Dynamit enthält die jetzt in Chicago veröffentlichte Studie nicht allein durch ihre Ergebnisse. Sondern durch die naheliegende Anschlussfrage: Warum fallen die Einschätzungen der Wirkungen von Anleihekäufen durch Ökonomen in Zentralbanken besser aus als durch Ökonomen an Universitäten?
Nachweisbar nimmt in vielen Zentralbanken das Management zumindest gelegentlich Einfluss nicht nur auf von ihren Ökonomen behandelte Themen, sondern auch auf konkrete Arbeiten. Häufig bedürfen Untersuchungen von Ökonomen vor ihrer Veröffentlichung der Zustimmung mindestens durch den Leiter der Forschungsabteilung, nicht ganz selten aber auch durch das Management der Zentralbank. Der auf vielen Arbeitspapieren befindliche Hinweis, die Ergebnisse deckten sich nicht zwingend mit den Ansichten der Zentralbank, erzeugt einen Eindruck völliger Unabhängigkeit, der nicht immer gegeben sein mag.
Man sollte aber nicht in das andere Extrem fallen und Zentralbankökonomen grundsätzlich als hilflose Befehlsempfänger ihrer Chefs betrachten. Auf Twitter reagierten angesehene Ökonomen aus amerikanischen regionalen Zentralbanken mit der glaubwürdigen Versicherung, sie sähen sich keinem Druck ausgesetzt.
Andererseits ist Druck wohl auch nicht zwingend notwendig: In wohl jeder Institution haben Mitarbeiter Anreize, sich auf eine Weise zu verhalten, die den Interessen ihrer Institution eher nützt als schadet. Ein Ökonom, der die von seiner Zentralbank betriebene Geldpolitik für grundfalsch erklärt, dürfte schlechtere Karrierechancen besitzen als ein Ökonom, der die Geldpolitik seiner Institution für richtig erklärt.
Ein Aspekt, der zusätzliche Untersuchungen verdiente, ist die Frage nach dem Einfluss von Zentralbanken auf die akademische Forschung auf dem Gebiet der Geldpolitik. Denn stärker als in anderen Bereichen der Wirtschaftspolitik betätigen sich Zentralbanken als Veranstalter oder Mitveranstalter von Konferenzen auf ihrem Fachgebiet, zu denen auch akademische Ökonomen eingeladen werden.
Zentralbanken unterstützen zudem finanziell manche Konferenzen und Projekte, auch wenn sie nicht offiziell Organisatoren sind. Der Ökonom John Cochrane hat vorgeschlagen, Präsidenten von Zentralbanken sollten zu Sitzungen einen “Advokaten des Teufels” einladen, der sie mit alternativen Sichtweisen konfrontiert.
Zentralbanken und Peripheriestaaten
Die Geschwindigkeit, mit der Draghis Appell, das öffentliche Defizit zu erhöhen, von der Europäischen Zentralbank akzeptiert wurde, zeigt die Schwere der gegenwärtigen Situation. Der interessanteste Aspekt ist, dass die überwiegende Mehrheit der finanziellen Vermögenswerte von einer sehr begrenzten Anzahl von HNWIs gehalten wird, die neben Aktien und Anleihen mindestens 20% ihres Vermögens als Bargeld halten. Dies bedeutet, dass sie Vertrauen in die Bilanzen der Zentralbanken haben, die auch die Anleihen der wirtschaftlich ärmeren Staaten sowohl in der Eurozone als auch in den Vereinigten Staaten enthalten. Die einzige Garantie für liquide Mittel besteht in der Tat in den Vermögenswerten der Zentralbankbilanzen.
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@RPflanz
Das Vertrauen in die Währung ist nicht so wichtig, weil alle Zentralbanken um eine schwache Währung wetteifern. Fatal ist aber die Auswirkung auf das, was Gabor Steingart mal den glühenden heißen Kern der Volkswirtschaft nannte – die Industrie und ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik lockt die Akteure mit ihren Subventionen in die falsche Ecke das Marktes, wo diese dann sang- und klanglos untergehen. So geschehen bei der deutschen Windrad- und Photovoltaik-Industrie. So wird viel Energie und Geld verbrannt. Die Energiepolitik führt uns in eine Ära, in welcher die Energieerzeugung mehr Energieeinsatz erfordert, als sie Energie produziert. Das aber ist der Tod jeder Volkswirtschaft.
Man kann Jahrzehnte gegen jede Logik operieren, ohne dass es in der
öffentlichen Meinung ihren Niederschlag findet. Das Problem ist nur, dass es das gesamte System destabilisiert, da es sich auf die nächst höhere Ebene verlagert. Dieser Prozess lässt sich in der Eurozone sehr gut beobachten. Die schlimmste Wirtschaftskrise seit 80 Jahren wird nun wenige Jahre später von einer noch größeren Krise übertroffen. Es werden immer weitere Folgen und die Überschuldung auf allen Ebenen zunehmen.
Die Wirkungen der expansiven Geldpolitik werden überschätzt?
Das gilt möglicherweise für die kurzfristige Betrachtung, vor allem hinsichtlich der Inflation wie sie in unserem offiziellen Warenkorb beobachtet wird. Das hat vermutlich viel mit einem funktionierendem Wettbewerb der Handelsketten, einer produktiven Industrie und den preiswerten Importen aus China zu tun. Zur näheren Erklärung der Wirkungen mag I. Fishers Verkehrsgleichung oder Identität dienen: Handelsvolumen x Preisniveau = Geldmenge x Umlaufgeschwindigkeit. Sie wurde im Laufe der Zeit verändert man setzte Y das Sozialprodukt für das Handelsvolumen ein und so waren die Bestandswerte außerhalb der Betrachtung. Die Antizipation der Wirkungen der Geldmengenexpansion breiter (kaufkräftiger) Schichten und Investoren führte zu einer leisen Flucht in die als beständig vermutete Sachwerte: Immobilien, Werterhaltung der Immobilien, Oldtimer, Kunstgegenstände letztlich auch Gold. In der Inflation dieser Preise steckt ein Teil des Preisniveau Anstieges. Ein weiterer Teil wurde vermutlich durch die Reduzierung der schwer zu messenden Umlaufgeschwindigkeit aufgefangen, sichtbar in den hohen Summen, die auf Konten ruhen. Die beabsichtigte Hauptwirkung der QE Programme ist doch einige Südländer, die an privaten Märkten kein Geld mehr aufnehmen könnten, nicht in die Insolvenz gehen zu lassen. Dieser Prozess läuft nun unumkehrbar über Jahre und die Anleihenkäufe nehmen mit unterschiedlichen Begründungen wieder zu und ein Ende ist nicht absehbar. Die m. E. gefährlichste Wirkung ist die Erosion des Vertrauens in den Geldwert, dessen Anzeichen sich an den Preissteigerungen für Bestandswerte beobachten lassen, sich aber in den Devisenkursen, wie es früher einmal war, nicht besonders auffällig widerspiegeln. Das liegt daran, dass andere Währungsräume ähnlich unterwegs sind wie die EZB. Das macht es auf Dauer aber nicht wirklich besser – es macht die Vorgänge nur intransparenter.
Sie schreiben: “Die beabsichtigte Hauptwirkung der QE Programme ist doch einige Südländer, die an privaten Märkten kein Geld mehr aufnehmen könnten, nicht in die Insolvenz gehen zu lassen.”
Die Studie befasst sich mit Anleihekaufprogrammen in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Kontinentaleuropa, wobei die Amerikaner und Briten mehrere Jahre vor der EZB angefangen haben. Welche “Südländer” haben die Fed und die Bank of England unterstützt? Und wenn die Fed und die Bank of England andere Motive hatten – kann es sein, dass auch die EZB andere Motive hatten als Sie glauben?
Gruß
gb
Natürlich hat weder die Fed noch die britische Zentralbank die Südländer unterstützt
Hallo Herr Braunberger,
ich bezog mich nur auf den EU Währungsraum, der ja auch untersucht wurde. Natürlich haben die angelsächsischen Programme nichts mit der Stützung der Südländer zu tun, bei ihnen wirken die Programme aber ähnlich, eben nachweislich auch auf die eigene Staatsverschuldung, die durch die euphemistischen QE-Programme leichter zu tragen ist. Die anderen Wirkungen wie die Ankurbelung der Konjunktur durch niedrige Zinsen wurde von den Zentralbanken wie man vor allem in Japan sieht in der Kommunikation nach außen (bewusst?) überschätzt. Die schuldenfinanzierte Fiskalpolitik der Staaten wirkt aber direkt auf die Konjunktur, dafür benötigt man aber niedrige Zinsen, um nicht vom Schuldendienst erdrückt zu werden. Natürlich kann es sein, dass die EZB andere Motive verfolgt – aber (zugegeben) meine Vermutung erhält doch gerade durch die Studien Rückenwind: Die positiven Effekte auf die Ökonomie lassen sich wie sie in ihren Beiträgen ebenso feststellten kaum messen, aber messbar ist doch die Wirkung, dass der Schuldendienst der Staaten erträglich gemacht wird. Die Nebenwirkungen einer nicht autorisierten Vermögensumverteilung und das Aufstauen eines Geldmengenpotentials welches als Fernwirkung die Wahrscheinlichkeit signifikant erhöht, sich in eine galoppierende Inflation verwandeln könnte, kommunizieren die Zentralbanken nicht. Die EZB bekämpft eigenen Angaben zufolge lieber das Gespenst der Deflation und das zeigt mir als Freiburger Volkswirt, der ungefähr zur selben Zeit wie Sie an der Universität VWL studierte, dass hier zumindest nicht mit offenen Karten gespielt wird.
V.G.
Gesetze kann man ändern
@Gerald Braunberger
Die Kollusion zwischen Politik und Zentralbanken wird durch ein Gesetz ermöglicht, welches den Zentralbanken den Status der Unabhängigkeit verleiht. Dieses Gesetz verursacht Unrecht und sollte geändert werden.
Die Zentralbanken machen der Öffentlichkeit ein X für ein U vor
Die Zentralbanken tun nicht das, was sie zu tun vorgeben. Sie kümmern sich nicht um die Inflationsrate und Vollbeschäftigung ist ihnen egal. Ebenso egal sind ihnen Vermögensverluste der Bürger und kollabierende Renten. Wofür stehen die Zentralbanken dann? Für die eigentliche verbotene Staatsfinanzierung und für die Stabilisierung des internationalen Bankensystems. Meiner Meinung nach sind Zentralbanken ein Stellvertreter für die Politik. Sie gelten als unabhängig und unterliegen offiziell keiner staatlichen Einflussnahme. Zudem unterliegen sie keiner Haftung. Tatsächlich aber besorgen sie das Geschäft der Politiker, indem sie diese grenzenlos mit Geld zu Nullzinsen versorgen. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken und den Staaten halte ich für unrechtmäßig. Leider ist das Bundesverfassungsgericht nicht bereit diese Machenschaften zu stoppen. Die Politik sollte die Verantwortung für die Aktionen der EZB übernehmen, damit die Bürger wenigstens jemand haben, den sie abwählen können.
Wie soll die Politik die Verantwortung für die Geldpolitik übernehmen, wenn die Zentralbank per Gesetz unabhängig agiert?
Gruß gb
Japans Bilanz nach 30 Jahren Niedrigzins: Staatsschulden bei 237% des BIP // Nikkei -40 % seit 1989
1989 notierte Japans Leitindex bei 38.957 Punkten, von denen selbst vor Corona nur noch rund 60 % übrig waren.
Dies, obwohl Japan im jahrzehntelangen Nikkei-Tiefflug hohe Handelsbilanzüberschüsse und Devisenreserven erwirtschaftete. Auch kollabierten in den USA industrielle Konkurrenten Japans (wie GM und Kodak).
Wenn etwas beständig war in diesen Jahrzehnten, dann das legendär niedrige Yen-Zinsniveau. Doch all diese “Idealbedingungen” vermochten nicht, den Nikkei vor seinem Dauertiefflug zu bewahren.
Mittlerweile werden im Westen die Probleme und Fehlkonzepte Japans kopiert: Banken, deren Bilanzen massive Problemblasen bergen, werden durch Subventionen optisch stabilisiert ( Japans Staatsfinanzen haben sich vom Interventionismus nie wieder erholt. Der Schuldenstand liegt mittlerweile bei 237 % des BIP ).
Während die EZB bisher vor allem am Anleihemarkt Kurskulissen baut (bei immer geringeren Anforderungen an die Schuldnerqualität) muss Japans Notenbank mittlerweile auch den Aktienmarkt mit ausufernden Kaufprogrammen stützen.
Der notwendige Ausleseprozess einer echten Marktwirtschaft wird von den Notenbanken konsequent außer Kraft gesetzt.
Vorreiter Japan: Das Ende der realen Märkte ... per Niedrigzins in die Planwirtschaft
Finanzen100.de vom 12.04.2018, Zitat:
“Früher haben sich die Kurse von Anleihen und Aktien am Markt gebildet. Davon kann in Japan schon längst keine Rede mehr sein …
Zuletzt ist die Bilanzsumme der japanischen Notenbank auf den Rekord von 528,52 Billionen Yen explodiert. Das sind horrende 97 % der jährlichen Wirtschaftsleistung …
Inzwischen besitzt die Notenbank rund 45 % aller japanischen Anleihen … Ziel der Maßnahme: die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen bei null Prozent halten. Bei Staatsschulden von horrenden 250 % der jährlichen Wirtschaftsleistung …
((Notenbankchef)) Kuroda genügt es aber schon längst nicht mehr, nur die Entwicklung am Anleihenmarkt zu bestimmen. Vielmehr tut er auch alles in seiner Macht stehende, um den Aktienmarkt nach oben zu treiben …
Nach den massiven ETF-Käufen der vergangenen Jahre besitzt die Notenbank inzwischen 77 Prozent sämtlicher ETFs auf den Topix und dominiert den Aktienmarkt damit eindeutig.”
(Zitat Ende)
Corporate Identity
In Zentralbanken, wie auch in anderen Institutionen, gibt es bestimmte “beliefs”, bestimmte Grundmuster des Denkens, die zum einen eine Koordinationsaufgabe für die interne Arbeit erfüllen und zum andern eine “homogene” Außendarstellung ermöglichen (vgl. Winkler: Which Kind of Transparency? ECB Working Paper 26, 2000). Das hat produktivitätsfördernde, aber auch erkenntnishemmende Wirkungen. In den 2000er Jahren war z.B. die Erwähnung des “Realzinseffektes” innerhalb des Hauses verpönt. Er besagt, dass bei uniformem Nominalzins in der Eurozone die national unterschiedlichen Inflationsraten eben auch national verschiedene Realzinsen erzeugen. Brisant dabei war, dass gerade in Ländern mit hoher Inflation der Realzins niedrig war, insgesamt ein gefährlich destabilisierender Effekt. Dieser Mechanismus wurde stets heruntergespielt – kein Wunder, denn die Anerkennung dieses Problems hätte das Eingeständnis bedeutet, dass die EZB die Entwicklung in der Eurozone eben nicht kontrollieren konnte. Die Mitarbeiter des Hauses hatten sich an die Direktive zu halten und das hat mit dazu beigetragen, dass die steigenden Leistungsbilanzsalden in der öffentlichen und wissenschaftlichen Debatte verharmlost wurden – bis es dann zu spät war.
Bei der Beurteilung der Effekte von QE spielt dergleiche Mechanismus. Natürlich hat eine Notenbank ein Interesse daran, ihre Maßnahmen als wirkungsvoll darzustellen. Und die internen Mechanismen der Meinungssteuerung sorgen für die gewünschten Berichte. Das muss nicht heißen, dass innerhalb des Hauses Fakten und Meinungen unterdrückt werden. Es ist nur so, dass die Papiere, die der Linie der Leitung entsprechen, sich leichter durchsetzen. Und die interne Diskussion unter den Mitarbeitern sorgt vielleicht auch dafür, dass die Mehrheit ebenfalls an diese Linie glaubt, zumal sich im Gebiet der Ökonometrie unter Verwendung verschiedenster Annahmen und Techniken stets mehrere Ergebnissee “gut begründen” lassen.
Also: Die Arbeit der vier Ökonomen ist alles andere als überraschend.