Künstliche Intelligenz und allumfassende Vernetzung werden die Weltwirtschaft dramatisch verändern. Die Arbeitswelt wird eine gewaltige Umwälzung erleben. Die Revolution wird nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner kennen – gerade in den Industrienationen. FAZIT berichtet vom Weltwirtschaftsforum in Davos.
Mit Blick auf den technologischen Wandel ist der Begriff „Vierte Industrielle Revolution“ wohl mehr als eine Floskel, sondern eine Vision, die schon dabei ist, Realität zu werden. Anlässlich des diesjährigen Weltwirtschaftsforums in Davos hat die schweizerische Großbank UBS eine Studie vorgestellt, die wichtige Aspekte der „Vierten Industriellen Revolution“ beleuchtet. Wir haben die Studie gelesen und an einer Präsentation teilgenommen.
Ordnen wir die neue Revolution zunächst einmal ein:
- Die Erste Industrielle Revolution begann in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit der Erfindung der Dampfmaschine. Sie begünstigte unter anderem den Bau von Eisenbahnen und schaffte auf diese Weise eine Art Vernetzung.
- Die Zweite Industrielle Revolution begann um 1870 und war durch die Massenproduktion von Konsumgütern und die Nutzung der Elektrizität begleitet, die ihrerseits für Vernetzung sorgte.
- Die Dritte Industrielle Revolution ist durch die Informationstechnologie gekennzeichnet. Als Gründungsjahr gilt 1969, weil dort die erste Botschaft über ARPANET, einen Vorläufers des Internets gesendet wurde. Seitdem hat die Leistungsfähigkeit von Computern erheblich zugenommen und das Internet steht für eine moderne Form der Vernetzung.
- Die nun ins Haus stehende Vierte Industrielle Revolution ist nach den Worten der UBS-Autoren durch „extreme Automatisierung und extreme Vernetzung“ gekennzeichnet. Ein wesentliches Kennzeichen der neuen Revolution ist die Künstliche Intelligenz.
Was sind die Konsequenzen der Vierten Revolution?
- Eine Polarisierung der Arbeiterschaft: Die extreme Automatisierung wird viele einfache menschliche Arbeit verdrängen. Aber bei der UBS folgert man daraus nicht, dass die Zahl der Arbeitsplätze insgesamt sinken muss. Neue Jobs, die individuelle Kenntnisse erfordern, können entstehen, und viele der verbleibenden Jobs können dank moderner Technologie produktiver und damit besser bezahlt werden. Kurz: Die Spanne zwischen Gewinnern und Verlierern wird größer und vor allem Arbeitnehmer mit geringer und mittlerer Qualifikation werden sich (weiter-)bilden müssen.
- Die aus der Polarisierung am Arbeitsmarkt folgende wachsende Ungleichheit der Einkommen und Vermögen lässt den Abstand der Gewinner gegenüber den Verlierern weiter zunehmen. Die Gewinner werden höhere Sparquoten haben und damit auch in der Lage sein, am ehesten Kapitalanlagen zu erwerben, mit denen sich von der Vierten Industriellen Revolution profitieren lässt. „Es ist besser, einen Roboter zu besitzen, als mit einem Roboter zu arbeiten“, sagte UBS-Ökonom Lutfey Siddiqi auf der Präsentation der Studie. Dass den Gewinner hohe Erträge winken, zeigt ein Beispiel. Facebook zahlte im Jahre 2014 immerhin 22 Milliarden Dollar für das Unternehmen WhatsApp, das damals gerade einmal 55 Mitarbeiter zählte. 22 Milliarden Dollar betrug noch vor wenigen Wochen der Börsenwert der Fluggesellschaft United Continental, die aber 82.300 Mitarbeiter zählt. Wenige hochqualifizierte Mitarbeiter und wenig Sachkapital, aber viel Wissen und eine starke Vernetzung – das sind die Erfolgsgeheimnisse für Unternehmen in der Vierten Industriellen Revolution.
- Das Dollar-Dilemma: Bei der UBS geht man davon aus, dass die Vereinigten Staaten zu den Gewinnern der Vierten Industriellen Revolution zählen werden, weil sie nach wie vor als ein attraktiver Standort für die Niederlassung von Unternehmen zählen. Das müsste langfristig eine Aufwertung des Dollars begünstigen und damit Schwellenländer in Schwierigkeiten bringen, die den Wechselkurs ihrer Währung an den Dollar gebunden haben. Generell erwartet man bei der UBS, dass die heutigen Industrienationen eher als die Schwellenländer von der Vierten Industriellen Revolution profitieren werden. Ein Grund, aber das ist nur einer, besteht darin, dass man in Schwellenländern viele der einfachen industriellen Arbeitsplätze findet, die durch die bevorstehende Automatisierungswelle bedroht sein werden.
- Die globale Vernetzung geht auch mit erheblichen Risiken einher. Hier ist vor allem der Sicherheitsaspekt zu beachten. Nicht nur sind einzelne Unternehmen durch Hacker bedroht, die globale Vernetzung kann auch geopolitische Spannungen („Cyber Warfare“) erzeugen, zum Beispiel, indem sich politische Extremisten über Netzwerke organisieren.
Wer sind Gewinner? Wer sind Verlierer?
Die generelle These, dass die Industrienationen eher von der Vierten Industriellen Revolution profitieren werden als die Schwellenländer, bedarf der Begründung. Nach Ansicht der UBS sind fünf Kriterien für den Erfolg eines Landes in der Vierten Industriellen Revolution wichtig:
- Flexibilität am Arbeitsmarkt
- Hohe Qualifikation des Bildungssystems
- Fähigkeit heutiger Mitarbeiter zur Adaption an neue Herausforderungen
- „Harte Infrastruktur“ (Verkehrswege, Energieversorgung, Kommunikationsnetze…)
- „Weiche Infrastruktur“ (Institutionen, Eigentumsrechte, Justizsystem…)
Und hier zeigt sich nun, warum in der Tendenz die Industrienationen besser aufgestellt sind als Schwellenländer. In vielen Industrienationen hapert es zwar mit der Flexibilität am Arbeitsmarkt, aber sie punkten mit der Qualität der Infrastruktur. Vor allem bei der „weichen Infrastruktur“, also bei der Sicherung von Eigentumsrechten, schlagen die Industrienationen die Schwellenländer in der Tendenz – und die Qualität der „weichen Infrastruktur“ ist ein sehr erheblicher Punkt. Das führt sogar dazu, dass (wieder in der Tendenz und nicht in jedem Einzelfall) die „Pigs“ die „Brics“ schlagen – also die südeuropäischen Krisenländer („Pigs“) die einst hochgelobten „Brics“ (Brasilien, Russland, Indien, China).
In einer von der UBS erstellten Rangliste der am besten für die Vierte Industrielle Revolution aufgestellten Länder finden sich die Schweiz, Singapur und die Niederlande auf den ersten Plätzen. Die Vereinigten Staaten folgen auf Platz 5, Deutschland auf Platz 13 und als erstes Schwellenland Taiwan auf Platz 15. Auch noch ganz interessant: Spanien liegt auf Platz 26 unmittelbar vor China.