Bleihaltige Wirtschaftskriminalität lohnt sich auch nicht mehr. Das zeigt der Niedergang des berühmtesten und berüchtigsten französischen Gangstersyndikats.
Von Gerald Braunberger
“La Brise de Mer” – die Meeresbrise – ist der Name des berühmtesten und berüchtigsten französischen Gangstersyndikats des vergangenen Vierteljahrhunderts. Die “Brise de Mer” war bekannt für äußerst spektakuläre Überfälle, die ihresgleichen suchten, für ein bislang unbekanntes Maß an interner Disziplin während vieler Jahre und für eine unerhört hohe Anhäufung von Vermögen. Sie galt als unzerstörbar von außen – weder die Justiz noch konkurrierende Gangstersyndikate konnten sie ernsthaft gefährden.
Gegen die Justiz wandte sich die “Brise de Mer” mit Tricks und gegen andere Gangster mit der hemmungslosen Verwendung von Blei aus Feuerwaffen. Doch ausgerechnet auf der Höhe ihres Ruhms, als sie keine Konkurrenz fürchten musste und ihre Vormänner gelassen einen Ruhestand im Reichtum hätten genießen können, aktivierten führende Mitglieder, völlig unbedrängt, einen blutigen Selbstzerstörungsmechanismus. Dies ist die unglaublich anmutende Geschichte der “Brise de Mer” – ein wahrer Kriminalroman für Liebhaber und eine Lektion in Institutionenökonomik für wirtschaftlich Interessierte.
Die Geschichte der “Brise de Mer” beginnt in den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts in einer kleinen Bar in Bastia, der größten Stadt im Norden der Insel Korsika. In dieser Bar trifft sich regelmäßig eine Gruppe junger Männer, die überwiegend alteingesessenen korsischen Familien angehören, es aber mit Recht und Gesetz nicht unbedingt sehr ern