Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Auf dem Weg zur Vollbeschäftigung

© Moni Port / LaborprobenIllustration

In Zukunft wird jeder Arbeit haben: Ein Jahr ist es her, dass wir in einem Spezial eine Zukunft der Vollbeschäftigung angekündigt haben. Die Gründe sind einfach: In den nächsten Jahren gehen die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in Rente, während nur noch wenige junge Leute nachkommen. Diese Phase beginnt erst in einigen Jahren, doch die Vollbeschäftigung macht sich schon allmählich bemerkbar.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich im vergangenen Jahr noch mal etwas verbessert. Inzwischen sind fast 30 Millionen Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt, so viele wie noch nie und noch mal eine halbe Million mehr als vor einem Jahr. Inzwischen lebt fast ein Viertel der Deutschen in Landkreisen, in denen Vollbeschäftigung herrscht, also die Arbeitslosenquote unter 4,5 Prozent bleibt. Inzwischen hat die Bundesagentur für Arbeit 20 Berufe ganz offiziell zu Mangelberufen erklärt: nicht nur Altenpfleger und Software-Entwickler, sondern auch Lokführer, Orthopädiemeister, Mechatroniker und Energietechniker.

Die meisten Betriebe können den Mangel aber noch abfedern, sie finden noch ohne größere Anstrengung Leute, die mitarbeiten. Viele der neuen Stellen sind an Leute gegangen, die sich sonst gar nicht arbeitslos gemeldet hätten. Frauen arbeiten mehr als vor einem Jahr, krisengeplagte EU-Bürger aus Spanien kommen zum Arbeiten nach Deutschland, und vor allem: Die Betriebe schicken ihre älteren Mitarbeiter seltener in den Vorruhestand. Darum entsteht bisher wenig Druck auf die Löhne, die Löhne steigen nur ungefähr so schnell wie die Inflation. Zwar geben die Unternehmen insgesamt immer mehr Geld für ihre Mitarbeiter aus, doch das kommt vor allem den Leuten zugute, die die neuen Stellen besetzt haben und sonst nicht arbeiten würden.

Die Stimmung hat sich schon gedreht

Auf der anderen Seite stehen rund drei Millionen Arbeitslose, nur ein bisschen weniger als im vergangenen Jahr, von denen einige schwer zu vermitteln sind. Vielen fehlt die Bildung, manchen auch die Disziplin für eine der vielen offenen Stellen. Einige Betriebe bieten schon spezielle Kurse für Langzeitarbeitslose oder Jugendliche ohne Ausbildung an. Werden noch mehr Menschen Probleme kriegen, wenn Computer immer mehr Arbeit übernehmen? Oder bemühen sich die Unternehmen bald engagierter um die Langzeitarbeitslosen, weil der Mangel an Arbeitskräften in den nächsten Jahren immer drängender wird? Das ist noch nicht vollkommen klar.

Sicher ist aber: Die Stimmung in Deutschland hat sich schon jetzt grundlegend geändert. Noch im Jahr 2010 war die Arbeitslosigkeit für 66 Prozent der Deutschen ein großes Problem, wie die Gesellschaft für Konsumforschung erfragt hat. Inzwischen hat sich diese Angst halbiert, heute nennen nur noch 32 Prozent der Deutschen die Arbeitslosigkeit als Problem.

Entsprechend hat sich der Wind in der Politik gedreht. Heute geht es darum, dass die Menschen gute Arbeitsplätze mit anständigem Verdienst haben. Deshalb konnte die SPD nach der Wahl einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde durchsetzen. Wenn dabei der eine oder andere Arbeitsplatz verlorengeht, finden viele Deutsche das nicht mehr schlimm: So schlecht bezahlte Stellen sind sowieso nicht erhaltenswert, finden sie – eine Folge davon, dass nur noch wenige Leute Angst vor Arbeitslosigkeit haben.

Im Gegenzug hat die SPD aber auch ein Gesetz durchgesetzt, das die Vollbeschäftigung befördern dürfte: Viele der wertvollen älteren Mitarbeiter dürfen bald früher in Rente, nämlich schon mit 63 Jahren. Allein das ermöglicht im ersten Jahr 50.000 zusätzlichen Leuten, mit dem Arbeiten aufzuhören – das sind rund fünf Prozent eines Schulabgänger-Jahrgangs nur für ihren Ersatz.

 

Vielen Dank für den Hinweis an Thorsten Hild auf einen Formulierungsfehler. Richtig ist: Die Realllöhne stagnieren, die Löhne steigen nur ungefähr so schnell wie die Inflation.

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