Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Raghuram Rajan wird indischer Notenbankchef

Es ist die spannendste Notenbank-Personalie dieses Jahres: Raghuram Rajan wird Chef der indischen Zentralbank.

© ReutersRaghuram Rajan

Für viele Ökonomen ist Raghuram Rajan ein alter Bekannter. Auf der Tagung der Notenbanker 2005 in Jackson Hole warnte er vor der bevorstehenden Finanzkrise. Er wurde ausgelacht, und zwar auch von Leuten wie Larry Summers, die jetzt für den Chefposten der amerikanischen Notenbank im Gespräch sind

Heute wurde bekannt: Raghuram Rajan leitet künftig die indische Notenbank, die in Mumbai ansässige Reserve Bank of India. Da hat er viel zu tun. Gerade heute ist die indische Rupie am Devisenmarkt auf ein neues Rekordtief gefallen, die Inflationsrate ist enorm, gleichzeitig importiert das Land weit mehr als es exportiert – und die Wirtschaft wächst nur noch mit fünf Prozent im Jahr, so langsam wie seit 2003 nicht mehr. Über Monate hat die indische Notenbank reagiert, indem sie die Zinsen senkte und Geld ins Bankensystem pumpte. Erst Mitte Juli drehte sie die Politik.

Nun kommt Raghuram Rajan, der genau so eine gedrehte Politik dauerhaft ausprobieren könnte. Das macht seine Berufung zur spannendsten Notenbank-Personalie des Jahres, noch spannender als die Nachfolge Ben Bernankes in den Vereinigten Staaten.

Denn Raghuram Rajan ist ein Wanderer zwischen den Welten. Er pendelt nicht nur zwischen Indien und Amerika, sondern auch zwischen Monetarismus und Keynesianismus. “Keynes gegen Friedman – das ist der Streit von früher“, sagt er und sucht neue Wege zwischen den beiden Paradigmen. Damit tickt er weniger keynesianisch als viele seiner Notenbanker-Kollegen in Europa und in den Vereinigten Staaten. Die probieren derzeit, die Wirtschaft kurzfristig mit viel Geld und niedrigen Zinsen anzukurbeln, und haben damit aber wenig Erfolg.

Das hat Rajan erst im Juni aufgespießt, und zwar in einer Rede vor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, quasi der Zentralbank der Zentralbanken. Darin zieht er die traditionelle keynesianische Krisenerklärung in Zweifel, nach der die Weltwirtschaft an mangelnder Nachfrage leidet. Stattdessen weist er auf die Schwierigkeiten des Angebots und auf die Risiken einer lockeren Geldpolitik hin: Blasengefahren und Anreize, Reformen aufzuschieben. (Eine ausführlichere Zusammenfassung der Rede haben wir damals in Fazit gepostet).

Deshalb wird es so spannend zu sehen, welchen Weg aus der Krise er für Indien ausgucken wird. Ein gewichtiger, schlauer Kritiker der aktuellen Geldpolitik kann jetzt ein Land mit seiner eigenen Geldpolitik aus einer Krise holen – da steht zu hoffen, dass er das eine oder andere Neue ausprobiert. Aus Indien könnte in nächster Zeit mehr geldpolitische Innovation kommen als aus Amerika.

 

Lesen Sie dazu auch: ein Interview mit Raghuram Rajan über Exzesse der Geldpolitik und das Potenzial Indiens

Update: Ich hatte die jüngsten Zinserhöhungen übersehen. Vielen Dank für den Hinweis an André Kühnlenz!
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