Im Februar nächsten Jahres tritt Janet Yellen ihr neues Amt als Präsidentin der amerikanischen Notenbank an. Seit ihrer Nominierung spekuliert die Welt darüber, was sie antreibt. Glücklicherweise ist sie nicht nur Notenbankerin, sondern auch Ökonomin. Wer in ihren Kopf schauen will, kann ihre Arbeiten lesen. Hier kommen die drei interessantesten Thesen aus ihrer Forschung.
1. Notenbanken müssen Arbeitslosigkeit genauso intensiv bekämpfen wie die Inflation
2004 veröffentlichte Janet Yellen gemeinsam mit ihrem Mann George Akerlof eine wahre Rechtfertigungsschrift für die Politik der amerikanischen Notenbank. Es geht darin um etwas, das Deutschen schwer zu vermitteln ist, nämlich die Tatsache, dass die Federal Reserve zwei Ziele gleichrangig verfolgt: stabile Preise und maximale Beschäftigung. Sie wacht also nicht nur über die Inflation. Sie soll auch Arbeitslosigkeit verhindern. Das ist für viele deutsche Notenbanker undenkbar. Und nicht nur für sie. Yellens und Akerlofs Arbeit ist eine Antwort auf die Rede des amerikanischen Ökonomen Robert Lucas. Er hatte gefordert, dass Notenbanken und Politik sich künftig lieber nicht mehr darum kümmern sollten, die Wirtschaft über die Jahre zu stabilisieren. Dass sie also nicht mehr in Krisen stark mildernd eingreifen und Arbeitslosigkeit mindern sollten. Denn den Menschen würde das kaum etwas bringen. Die Wirtschaft erhole sich irgendwann von selbst. Und wer die Tiefs mildert, der bremst auch die Hochs, im Durchschnitt tut sich nichts. Die implizite Folgerung: Notenbanken sollten sich um stabile Preise kümmern und alles andere sein lassen.
Yellen und Akerlof sehen das anders. Gerade in Krisenzeiten können die Notenbank und die Politik ihrer Ansicht nach viel bewirken. Das liegt daran, dass die Wirtschaft nicht so anpassungsfähig ist, wie Lucas glaubt. Das Forscherpaaar argumentiert keynesianisch: Löhne und Preise passen sich in der Krise nur sehr langsam oder gar nicht an die wirtschaftliche Situation an. Dadurch entsteht übertrieben hohe Arbeitslosigkeit für längere Zeit. Der Grund für die langsamen Preisanpassungen ist, dass die Menschen sich keine rationalen Erwartungen über die Zukunft bilden. Sie glauben, dass sich bald alles normalisieren wird – Preise, Löhne -, auch wenn das nicht wahrscheinlich ist. Diese Arbeitslosigkeit in der Rezession, so Yellen und Akerlof, ist für den Einzelnen weitaus schlimmer als Arbeitslosigkeit in einer Boomphase. Umgekehrt ist Beschäftigung in der Rezession wertvoller als im Boom.
Wenn das stimmt, dann lohnt es sich, die Beschäftigung in schlechten Zeiten anzuheizen, selbst dann, wenn sich am Ende gute und schlechte Zeiten ausgleichen, wie Lucas dachte. Aber natürlich glauben Yellen und Akerlof im Gegensatz zu Lucas außerdem, dass der Staat sehr wohl die Wirtschaftskraft auch im Schnitt über die Jahre verbessern kann. Dazu zitieren sie andere Forschungsergebnisse (unter anderem von Lawrence Summers), die besagten: “Erfolgreiche Makro-Politik füllt die Täler der Wirtschaft, ohne die Berge zu kappen.”
Leider lassen Yellen und Akerlof die Kernfrage dieser Politik für die Notenbank unbeantwortet. Die lautet: Was passiert, wenn die beiden Ziele der Notenbank in Konflikt geraten? Heute fürchten viele zu Recht, dass das viele Geld, das die Notenbanken der Welt derzeit in den Markt pumpen, irgendwann Probleme machen wird. Dass es zu Inflation führt oder zu Blasen. Wenn durch heutige Krisenbekämpfung morgen Inflation entsteht, was ist dann wichtiger: stabile Preise oder mehr Beschäftigung? Darauf geben Yellen und Akerlof keine Antwort.
2. Arbeitslosigkeit gibt es, weil Firmen freiwillig zu hohe Löhne zahlen
Yellen beschäftigt sich nicht nur mit Ideen, wie man Arbeitslosen zu Arbeit verhelfen kann. Jahrelang hat sie sich auch mit Gründen für die Arbeitslosigkeit beschäftigt. Ihre meistzitierten wissenschaftlichen Arbeiten befassen sich mit einer Theorie namens “Efficiency wage theory”, die sie entwickelt hat.
Die Idee dahinter: Arbeitnehmer strengen sich nicht mehr an, wenn sie weniger verdienen, als sie fair finden. Denn dann sind sie wütend. Das wissen die Firmen, und deshalb bezahlen sie gute Arbeitskräfte besser. Die Löhne liegen über dem Lohn, der auf dem Arbeitsmarkt Angebot und Nachfrage übereinstimmen lässt. Bei den weniger begehrten Arbeitskräften führt das zu Arbeitslosigkeit.
Das zeigt, wie Yellen denkt: Märkte an sich sind nicht unbedingt effizient, deshalb muss der Staat helfen.
3. Die Pille hat uns die vielen Kinder aus wilden Ehen beschert
Wieso ist die Zahl der Babys, deren Eltern nicht verheiratet sind, so stark angestiegen im Vergleich zur Zahl der Babys von Eheleuten? Mit dieser Frage befasste sich Yellen gemeinsam mit ihrem Ehemann Akerlof und dem Kollegen Michael Katz im Jahr 1996. Damals gab es große Diskussionen darum, wo seit einigen Jahren die vielen Kinder aus wilden Ehen herkamen. Eine Theorie lautete, dass die gute Unterstützung Alleinerziehender schuld daran sei.
Weit gefehlt, finden Yellen, Akerlof und Katz. Es sind die Pille und die legale Abtreibung, die dafür gesorgt haben. Seit es sie gibt, haben Paare größere Kontrolle darüber, wann sie ein Kind bekommen. Das macht es für die unverheirateten Frauen schwieriger, einen Mann zu überzeugen, sie zu heiraten, nur weil sie schwanger sind. Schließlich hätten sie die Schwangerschaft ja verhindern oder abbrechen können. Außerdem ging infolge der Pille die Geburtenrate vor allem bei verheirateten Paaren besonders stark zurück. Dadurch stieg der Anteil der Kinder aus wilden Ehen im Vergleich zu denen von Eheleuten an. Aus dieser Logik heraus optieren Yellen und Akerlof dafür, die Unterstützung Alleinerziehender auf keinen Fall zu kürzen.
Obwohl diese Arbeit völlig fern ist von den Dingen, mit denen Yellen sich sonst beschäftigte, ein gewisser roter Faden ist erkennbar. Es geht wieder um: mehr Staat statt weniger.
Literatur:
Janet Yellen und George Akerlof: “Stabilization Policy: A Reconsideration“, Juli 2004.
George Akerlof und Janet Yellen: “The Fair Wage-Effort Hypothesis and Unemployment”, The Quarterly Journal of Economics, Vol. 105, No. 2, May 1990, S. 255-283.
George Akerlof, Janet Yellen. Michael Katz: “An Analysis of out-of wedlock childbearing in the United States”, The Quarterly Journal of Economics, Vol. 111, No. 2, Mai 1996, S. 277-317.