In der Fed und um die Fed herum streiten Ökonomen und Zentralbanker über einen weiteren Ankauf von Anleihen. Beiträge zur Debatte von der Notenbankerkonferenz in Jackson Hole.
Von Patrick Welter, Washington
Der amerikanische Ökonom Michael Woodford hat die Geldpolitik der Federal Reserve deutlich kritisiert. Auf der Notenbankerkonferenz in Jackson Hole sprach Woodford von „Wunschdenken” und bezweifelte, dass die bisherigen Ankäufe von Anleihen oder die bedingte Zusicherung eines faktischen Nullzinssatzes bis mindestens 2014 effektiv gewesen seien. Erst am Freitag hatte der Fed-Vorsitzende Ben Bernanke auf der Konferenz erklärt, die Fed habe mit ihrem Ankauf von Staatsanleihen seit der Finanzkrise die Wirtschaftsleistung um 3 Prozent gestärkt und für 2 Millionen neue Stellen gesorgt. Bernanke hatte eine deutliche Sympathie für ein weiteres Ankaufprogramm erkennen lassen, sich aber noch nicht festgelegt.
Der Ökonom der Columbia-Universität warf der Fed vor, die Wirksamkeit ihrer geldpolitischen Sondermaßnahmen zu untergraben, weil sie diese mit dem Versprechen der Wachsamkeit vor künftigen Inflationsrisiken versehe. Damit habe die Fed eben keine feste Zusage gemacht, auch künftig eine lockere Geldpolitik beizubehalten, sondern ihren „Pessimismus über die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Erholung” verbreitet. Woodford vermutet, dass man so die Amerikaner nicht dazu bringe, mehr Geld auszugeben. Die Fed solle sich als Ziel die nominale Wirtschaftsleistung setzen und die Geldpolitik solange expansiv halten, bis das Bruttoinlandsprodukt wieder das Vorkrisenniveau erreicht habe, rät Woodford. Diese Empfehlung dürfte auch dazu führen, dass die Inflation zeitweise höher als die von der Fed angestrebten 2 Prozent liegen würde. Woodford zeigte eine gewisse Sympathie für Vorschläge von Charles Evans, dem regionalen Fed-Präsidenten von Chicago. Evans tritt dafür ein, dass die Fed die Nullzinspolitik zusichern solle, bis etwa die Arbeitslosenquote unter 7 Prozent gesunken oder die Inflationsrate über 3 Prozent gestiegen sei. Andere regionale Fed-Präsidenten wollen ein neues Ankaufprogramm nicht mehr befristen. John Williams, der Fed-Präsident von San Francisco, plädierte am Rande der Konferenz für unbefristete Anleihekäufe mindestens im Umfang der zweiten Runde der quantitativen Lockerung, in der die Fed für 600 Milliarden Dollar Treasuries kaufte.
Obwohl sich in der Fed womöglich eine Mehrheit für eine weitere Lockerung abzeichnet, ist diese umstritten. Charles Plosser von der Philadelphia-Fed sagte, die quantitative Lockerung erfülle derzeit den Kosten-Nutzen-Test nicht. Er begründete die schwache Wirtschaft mit der Unsicherheit von Verbrauchern und Investoren. Die niedrigen Sparzinsen trieben die Verbraucher sogar an, noch mehr zu sparen, sagte Plosser. Der Ökonom Glenn Hubbard, Berater des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, sagte, eine weitere Runde der quantitativen Lockerung werde keinen materiellen Effekt auf die Erholung haben.
Unterstützung in der Debatte erhielt Bernanke in Jackson Hole von Edward Lazear von der Stanford Universität und James Spletzer vom Census Bureau der Vereinigten Staaten. Die Ökonomen ziehen aus einer Analyse des Arbeitsmarktes den Schluss, dass die hohe Arbeitslosigkeit von derzeit 8,3 Prozent weitgehend zyklisch bedingt, also dem Wirtschaftseinbruch geschuldet sei. Was Laien offensichtlich erscheint, ist für Ökonomen nicht so eindeutig. Manche Kritiker der lockeren Geldpolitik im Offenmarktausschuss argumentieren, dass die Arbeitslosigkeit sich zunehmend verfestige, unter anderem weil die Qualifikation der Arbeitslosen nicht mehr zum Stellenangebot passe. Eine solche strukturelle Arbeitslosigkeit bedeutete, dass die Arbeitslosenquote dauerhaft höher bliebe als vor der Krise und dass die Geldpolitik weniger Macht hätte, die Quote weiter zu drücken.
Spletzer und Lazear, der Wirtschaftsberater des früheren republikanischen Präsidenten George W. Bush war, sehen für solche strukturelle Arbeitslosigkeit indes keine Hinweise. In Bezug auf Wirtschaftszweige, Qualifikation oder Standort sei das Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage in der Krise größer und dann wieder kleiner geworden. „Die derzeitige Rezession erscheint nicht fundamental anders als frühere Rezessionen, abgesehen davon, dass sie schlimmer ist.”
Dieser Artikel erschien am 3. September 2012 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Weitere Berichte zur Tagung in Jackson Hole:
Eine Zentralbank ist keine Versicherung – Neues aus Jackson Hole (2)
Hunde, Frisbeescheiben und die Finanzregulierung – Neues aus Jackson Hole (1)
Bernanke lässt kaum Zweifel an Lockerung
Ben Bernanke hat die große Bühne für sich allein
@vult
Es ist schon spannend zu...
@vult
Es ist schon spannend zu beobachten, ob diese Geldpolitik in der Liquiditätsfalle funktioniert. Das fiskalische Pulver scheint verschossen worden zu sein und die Wirkung blieb gering, zumindest was den Arbeitsmarkt betrifft.
Robert Gordon kommt in seinem neuesten working paper (https://www.nber.org/papers/w18315) zu dem Ergebnis, dass die Ursachen der langsamen Erholung wohl eher in den langfristig wirkenden Ursachen der abnehmenden Kapitalakkumulation und der nicht auf die Arbeitsproduktivität durchschlagenenden IT Technologie zu finden sind.
> "Charles Plosser begründete...
> “Charles Plosser begründete die schwache Wirtschaft mit der Unsicherheit von Verbrauchern und Investoren. Die niedrigen Sparzinsen trieben die Verbraucher sogar an, noch mehr zu sparen.”
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Als Nicht-Ökonom kriege ich bei solcher Lektüre Zustände. Noch vor kurzer Zeit hatte man höchste Bedenken, dass die private Vorsorge in USA viel zu niedrig und viele Leute zu stark verschuldet seien. Dass Ersparnisse für das Alter bei tieferer Verzinsung grösser sein müssen hat inzwischen sogar die hiesige Politik gemerkt. Und ein Wirtschaftsaufschwung kann nicht nachhaltig durch Steigerung des privaten Konsums bewirkt werden, solange die privaten Einkünfte (nicht zuletzt auch wegen Arbeitslosigkeit) nicht gestiegen sind.
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Investoren sind nicht zögerlich, weil die Zinssituation zu volatil wäre, sondern weil schlicht und ergreifend schon fast alles Erdenkliche gemacht wird und die Produktion kostengünstigst in FarEast stattfindet. Dies liesse sich nur mit (bisher verpönten) protektionistischen Mitteln grundlegend ändern. Das wagt aber niemand vorzuschlagen und so steigen eben die Arbeitslosenzahlen im Westen weiter an.
@vcaspari
Wenn ich es richtig...
@vcaspari
Wenn ich es richtig verstanden habe, ist das Mandat der Fed ja sowieso nicht auf Preisstabilität begrenzt.
Und dies ist auch verständlich (und vernünftig) : wem nutzt Stabilität der Preise, wenn gleichzeitig die Wirtschaft nicht auf die Sprünge kommt, wenn – was in den USA unüblich – die Arbeitslosenquote hoch bleibt (wohlgemerkt bei einem weitaus weniger regulierten Arbeitsmarkt als in Westeuropa), usw. Von Dogmen allein kann niemand seinen Lebensunterhalt bestreiten.
Weil derzeit die meisten AKteure ihr Geld horten (und selbst mit einer realen Negativverzinsung von sicheren Staatsanleihen zufrieden zu sein scheinen), ist es notwendig, das Geld dadurch zu mobilisieren, dass das Geldhorten (und die Weigerung in die Realwirtschaft zu investieren) unattraktiver gemacht wird: und dies geht nur wenn die Zentralbanken die Inflation nicht mehr dogmatisch bekämpft.
Wenn ich es richtig verstanden...
Wenn ich es richtig verstanden habe, dann kritisiert Woodford im Grunde, dass die FED die langfristigen Inflationserwartungen der Investoren und Konsumenten bekämpft, indem sie quasi kein Versprechen gibt, die Inflation selbst wenn sie käme, nicht zu bekämpfen. Einfach und positiv ausgedrückt: Die FED muß glaubhaft versichern, dass sie die Inflation der nächsten x Jahre nicht bekämpfen wird. Wenn ich das falsch verstanden habe, bitte korrigieren. Wenn nicht, dann gilt in der Nähe der 0-Zins-grenze eine andere Zielfunktion der FED: Die Zentralbank muß den Geldwert sinken lassen. Von Preisstabilität als Ziel hat sie sich verabschiedet. Möglicherweise ist das jetzt Wasser auf die Mühlen der EZBler.
Im Klartext: Die FED ist...
Im Klartext: Die FED ist vollständig verkommen zur rechtsordnungsbrechenden Gelddruckmaschine, die die Bürger durch Geldentwertung bestiehlt und deren Arbeitsfrüchte den Parteikadern zur freien Verschwendung und Klientelpolitik zuschanzt.
Und alle dieser Täter wollen, dass die EZB genauso verrottet, kriminell und Bürger-feindlich wird.
Jackson Hole - abwarten und...
Jackson Hole – abwarten und Tee trinken?
Draghi ist ferngeblieben.
Terroristische Notenbanken und...
Terroristische Notenbanken und ein Schwarm terroristischer Ökonomen verunsichern die Weltwirtschaft.
<p>Weitere Reaktionen zu...
Weitere Reaktionen zu Woodford:
1. http://www.businessinsider.com/michael-woodford-endorses-ngdp-targeting-2012-9
2.http://www.slate.com/…/michael_woodford_s_jackson_hole_speech_the_case_for_ngdp_targeting_.html
3. economy.money.cnn.com/…/jackson-hole-qe3-ngd
4. https://www.wallstreetjournal.de/article/SB10000872396390443864204577623051196373914.html
Mal sehen, ob die Idee des NGDP-Targeting nach Woodfords Vortrag breiter diskutiert werden wird.
Paul Krugman unterstützt die...
Paul Krugman unterstützt die Positionen Woodfords und Lazeards:
1. https://krugman.blogs.nytimes.com/2012/09/01/woodford-on-monetary-policy-sort-of-wonkish/
2. https://krugman.blogs.nytimes.com/2012/09/01/monetary-versus-fiscal-policy-revisited/
3. https://krugman.blogs.nytimes.com/2012/09/02/mishmash-not/