Die amerikanische Wirtschaft wächst seit neun Jahren, aber sie wächst nicht sehr dynamisch. Eine Begründung lautet: Es fehlt an einer großen Zahl unternehmerischer Neugründungen, die mit ihrer Dynamik alte und wenig effiziente Unternehmen aus dem Markt drängen. Eine neue Untersuchung sagt: Das Argument taugt nichts. (Neues aus Jackson Hole Teil 1)
Die diesjährige geldpolitische Tagung in Jackson Hole hatte mit “Eine dynamische Weltwirtschaft stärken” kein im engeren Sinne geldpolitisches Thema. Wohl aber ging es um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, innerhalb derer sich nicht nur die Geldpolitik derzeit zurechtfinden muss. Eine von Chang-Tai Hsieh und Peter J. Klenow vorgestellte Arbeit befasste sich mit der häufig diskutierten Frage, warum in den Vereinigten Staaten die wirtschaftlichen Wachstumsraten niedriger sind als in früheren Konjunkturaufschwüngen. Die beiden Ökonomen behandelten ein häufiger vorgetragenes Argument, wonach eine unerwartet niedrige Zahl von Unternehmensgründungen in den vergangenen Jahren Ausdruck einer geringen Innovationsfreude sei, in deren Folge es nicht genügend Schumpeter’sche dynamische Unternehmer gäbe, die Arbeitskräfte aus etablierten, aber weniger dynamischen Unternehmen in produktivere Verwendungen lockten.
Das Argument klingt auf den ersten Blick überzeugend, aber Hsieh/Klenow nennen es einen “Mythos”. Ihr Hauptargument lautet, dass die meisten Innovationen in den Vereinigten Staaten nicht von neuen Unternehmen stammen, die dynamisch wachsen – sondern von etablierten Unternehmen, die kontinuierlich an der Verbesserung ihrer etablierten Produkte arbeiten. Daten vom amerikanischen Arbeitsmarkt zeigen ihnen, dass die meisten Jobwechsel nicht von weniger produktiven zu produktiveren Unternehmen führen. Wenn die Bedeutung innovativer neuer Unternehmen für das Wirtschaftswachstum aber häufig überschätzt wird, dann kann man ein (vermeintliches) Fehlen junger Unternehmen aber auch nicht als Begründung für ein unter den Erwartungen liegenden Wirtschaftswachstum verwenden.
Das Argument ist nicht nur für die Vereinigten Staaten interessant, sondern möglicherweise als Erklärung für das nachhaltige deutsche Wirtschaftswachstum nutzbar. Denn in Deutschland gibt es nicht viele neue große “Weltveränderer” wie Microsoft, Google etc., sondern viele große und mittelgroße Unternehmen, die seit Jahrzehnten auch international in der vorderen Liga ihrer jeweiligen Branche mitspielen, ohne dauernd sensationell neue Produkte zu präsentieren. Stattdessen arbeiten sie permanent an der Verbesserung ihrer Produktpalette und ihrer Fertigungsmethoden – was vielen von ihnen offensichtlich auch gelingt und der deutschen Wirtschaft insgesamt gut tut.