woche hat ein Team britischer und deutscher Ökonomen diesen Satz in Zweifel gezogen. Auf der Jahreskonferenz britischer Ökonomen präsentierten sie eine Studie, die sagt: Zumindest für junge Leute gilt das so nicht.

Eine vierköpfige Forschergruppe um Felix Fitzroy von der Universität St. Andrews und Max Steinhardt vom Hamburgischen Weltwirtschafts-Institut schaute sich an, wie zufrieden die Menschen mit ihrem Leben sind – abhängig davon, was sie selbst verdienen und was andere Menschen in ähnlichen Lebensumständen bekommen.

Diese Frage untersuchten sie für Deutschland und Großbritannien. In Großbritannien diente dafür der “British Household Panel Survey”, in den jährlich die Antworten von rund 10 000 Menschen eingehen. In Deutschland nahmen die Forscher ihre Daten aus dem Sozioökonomischen Panel, für das jedes Jahr rund 20 000 Menschen befragt werden. Als Vergleichseinkommen diente für jeden Einzelnen das durchschnittliche Einkommen seiner Landsleute, die ähnlich alt sind, über ähnliche Bildung verfügen und das gleiche Geschlecht haben.

Solange die Forscher schlicht alle Menschen in einen großen Topf warfen, war das Ergebnis deutlich und altbekannt: Je mehr die Menschen selbst verdienten, desto zufriedener waren sie mit ihrem Leben – und je mehr die anderen Leute aus der Vergleichsgruppe bekamen, desto geringer wurde die Zufriedenheit.

Das änderte sich aber, als die Ökonomen zwei Altersgruppen einführten: eine für die Menschen unter 45 Jahren, eine für alle älteren. Als diese Unterscheidung erst mal gemacht war, kehrte sich der Zusammenhang für die Jüngeren um: Wie viel sie selbst aktuell verdienten, verlor für ihre Zufriedenheit an Bedeutung. Dafür wurden die jungen Leute umso zufriedener, je mehr ihre ähnlich gebildeten Altersgenossen verdienten. Nur bei den Leuten über 45 Jahren blieb der Neid ein wichtiger Faktor für die Lebenszufriedenheit – und zwar jetzt mit umso größerer Bedeutung.

Ähnliche Ergebnisse fanden die Forscher in Westdeutschland, in Ostdeutschland und in Großbritannien. Der Alterseffekt war in allen Regionen zu sehen, wenn er auch nur in Westdeutschland statistisch signifikant war.

Für dieses erstaunliche Ergebnis liefern die Forscher auch gleich eine Erklärung mit. Sie verpacken sie in abschreckende Formeln, die Quintessenz aber ist schnell erzählt: Wenn andere mehr verdienen, sehen die Alten, was für Chancen sie in ihrem Leben verpasst haben. Die Jungen sehen vor allem die Chance, die noch vor ihnen liegt – und hoffen, ein solches Einkommen später selbst zu erreichen.

Schon frühere Befragungen hatten gezeigt, dass Menschen in der Mitte ihres Lebens – mit ungefähr 47 Jahren – am unglücklichsten sind. Wenn junge Leute langsam älter werden, merken sie womöglich immer deutlicher, was sie alles nicht geschafft haben. Ungefähr im Alter von 50 Jahren lernen sie, damit klarzukommen.

Neid und Unzufriedenheit sind offenbar immer eine zweischneidige Sache. Einerseits ist es für niemanden schön, sich weniger leisten zu können. Andererseits ist es ein großartiger Ansporn zu sehen, was man noch erreichen kann.

Das zeigt auch – unfreiwillig – eine aktuelle Studie amerikanischer Psychologen von der Northwestern University. Sie wollten eigentlich untersuchen, was der Materialismus mit Menschen anstellt. Dazu teilten sie ihre Versuchsteilnehmer in zwei Gruppen: die Materialisten und die anderen. Zum Beispiel bekamen die Materialisten Fotos von Luxus-Objekten gezeigt, die anderen neutrale Fotos. In anderen Versuchsdurchläufen wurden die Materialisten als “Verbraucher” angesprochen, die anderen als “Bürger” oder “Individuum”. Hinterher zeigten die Materialisten deutlich häufiger einen sogenannten “depressiven Affekt”. Sie waren unzufriedener mit sich selbst und häufiger nervös – doch sie waren auch eher bereit, sich mit anderen zu messen und mit ihnen um bessere Ergebnisse zu ringen, um am Ende die anderen zu übertreffen.

In dieser Studie wird untermauert, dass Unzufriedenheit und Ansporn oft zwei Seiten derselben Medaille sind. Großes Glück geht oft einher mit großem Stillstand. Besonders praktisch ist es natürlich, wenn der Ansporn mit viel Zufriedenheit verbunden ist – so wie bei den jungen Leuten.

Der Beitrag ist der Sonntagsökonom aus der F.A.S. vom 1. April 2012. Die Illustration stammt von Alfons Holtgreve.

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