Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Jeder wird gerettet

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Mit großem Unwillen paukten die Regierungen in der Finanzkrise die Banken heraus. Doch eigentlich gefallen Politiker sich darin, private Schuld in öffentliche Schuld tauschen.

Em­pört, in­di­gniert und auch ein we­nig be­lei­digt re­agier­ten vor zehn Jah­ren vie­le Po­li­ti­ker, als ih­nen wäh­rend der gro­ßen Fi­nanz­kri­se däm­mer­te, dass sie die Ban­ken her­aus­pau­ken muss­ten. Öf­fent­li­ches Geld wur­de auf bei­den Sei­ten des At­lan­tiks ein­ge­setzt, um die Fi­nanz­un­ter­neh­men zu sta­bi­li­sie­ren und schlim­me­ren Scha­den für die Ge­samt­wirt­schaft ab­zu­wen­den. Die Staats­schuld stieg, wäh­rend die Fi­nanz­häu­ser be­gan­nen, ih­re Über­schul­dung ab­zu­bau­en und faul ge­wor­de­ne Fi­nanz­an­la­gen ab­zu­ge­ben. Das ist in gro­ben Zü­gen die Ge­schich­te der Fi­nanz­kri­se, wie sie sich zu Recht oder Un­recht im öf­fent­li­chen Be­wusst­sein ver­fes­tigt hat.

So er­zählt, führt die Ge­schich­te schnell zu den Sün­den­bö­cken: Es sind die Her­ren des Gel­des und die Fi­nanz­häu­ser, die sich in Gier und in acht­lo­ser Über­schul­dung in die Kri­se hin­ein­ge­rit­ten ha­ben. Die Wut vie­ler Po­li­ti­ker ge­ra­de in Eu­ro­pa dar­über, dass sie die Ban­ken ret­ten muss­ten, ver­grö­ßer­te das Ver­lan­gen, die bö­sen Ban­kiers als die Schul­di­gen der Kri­se an­zu­pran­gern. Der schein­bar sin­gu­lä­re Cha­rak­ter der Kri­se, die schnell als ein Jahr­hun­dert­er­eig­nis be­schrie­ben wur­de, trug zur Le­gen­den­bil­dung bei: Die Po­li­tik sei wi­der Wil­len in den Bail-out der Ban­ken ge­trie­ben wor­den.

Die keynesianische Variante des Herauspaukens

Ganz so ein­zig­ar­tig aber war das Ver­hal­ten der Re­gie­ren­den und Ge­wähl­ten gar nicht. Der Hang, ei­ner Ent­schul­dung von durch­schnitt­li­chen Haus­hal­ten und Un­ter­neh­men mit stei­gen­der öf­fent­li­cher Schuld zu be­geg­nen, ist den Re­gie­run­gen spä­tes­tens seit dem Sie­ges­zug des Keyne­sia­nis­mus und der Idee der glo­ba­len Kon­junk­tur­steue­rung al­les an­de­re als fremd. „Wann auch im­mer der pri­va­te Sek­tor in Über­schul­dung fest­hängt und sich ent­schul­den muss, kom­men die Re­gie­run­gen sys­te­ma­tisch mit ei­nem ge­gen den Zy­klus ge­rich­te­ten An­stieg der öf­fent­li­chen De­fi­zi­te und Schuld zu Hil­fe.“ So be­schrei­ben drei Öko­no­men des In­ter­na­tio­na­len Wäh­rungs­fonds (IWF) in ei­ner sta­tis­ti­schen Un­ter­su­chung pri­va­ter und öf­fent­li­cher Schuld den Me­cha­nis­mus. Sam­ba Mbaye, Ma­ri­aluz Mo­re­no Ba­dia und Kyun­g­la Chae spre­chen von ei­ner an­de­ren Form des Her­aus­pau­kens von pri­va­ten Schuld­nern, die viel wei­ter ver­brei­tet und all­ge­mein­gül­tig sei als der ty­pi­sche Ban­ken-Bail-out.

Der Zu­sam­men­hang ist schnell be­schrie­ben. Ver­rin­gern Haus­hal­te und Un­ter­neh­men in der Sum­me ih­re Schul­den und kon­su­mie­ren oder in­ves­tie­ren da­für we­ni­ger, be­las­tet das die wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung. Üb­li­cher­wei­se steu­ern Re­gie­run­gen da­ge­gen – mit hö­he­ren So­zi­al­aus­ga­ben und manch­mal auch aus­drück­lich mit Kon­junk­tur­pro­gram­men, schul­den­fi­nan­ziert na­tür­lich. Im Idealfall hilft die dann stabilisierte Wirtschaftslage indirekt den Privaten, ihre hohen Schulden besser in den Griff zu bekommen. Ge­samt­wirt­schaft­lich ge­se­hen, wird auf die­se Wei­se pri­va­te Schuld durch öf­fent­li­che Schuld er­setzt, ge­ra­de­so, wie es nach der Fi­nanz­kri­se vor zehn Jah­ren ge­schah.

Der böse Bankier in uns allen

Die­se Form des Her­aus­pau­kens, nicht aber die Ret­tungs­pa­ke­te für die Ban­ken, tra­ge die Schuld dar­an, dass das Schul­den­ni­veau ins­ge­samt in den In­dus­trie­staa­ten ge­stie­gen sei, heißt es in der IWF-Ana­ly­se. Zehn Jah­re nach der Fi­nanz­kri­se sind die Schul­den in den In­dus­trie­staa­ten, ge­mes­sen am Brut­to­in­lands­pro­dukt, 39 Pro­zent­punk­te hö­her als vor der Kri­se. Ein prä­gnan­tes Bei­spiel für den Aus­tausch pri­va­ter durch öf­fent­li­che Schul­den ist Spa­ni­en. Die pri­va­te Ver­schul­dung in Spa­ni­en sank seit der Fi­nanz­kri­se um 49,5 Pro­zent­punk­te, wie­der ge­mes­sen am Brut­to­in­lands­pro­dukt. Die öf­fent­li­che Ver­schul­dung stieg in­des um fast 59 Pro­zent­punk­te. Der Ban­ken-Bail-out mach­te we­ni­ger als 5 Punk­te da­von aus. Für den Lö­wen­an­teil des An­stiegs der Staats­schul­den war das Her­aus­pau­ken nor­ma­ler pri­va­ter Haus­hal­te und Un­ter­neh­men in der Wirt­schafts­kri­se ver­ant­wort­lich. Bleibt man in der Kampf­spra­che, wel­che die Po­li­tik für die Fi­nanz­kri­se ge­fun­den hat, müss­te man un­ter dem Ein­druck die­ser Zah­len vom bö­sen Ban­kier in uns al­len spre­chen.

Der Wert der Un­ter­su­chung der IWF-Öko­no­men liegt dar­in, die All­ge­gen­wär­tig­keit die­ser an­de­ren Form des Her­aus­pau­kens in der em­pi­ri­schen Ana­ly­se über 158 Län­der und meh­re­re Jahr­zehn­te zu zei­gen. Der Aus­tausch pri­va­ter durch öf­fent­li­che Ver­schul­dung fin­det nach der Un­ter­su­chung mit oder oh­ne Fi­nanz­kri­sen statt und ist un­ab­hän­gig von der gro­ßen Fi­nanz­kri­se vor zehn Jah­ren. Je hö­her das Ein­kom­mens­ni­veau in ei­ner Volks­wirt­schaft, des­to mehr wird pri­va­te in öf­fent­li­che Schuld ge­tauscht. Stel­len sich vie­le Jah­re nied­ri­gen Wachs­tums ein, wie nach der gro­ßen Fi­nanz­kri­se, steigt mit der öf­fent­li­chen Schuld auch das ge­sam­te Schul­den­ni­veau in dem Land. Bleibt es bei we­ni­gen Ab­schwung­jah­ren, kann das Schul­den­ni­veau nach der Wachs­tums­del­le auch wie­der sin­ken.

Der Schuldentausch ist nicht von Gott gegeben

Der Vergleich des Banken-Bail-outs und der konjunkturpolitischen For­m des Her­aus­pau­kens steht und fällt damit, ob die staat­li­che Ab­si­che­rung Fehl­ver­hal­ten der Privaten („mo­ral ha­zard“) her­vor­ruft. Weiß ein Fi­nanz­haus, dass die All­ge­mein­heit im Kri­sen­fall ein­sprin­gen wird, schwächt dies den An­reiz, stets den Re­geln ei­nes vor­sich­ti­gen Kauf­manns zu fol­gen. Das kann die nächs­te Fi­nanz­kri­se her­vor­ru­fen. Aber neh­men Haus­hal­te und Un­ter­neh­men außerhalb der Fi­nanz­bran­che mehr Schul­den auf, als sinnvoll wäre, weil sie Re­gie­rungen vertrauen, die versprechen, sich wirt­schaft­li­chen Ab­schwün­gen mit mehr Aus­ga­ben ent­ge­genzu­stem­men? Die Entzauberung der Konjunkturpolitik in den vergangenen Jahrzehnten sollte Grund genug sein, diesen Zusammenhang eher schwach anzusetzen.

Die Au­to­ren se­hen ih­re Ana­ly­se als War­nung vor den Ge­fah­ren ei­ner un­kon­trol­lier­ten pri­va­ten Ver­schul­dung, weil die­se letzt­lich zur höheren öf­fent­li­chen Ver­schul­dung führe. Im­pli­zit ver­bin­det sich da­mit der Wunsch nach ei­ner Kon­trol­le der pri­va­ten Ver­schul­dung. Das ist ein sehr weit­rei­chen­der Schluss. Stei­gen­de öf­fent­li­che De­fi­zi­te und ei­ne hö­he­re Staats­schuld kön­nen da­zu füh­ren, dass pri­va­te Kre­dit­nach­fra­ge ver­drängt und die Wirt­schaft so be­las­tet wird. Dann wä­re das ver­meint­li­che Ge­gen­mit­tel ge­gen die Kri­se der Grund für die Wirt­schafts­schwä­che. Die­se Kau­sa­li­tät schlie­ßen die drei Öko­no­men nicht end­gül­tig aus. Die Warnung vor einer unkontrollierten öffentlichen Schuld könnte so wichtiger sein als eine Warnung vor scheinbar zu hohen privaten Schulden.

Die andere Form des Herauspaukens, der gesamtwirtschaftliche Tausch pri­va­ter in öffentliche Schuld, ist darüber hinaus nicht von Gott gegeben. Sie ist das Ergebnis des be­wuss­ten Ver­suchs von Re­gie­run­gen, kon­junk­tur­po­li­tisch die ge­samt­wirt­schaft­li­che Ent­wick­lung zu sta­bi­li­sie­ren. Tra­gen die­se Be­mü­hun­gen über ei­ne stei­gen­de Staats­schuld zur De­sta­bi­li­sie­rung bei, ist die­se Po­li­tik in Fra­ge zu stel­len und nicht die scheinbar unkontrollierte pri­va­te Kre­dit­auf­nah­me.

Sam­ba Mbaye, Ma­ri­aluz Mo­re­no Ba­dia und Kyun­g­la Chae: Bai­ling Out the Peop­le? When Pri­va­te Debt Be­co­mes Pu­blic. IMF Working Pa­per, Nr. 18/141, Ju­ni 2018.

 

Dies ist eine leicht ergänzte Fassung des „Sonntagsökonoms”, der am 12. August in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erschien.

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4 Lesermeinungen

  1. achne sagt:

    Wer wird denn hier bitte herausgepaukt ?
    Ausser den Banken ? Wenn die Bürger aus eigenem Antrieb und mit eigenem Geld ihr Schuldenniveau senken, den Konsum einschränken und der Staat dan antizylisch auf Basis von Schulden die staatliche Nachfrage erhöht hat das mit rauspauken garnichts zu tun.

    Wenn der Staat den Banken direkt beispringt weil deren firnisdicke Eigenkapitaldecke nicht für die faulen Assets reicht und die Schulden der Banken in seine Bücher nimmt und dem Steuerzahler aufbrummt ist das die Definition von herauspauken.

    Wem nutzt diese haltlose Darstellung ? Genau den Banken.

    Glaubt der Autor ernsthaft ein nach jahrelangem Gerangel um 5 Euro pro Monat erhöhtes Hartz IV Niveau rettet private Haushalte, schiebt den Konsum oder hat überhaupt irgendeinen nennenswerten volkswirschaftlichen Effekt ? Verglichen mit den Milliardenbeträgen die zur Rettung der Banken eingesetzt wurden und über Bad Banks heute noch klamheimlich eingesetzt werden ?

    Abgesehen davon gibt es bei einer Korrelation um die es sich hier bestenfals handelt, mehr als einen Erklärungsansatz aber jeder sucht halt den für ihn opportunen raus.

  2. Urs.Fischer sagt:

    Hervorragender Artikel
    ich fürchte aber, dass kaum ein Leser seine Schuld an diesem Unsinn eingestehen wird. Von daher wird wohl die öffentliche Schuld weiter steigen, auch wenn es kurzfristig anders aussehen mag. Aber wenn die Bundesbank ihre wertlosen Forderungen mal abschreiben wird. sehen wir es spätestens.

  3. borgelt sagt:

    Die Rettung ist der Fehler.
    Genau in der Rettung der Banken besteht der Kernfehler, wie schon Ludwig von Mises 1928 in “Geldwertstabilisierung und Konjunkturpolitik” deutlich herausstellte:

    “Jedenfalls aber hat die Übung, zugunsten der durch die Krise notleidend gewordenen Banken und ihrer Kunden zu intervenieren, den Erfolg, daß sie die Kraft ausschaltet, die aus der Wirtschaft heraus gegen die Wiederkehr der Überspannung eines neuen Aufschwungs und der sie notwendig abschließenden Krise wirken kann. Wenn die Banken aus der Krise unversehrt oder nur wenig beschädigt hervorkommen, was soll sie dann abhalten, wieder den Versuch zu beginnen, den Zirkulationskredit zu erweitern und den Leihsatz künstlich zu drücken? Würde man die Krise rücksichtslos ihr Werk der Vernichtung der zahlungsunfähig gewordenen Unternehmungen vollbringen lassen, dann würden in Hinkunft alle Unternehmer mehr Zurückhaltung walten lassen; nicht nur die Banken in der Kreditgewährung, sondern auch die übrigen Geschäftsleute in der Inanspruchnahme von Kredit. Statt dessen billigt die öffentliche Meinung die Hilfe in der Krise, und ermuntert, kaum daß das Ärgste überwunden ist, die Banken zu neuer Expansion des Zirkulationskredits.”

  4. FrankieB sagt:

    Es sind schon die Banken resp. Sparer
    Bei der Finanzkrise gings schon in erster Linie um das Herauspauken der Banken, und nicht so sehr um die “Übernahme” irgendwelcher oninöser privater Schulden durch den öffentlichen Sektor, wie dieser Artikel jetzt unbedingt glauben machen will. Und eigentlich gings auch nicht so sehr um die Banken, sondern um den Schutz der Einlagen der Sparer, die als Gläubiger der Banken fungieren, was den meisten unschuldigen Sparern gar nicht so klar ist. Natürlich greift da die Politik ein, denn bei drohenden Verlust von Spareionlagen würde auch der an sich bequeme und revolutions-ungeneigte Bürger ausgesprochen ungemütlich reagieren.

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