Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Soll eine Zentralbank Zinsobergrenzen für Anleihen nennen? Die Fed sagt nein.

Die EZB debattiert, ob und, wenn ja, wie sie Zinsobergrenzen für Staatsanleihen aus Ländern wie Italien und Spanien definieren und garantieren soll. Die Fed hat solche Obergrenzen schon vor fast zehn Jahren debattiert - und verworfen. Von Gerald Braunberger

Die EZB debattiert, ob und, wenn ja, wie sie Zinsobergrenzen für Staatsanleihen aus Ländern wie Italien und Spanien definieren und garantieren soll. Die Fed hat solche Obergrenzen schon vor fast zehn Jahren debattiert – und verworfen.

Von Gerald Braunberger

 

Auf dem diesjährigen Summer Institute des amerikanischen National Bureau of Economic Research (NBER) hat der Ökonom Laurence Ball ein sehr interessantes Paper vorgestellt, in dem er sich mit der Wandlung von geldpolitischen Auffassungen Ben Bernankes befasst. Bernanke ist ein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Geldpolitik an der sogenannten “Nullzinsgrenze”, also einer Situation, wenn der Leitzins nahe Null ist, aber eine weitere geldpolitische Stimulierung gleichwohl sinnvoll erscheint. Ball weist darauf hin, dass Bernanke zu seiner Zeit als Princeton-Professor vier Positionen (damals vor allem mit Blick auf die Situation in Japan) vertreten hat, die er als aktiver Geldpolitiker nunmehr offenbar nicht mehr vertritt:

– Ein Land in einer solchen Situation solle für eine Abwertung seiner Währung eintreten

– Die Zentralbank solle Obergrenzen für die Rendite von Staatsanleihen nennen und diese Obergrenzen verteidigen, wenn notwendig

– Die Zentralbank solle Steuersenkungen durch den Ankauf von Staatsanleihen finanzieren – also eine Form monetärer Finanzierung von Staatsschulden

– Die Zentralbank solle höhere Inflationsziele ankündigen.

Ball bemerkt, dass Bernanke diese Positionen schon im Jahre 2003, also nach seinem Eintritt als Mitglied des Offenmarktausschusses der Fed, aufgegeben habe. Er beschäftigt sich dann mit der Frage, wie diese Positionsänderungen erklärbar seien und gelangt zu dem Schluss, dass unter anderem gruppendynamische Prozesse in der Fed-Führung eine Rolle gepielt haben könnten. In der deutschen geldpolitischen Literatur hat man das früher als “Thomas-Beckett-Effekt” bezeichnet: Auch Personen, die vielleicht stillschweigend mit Inflation liebäugeln, werden nach ihrem Eintritt in die Führung einer Zentralbank “Inflationsfalken”.

Was nun Zinsobergrenzen für Staatsanleihen angeht, zitiert Ball aus einem Protokoll einer Sitzung der Fed-Führung aus dem Jahr 2003:

“Many Committee members discuss ceilings on long-term interest rates, and they all oppose the idea. For example, Chairman Greenspan notes that the Fed targeted long-term rates before 1951, but then says: My own judgment is that, if we actually tried to target interest rates anywhere along the curve, we would be courting remarkable uncertainties. It was perhaps possible to do it back in the 1930s or 40s or even in the 50s when financial markets and market participants didn’t have the degree of sophistication they have today. Also, the ability to get around rate ceilings was much less than it is today.
Later, Governor Gramlich says: It strikes me that targeting the rate structure is a losing game. Six or seven people have spoken against that already. If we want to focus our staff’s effort, I would propose that they spend less time on that.”

“Like many of his colleagues, Bernanke opposes targets for long-term interest rates: To those of you who have argued against trying to “target” long-term interest rates–if by that you mean that we specify a target for the five-year bond and then try to enforce it by buying five-year bonds–I must say to you that I agree 100 percent that that’s not going to work.”

 

Gerüchteweise diskutiert die EZB auch, ob sie Staatsanleihen kaufen soll, ohne konkrete Zinsobergrenzen zu nennen. Damit würde sie das oben genannte Problem vermeiden, an einer allen Marktteilnehmern bekannten Grenze möglicherweise mit Anleihen zugeschüttet zu werden.

Mit etwas Phantasie findet man ein historisches Beispiel für Zentralbanken, die einen Markt mit einem “moving target” steuern wollen. Das ist das Geheimabkommen im Rahmen des Louvre-Akkords zur Stabilisierung von Wechselkursen im Jahre 1987. Damals wollten die Regierungen und Zentralbanken der führenden westlichen Industrienationen eine Stabilisierung der Wechselkurse erreichen – die in den Vorjahren weitaus stärker geschwankt hatten, als es sich die Anhänger flexibler Wechselkurse vorstellen wollten. Zu diesem Zweck sollten sich die Kurse des Dollar gegenüber D-Mark und Yen nur innerhalb sogenannter Schwankungsbreiten bewegen dürfen, für deren Einhaltung die Zentralbanken sorgen würden. Allerdings wurden diese Zielzonen niemals veröffentlicht, sondern in einem Geheimabkommen beschrieben. Überdies waren sie bei Bedarf anpassbar. Erst sehr viel später ist dann durchgesickert, wo die Zielzone für D-Mark/Dollar zumindest anfangs angeblich gelegen hatte.

Wie lange dieses Wechselkursregime gültig war, entzieht sich meiner Kenntnis. Als ich ab 1988 für die F.A.Z. unter anderem über Geld- und Währungspolitik schrieb, sprachen Marktteilnehmer andauernd über dieses Abkommen; verbunden mit Gerüchten über die Zielzonen. Meine Vermutung, aber es ist eine Vermutung, war, dass die Zentralbanken die führenden Marktteilnehmer unter der Hand “gebrieft” hatten.