Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Gerechte Frauenförderung ist kniffelig

Mehr Frauen in Führungspositionen, das wollen viele Unternehmen. Die Europäische Zentralbank hat untersucht, wie gut das funktioniert. Es zeigt sich: Was da passiert, können Männer ungerecht finden – und Frauen auch.

Foto: dpa

Mehr Frauen in Führungspositionen – so eine Agenda gibt es inzwischen in ziemlich vielen Unternehmen. Oft führt das aber zu Unfrieden im Betrieb: Die Männer glauben, dass das Unternehmen das ernst meint – also ärgern sie sich darüber, dass sie benachteiligt würden. Die Frauen glauben nicht, dass das Unternehmen das ernst meint – also ärgern sie sich ebenfalls darüber, dass sie benachteiligt würden. Jetzt gibt es Daten darüber, was Frauenförderung bewirkt. Die sind anders als gedacht – und sie können zu neuem Unfrieden führen.

Es war die Europäische Zentralbank EZB, die in einer Studie die Erfolge ihrer eigenen Frauenförderung untersucht hat. Als Arbeitgeber zwischen öffentlichem Dienst und Banken ist die EZB vielleicht nicht der schlechteste Betrieb, den man untersuchen kann. Zudem fallen die Entscheidungen über Beförderungen dort nach einem sehr klaren Verfahren, darum gibt es ausreichend Daten über diese Entscheidungen.

Die Ausgangslage war bei der EZB wie in vielen Betrieben: Männer wurden eher als Frauen auf die nächste Führungsebene befördert. Zwar wurden kinderlose Frauen wurden ebenso häufig befördert wie kinderlose Männer, Mütter aber deutlich seltener als Väter. Hatten die Mütter weniger Interesse an den Führungspositionen? Oder wurden sie diskriminert? Das lässt sich heute schwer nachvollziehen. Jedenfalls war das eine Situation, die Frauen ungerecht finden konnten.

Frauen bewerben sich seltener

2010 aber führte die EZB ein neues Programm zur Frauenförderung ein, und seit 2012 gibt es umfangreiche Daten über Bewerbungen und Beförderungen. Dabei wird vollkommen klar: Frauen bewerben sich selbst nach der Einführung des Programms seltener um Führungspositionen als Männer.

Trotzdem bekommen Frauen inzwischen ebenso wahrscheinlich Beförderungen wie Männer. Ein Drittel der neuen Chefs sind Frauen – das entspricht ungefähr dem Frauenanteil in der EZB. Das bedeutet aber auch: Wenn eine Frau sich erst mal bewirbt, hat sie mehr als doppelt so große Chancen auf den Zuschlag wie ein Mann. Von allen Bewerbern werden 5,8 Prozent der Männer befördert, aber 12,1 Prozent der Frauen. Das wiederum können Männer ungerecht finden.

Alles nur Quotenfrauen?

Sind das alles nur Quotenfrauen? Nein, sagen die Autoren der Studie. Im Gegenteil: Frauen würden sich – anders als Männer – nur dann bewerben, wenn sie sich ganz sicher seien, dass sie die neue Stelle auch erfüllen können. Auch in anderem Zusammenhang wurde gerade deutlich, dass Frauen sich eher auf Stellen unter ihrer Qualifikation bewerben als Männer. Die Studienautoren der EZB haben ausgewertet, wie sich die Gehälter der neuen Chefs in den Jahren nach ihrer Beförderung entwickeln. Die Gehälter von Frauen steigen schneller als die von Männern. Daraus ziehen die Autoren den Schluss, dass die Frauen auf den Chefpositionen immer noch besser seien als die Männer. Wenn das der Fall wäre, könnten sich Frauen immer noch benachteiligt fühlen.

Könnten aber die hohen Gehälter der Chefinnen nicht einfach Folge der Frauenförderung sein? Nein, sagen die Studienautoren. Schließlich seien die Gehälter der Chefinnen vor der Reform noch schneller gestiegen als nachher, die Reform könne die Gehälter also nicht erhöht haben. Dieser Schluss der Autoren ist mathematisch nicht zwingend, schließlich könnte die Frauenförderung in der EZB generell zu hohen Gehältern für Chefinnen führen, der Effekt aber von neuen, schlecht qualifizierten Frauen verwässert werden. *)

Insgesamt aber zeigen die Daten der EZB, dass Leistung auch nach Einführung ihres Diversity-Programms offenbar einen deutlichen Einfluss auf die Beförderungen hat: Wer vor seiner Bewerbung einen hohen Bonus bekommen hat, erhält eher den Zuschlag, auch wer wer vorher zu den Top-Gehaltsbeziehern seiner Stufe gehört hat, selbst die Teilnahme an Mentorenprogrammen – alles wirkt sich positiv auf die Beförderungschancen aus. Zumindest für die Frauen.

Werden Männer noch nach Leistung befördert? Die EZB schweigt

Ob das auch für die Männer gilt, ist fraglich. Solange Frauen sich seltener bewerben, bleibt für die Männer ein großes Zufallselement: Auch ein schlechter Mann mag befördert werden, wenn sich keine Frau findet. Ein guter Mann dagegen mag erleben, dass seine Chance von einer Frau zunichte gemacht wird.

Dann könnten Männer durchaus das Gefühl bekommen, dass es in ihren Beförderungen nicht immer um Leistung geht, sondern darum, ob zufällig eine Frau im Rennen ist. Das wäre eine neue Ungerechtigkeit. Manche Zahl in der Studie wirft die Frage auf, ob das so sein könnte. Eine Antwort ließe sich mit den Daten der EZB geben, die Studienautoren allerdings halten diese Auswertungen unter Verschluss.

Am Schluss bleiben Ungerechtigkeiten, egal wie man’s macht: Wenn die Hälfte der neuen Chefs Frauen sein sollen, müssen Frauen bevorzugt werden. Wenn dagegen Männer und Frauen auf ihre Bewerbungen gleiche Erfolgschancen haben sollen, gibt es zu wenig weibliche Chefs. Aus diesem Dilemma käme man nur heraus, wenn zwischen Männern und Frauen alles gleich wäre: Gleich viele Männer wie Frauen in der EZB, gleich viele Bewerbungen und gleich hohe Beförderungswahrscheinlichkeiten. Aber passt das zu einer freiheitlichen Welt, in der unterschiedliche Leute unterschiedliche Lebensentwürfe haben dürfen?


 

Das Blog:

 

 

Der Autor:


 

Patrick Bernau

 


*) In ganz anderem Kontext gibt es eine ähnliche Auswertung: David Card, Stefano DellaVigna, Patricia Funk und Nagore Iriberri haben untersucht, wer bei Veröffentlichungen in ökonomischen Fachzeitschriften bevorzugt wird. Das Ergebnis: Studien von Männern und Frauen haben die gleiche Wahrscheinlichkeit, angenommen zu werden – die Studien von Frauen werden hinterher aber 25 Prozent häufiger zitiert. zurück