Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Überschätzen sich Zentralbanken?

Eine Studie über mögliche Interessenkonflikte von Zentralbankökonomen sorgt für Diskussionen.

 
Der Befund scheint eindeutig: Ökonomische Untersuchungen aus Zentralbanken bescheinigen Anleihekäufen größere positive Wirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die Inflationsrate als Untersuchungen von Ökonomen, die nicht für Zentralbanken arbeiten. Zu diesem Ergebnis gelangt eine gerade veröffentlichte und schon kontrovers diskutierte Studie aus der Feder von vier Ökonomen, die zuerst vom Becker Friedman Institute in Chicago veröffentlicht wurde und nun die Runde macht.
 
Sie basiert auf der Analyse von 54 Untersuchungen von Anleihekaufprogrammen in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien und in der Europäischen Währungsunion. Und die Ergebnisse sind deutlich (Die Abkürzung QE steht für Quantitative Easing, sprich für Ankaufprogramme):
 
“We find that central bank papers report systematically larger effects of QE on both output and inflation. Central bank papers are also more likely to report QE effects on output that are significant, both statistically and economically. For example, while all of the central bank papers report a statistically significant QE effect on output, only half of the academic papers do…  In addition, central bank papers use more favorable language in their abstracts: they use more positive adjectives and, to a lesser extent, fewer negative adjectives compared to academic papers. Overall, central bank papers find QE to be more effective than academic papers do.”
 
Wir haben in FAZIT und in der F.A.Z. seit vielen Jahren die These vertreten, dass die ökonomischen Effekte von Anleihekaufprogrammen von Befürwortern wie Gegnern teils drastisch überschätzt werden. In einem reinen marktwirtschaftlichen Modell lässt sich unter zugegeben strengen Annahmen zeigen, dass solche Anleihekäufe gar keine Wirkung haben. Tatsächliche Wirkungen in der Realität müssen sich durch Abweichungen von den strengen Annahmen begründen lassen. Wie solche Abweichungen aussehen, haben wir mehrfach diskutiert, zum Beispiel hier. Über die unterschiedlichen Einschätzungen der Wirkung des EZB-Programms haben wir hier berichtet.
 
Deswegen hatten wir nie viel Vertrauen in behauptete erhebliche positive Wirkungen von Anleihekäufen. Mit der gleichen Logik haben wir aber auch niemals die Ansicht von Kritikern geteilt, Anleihekäufe besäßen zwingend dramatische negative Begleiteffekte. Die positiven wie die negativen Wirkungen sind begrenzt, wobei viel dafür spricht, dass die positiven Wirkungen im Zeitablauf nachlassen und die negativen Nebenwirkungen im Zeitlauf wahrscheinlich zunehmen. Wir haben aber gerade in Krisen Anleihekaufprogramme immer als ein legitimes geldpolitisches Instrument betrachtet.
 
Dynamit enthält die jetzt in Chicago veröffentlichte Studie nicht allein durch ihre Ergebnisse. Sondern durch die naheliegende Anschlussfrage: Warum fallen die Einschätzungen der Wirkungen von Anleihekäufen durch Ökonomen in Zentralbanken besser aus als durch Ökonomen an Universitäten?
 
Nachweisbar nimmt in vielen Zentralbanken das Management zumindest gelegentlich Einfluss nicht nur auf von ihren Ökonomen behandelte Themen, sondern auch auf konkrete Arbeiten. Häufig bedürfen Untersuchungen von Ökonomen vor ihrer Veröffentlichung der Zustimmung mindestens durch den Leiter der Forschungsabteilung, nicht ganz selten aber auch durch das Management der Zentralbank. Der auf vielen Arbeitspapieren befindliche Hinweis, die Ergebnisse deckten sich nicht zwingend mit den Ansichten der Zentralbank, erzeugt einen Eindruck völliger Unabhängigkeit, der nicht immer gegeben sein mag.
 
Man sollte aber nicht in das andere Extrem fallen und Zentralbankökonomen grundsätzlich als hilflose Befehlsempfänger ihrer Chefs betrachten. Auf Twitter reagierten angesehene Ökonomen aus amerikanischen regionalen Zentralbanken mit der glaubwürdigen Versicherung, sie sähen sich keinem Druck ausgesetzt.
 
Andererseits ist Druck wohl auch nicht zwingend notwendig: In wohl jeder Institution haben Mitarbeiter Anreize, sich auf eine Weise zu verhalten, die den Interessen ihrer Institution eher nützt als schadet. Ein Ökonom, der die von seiner Zentralbank betriebene Geldpolitik für grundfalsch erklärt, dürfte schlechtere Karrierechancen besitzen als ein Ökonom, der die Geldpolitik seiner Institution für richtig erklärt.
 
Ein Aspekt, der zusätzliche Untersuchungen verdiente, ist die Frage nach dem Einfluss von Zentralbanken auf die akademische Forschung auf dem Gebiet der Geldpolitik. Denn stärker als in anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik betätigen sich Zentralbanken als Veranstalter oder Mitveranstalter von Konferenzen auf ihrem Fachgebiet, zu denen auch akademische Ökonomen eingeladen werden.
 
Zentralbanken unterstützen zudem finanziell manche Konferenzen und Projekte, auch wenn sie nicht offiziell Organisatoren sind. Der Ökonom John Cochrane hat vorgeschlagen, Präsidenten von Zentralbanken sollten zu Sitzungen einen “Advokaten des Teufels” einladen, der sie mit alternativen Sichtweisen konfrontiert.