Seit Donald Trump im Amt ist, wird häufiger über Wechselkurse und sogenannte Währungskriege geredet. Hierbei geht es meist um politische Interpretationen. Die Ökonomen wären schon glücklich, wenn sie mehr über die Bestimmungsgründe von Wechselkursen und die wirtschaftlichen Folgen von Wechselkursänderungen wüssten.
Im Jahre 2000 schrieben Marice Obstfeld und Ken Rogoff einen langen Artikel über sechs Rätsel in der Außenwirtschaftsökonomik. Es handelte sich um eine Vielzahl empirischer Beobachtungen, die nicht zu Annahmen in der Standardtheorie passten. Eines dieser Rätsel tauften sie “Exchange Rate Disconnect Puzzle”. Gemeint war die Beobachtung, dass die tatsächliche Entwicklung von Wechselkursen offensichtlich nicht mit fundamentalen wirtschaftlichen Fakten in Einklang zu bringen war. Dieses Rätsel beschäftigt bis heute Ökonomen und daher stellen wir kurz zwei neuere Arbeiten vor.
Darum geht es: Als das System fester Wechselkurse von Bretton Woods zu Beginn der siebziger Jahre zusammenbrach, sahen dies die Befürworter flexibler Wechselkurse als eine Befreiung an. Vor allem postulierten sie, dass sich die Wechselkurse nun an fundamentalen wirtschaftlichen Daten orientieren würden, was bedeutete, dass eigentlich keine sehr großen kurzfristigen Schwankungen der Kurse auftreten sollten, weil sich die Fundamentaldaten von Volkswirtschaften gewöhnlich nicht kurzfristig drastisch ändern. Und was den Einfluss kurzfristiger Spekulation anging, hatte man das Diktum Milton Friedmans, nach dem Spekulationen kursstabilisierend wirken würden. Soweit die Theorie: Das Problem war, dass die Wechselkursschwankungen in der Praxis weitaus größer waren als von den Anhängern flexibler Wechselkurse erwartet. Und dafür brauchte – und braucht – man eine vernünftige Erklärung.
Die Erklärungsversuche hatten rasch eine Vielzahl von Wechselkurstheorien zur Folge. Ich kann mich an ein Hauptseminar bei Wolfgang Gebauer an der Goethe-Universität Frankfurt Mitte der achtziger Jahre erinnern, in dem wir erst die unterschiedlichen Theorien besprachen (ich trug als Student damals über den Portfolio-Ansatz von William Branson vor) und in einem zweiten Teil feststellten, dass die empirischen Überprüfungen der Theorien allesamt ernüchternde Ergebnisse brachten. Daran hat sich bis heute nichts Wesentliches geändert – am weitesten kommt man wohl immer noch mit den erwarteten kurzfristigen Zinsdifferenzen, aber alle monokausalen Erklärungsversuche sind letztlich nicht sehr befriedigend.
Charles Horioka und Nicholas Ford unternehmen nun einen neuen Versuch, um das “Exchange Rate Disconnect Puzzle” zu lösen. Nach ihrer Ansicht werden Wechselkurse durchaus durch Fundamentaldaten bestimmt, allerdings hätten die Ökonomen bisher nicht auf die “richtigen” Fundamentaldaten geachtet. Hierzu zählen die Autoren das reale Austauschverhältnis von Export- und Importgütern (“Terms of Trade”), die Berücksichtigung von Transportkosten im Handel und der Balassa-Samuelson-Effekt, der unter anderem der Tatsache Rechnung trägt, dass Industrienationen höhere Preisniveaus haben als Schwellen- oder Entwicklungsländer und man daher für einen Euro oder einen Dollar in ärmeren Ländern oft mehr kaufen kann als in einem reichen Industrieland. Außerdem postulieren Horioka und Ford, dass frühere Arbeiten die Bedeutung von Erwartungen für Wechselkursänderungen unterschätzt hätten. Mal sehen, wie weit dieser Versuch trägt, das Rätsel zu lösen.
Doch nicht nur die Bestimmungsgründe der Wechselkurse sind umstritten, sondern auch die Wirkungen von Wechselkursänderungen auf eine Wirtschaft. Die Ökonomin Kristin Forbes nennt ein einprägsames Beispiel aus Großbritannien: Als das Pfund in den Jahren 2007 bis 2009 kräftig abwertete, stieg die Inflationsrate anschließend deutlich stärker als erwartet. Als das Pfund zwischen 2013 und 2015 deutlich aufwertete, wirkte sich dies in der Inflationsrate weniger stark aus als erwartet. Sie empfiehlt einen Ansatz, bei dem man stärker danach differenziert, warum sich der Wechselkurs ändert. In vielen traditionellen Ansätzen wird dies nicht hinterfragt, sondern auf Faustregeln abgezielt – zum Beispiel gibt es eine für den Dollar, nachdem eine Aufwertung der amerikanischen Währung um 10 Prozent zu einem Fall der amerikanischen Inflationsrate um 0,5 Prozent führt. Diese Faustregeln stimmen manchmal und manchmal stimmen sie auch nicht.