Der Berg fauler Kredite in den Bilanzen italienischer Banken gilt vielen Beobachtern als das derzeit vielleicht akuteste Problem in der Eurozone. Anders als in Spanien oder Irland sind die faulen Kredite in Italien weniger das Resultat einer Krise des Immobilienmarktes, sondern eher das Ergebnis eines langfristig sehr schwachen Wirtschaftswachstums. Da stellt sich die Frage: Welches Wirtschaftswachstum würde helfen, den Berg abzubauen?
- Über die Summe der faulen Kredite (“non performing loans”, NPL) in den italienischen Bankbilanzen kursieren unterschiedliche Zahlen. In einer vom IWF veröffentlichten Analyse dreier Ökonomen wird für die Jahresmitte ein Betrag von 356 Milliarden Euro genannt. Das entspricht 18 Prozent aller vergebenen Kredite beziehungsweise 20 Prozent des BIP Italiens. Sie betreffen, wenig erstaunlich, vor allem den Süden Italiens – am schlimmsten sieht es in Sizilien, Kalabrien und Apulien aus.
- Abzüglich der von den Banken gebildeten Wertberichtigungen betrug der Bestand an faulen Krediten Mitte 2016 noch 191 Milliarden Euro. Von diesen wiederum entfielen 88 Milliarden auf Kredite zahlungsunfähiger Schuldner und 103 Milliarden auf Kredite von Schuldnern, von denen eine Rückzahlung noch erhofft werden kann.
- Das Hauptproblem ist ein Teufelskreis zwischen faulen Krediten und dem Wirtschaftswachstum: Die faulen Kredite schwächen die Banken, die damit nur eingeschränkt in der Lage sind, soliden Schuldnern Kredite zu verleihen. Die schwache Kreditvergabe wiederum ist eine Bremse für das Wirtschaftswachstum. Kommt das Wirtschaftswachstum nicht in Gang, können sich aber auch die Banken nicht erholen, weil sich deren säumige Kreditnehmer nicht erholen.
- Die Situation ist Italien ist schwierig, aber vielleicht nicht hoffnungslos: Die moderate wirtschaftliche Erholung seit dem Jahre 2014 hat dazu beigetragen, dass der Bestand fauler Kredite seit Ende 2015 nicht mehr gestiegen ist. Mir haben Vertreter aus dem italienischen Bankwesen kürzlich in Frankfurt sinngemäß gesagt: Wir müssen noch drei Jahre bei moderatem Wirtschaftswachstum durchhalten und dann wird der Bestand fauler Kredite deutlich sinken. Das klingt gut, aber das Problem ist, dass nicht alle Banken drei Jahre durchhalten dürften. Unbestritten ist, und darauf verweisen auch die Autoren des IWF-Papiers, dass kräftiges Wirtschaftswachstum die Kreditqualität in einer Volkswirtschaft steigert.
- Die drei Autoren versuchen, die interessante Frage zu beantworten: Wie hoch müsste das Wirtschaftswachstum in Italien sein, um die faulen Kredite um 5 bis 10 Prozent im Jahr zu reduzieren? Sie berechnen Schätzungen auf der Basis der Daten von 1997 bis 2014 für 17 italienische Regionen.
- Das Ergebnis lautet: Die kritische Grenze ist ein jährliches Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent. Sofern die italienische Wirtschaft dauerhaft schneller wachsen kann als mit 1,2 Prozent im Jahr, müsste es ihr gelingen, das Problem fauler Kredite im Laufe der Zeit zu entschärfen.
- Das Problem ist: Die italienische Wirtschaft erweckt schon seit geraumer Zeit nicht den Eindruck, als könnte sie nachhaltig über 1,2 Prozent im Jahr wachsen. In den vergangenen zehn Jahren wies die Wirtschaft nur in drei Jahren eine Rate über 1,2 Prozent auf, und das letzte Jahr war 2010.
- Die Autoren schlagen eine Reihe von Remeduren vor, darunter Strukturreformen zur Kräftigung des langfristigen Wachstums und ein besseres Management im Umgang mit faulen Krediten. Ob das reicht, ist eine Frage, die sich schwer beantworten lässt.