Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Hurra, hurra, das Goldene Kreuz ist da! Am Aktienmarkt stehen die Zeichen weiter auf Hausse!

| 10 Lesermeinungen

Die Aktienkurse in Deutschland werden weiter steigen, sagt ein alter Indikator aus der technischen Analyse. Von Gerald Braunberger

Von Gerald Braunberger

Die Zeichen am deutschen Aktienmarkt stehen auf Hausse, wenn man einem alten Indikator aus der technischen Analyse glaubt: Sowohl im 100 deutsche Werte umfassenden F.A.Z.-Index als auch im aus 30 Werten gebildeten Dax bildet sich gerade ein “Goldenes Kreuz” heraus. Es ist dadurch gekennzeichnet, dass die 50-Tage-Linie die 200-Tage-Linie von unten schneidet. Die entgegengesetzte Formation heißt “Todeskreuz” und gilt als ein Baissesignal: Hier schneidet die 50-Tage-Linie die 200-Tage-Linie von oben. Die 50-Tage-Linie beschreibt für jeden Handelstag den Durchschnittskurs der vergangenen 50 Handelstage; die 200-Tage-Linie beschreibt für jeden Handelstag den Durchschnittskurs der vergangenen 200 Handelstage. Diese sogenannten “gleitenden Durchschnitte” (“moving averages”) gehören zu den ältesten Indikatoren in der technischen Analyse und werden von manchen modernen “Technikern” als etwas altbacken angesehen.

Bild zu: Hurra, hurra, das Goldene Kreuz ist da! Am Aktienmarkt stehen die Zeichen weiter auf Hausse!

Eine Analyse seit Anfang 1999 – der Zeitraum ist so gewählt, dass mehrere Beobachtungen vorliegen – zeigt, dass diese Indikatoren nicht perfekt, aber auch nicht schlecht gewesen sind. Wer damals beim Stand von 1474 Punkten breit in den deutschen Aktienmarkt investierte und seine Aktien einfach hielt, hat nicht sehr viel gewonnen: Der F.A.Z.-Index liegt heute nur knapp 5 Prozent höher. Hinzu kommen immerhin noch die Dividendenerträge seit 1999, die der Index nicht abbildet.

Wer bei einem „Goldenen Kreuz” in den Aktienmarkt eingestiegen ist und ihn bei einem „Todeskreuz” verlassen hat, war seit Anfang 1999 nur knapp 7 Jahre lang am deutschen Aktienmarkt investiert. Er hätte also einen Teil der Dividenden seit 1999 vereinnahmt und in der Zeit, in der er nicht am Aktienmarkt investiert war, sein Geld zinsbringend anlegen können. Wie aber hat der Anleger während der knapp 7 Jahre abgeschnitten, in denen er deutsche Aktien hielt?

Ein erstes „Goldenes Kreuz” bildete sich im April 1999. Wer damals kaufte, erlebte die Schlussphase der „New-Economy-Blase” und den Beginn der Baisse mit, ehe im März 2000 ein „Todeskreuz” ein Verkaufssignal lieferte. Hier entstand ein Kursgewinn von gut 30 Prozent. Ende März 2002 lieferte ein neues „Goldenes Kreuz” dann ein Fehlsignal. Wer damals kaufte und beim nächsten „Todeskreuz”, das sich schon kurze Zeit im Juni 2002 einstellte, ausstieg, erlitt einen Verlust von rund 18 Prozent.

Besser verliefen die nachfolgenden Anlageperioden von Juni 2003 bis April 2004 (rund 12 Prozent Kursgewinn) und von November 2004 bis Juli 2006 (rund 30 Prozent Kursgewinn). Das nächste „Goldene Kreuz” lockte schon im Oktober 2006 zum Einstieg. In der Zeit bis zum „Todeskreuz” im Januar 2008, das kurz nach dem Ausbruch der großen Finanzkrise entstand, vereinnahmte der Anleger einen Kursgewinn von gut 20 Prozent. Weitere 12 Prozent ließen sich in der Hausse zwischen Juli 2009 und August 2011 verdienen.

Was bleibt? Wir haben in den vergangenen 13 Jahren sechs Zyklen mit “Goldenen Kreuzen” und “Todeskreuzen” gesehen – das ist für diesen relativ kurzen Zeitraum sehr häufig und ein Beleg für die sehr unruhigen Zeiten, die der Aktienmarkt seitdem erlebt hat. In fünf dieser sechs Fälle stiegen die Kurse im Anschluss an ein “Goldenes Kreuz”, wenn auch nicht immer unmittelbar, sondern gelegentlich mit einer Verzögerung von mehreren Wochen. Somit war eine an den „Kreuzen” orientierte Strategie für den genannten Zeitraum deutlich besser als ein einfaches „Kaufen und Halten” im Stile André Kostolanys.

Ein kurzer Blick in die Nachbarschaft: Im schweizerischen SMI-Index war schon Anfang Februar ein “Goldenes Kreuz” zu beobachten, ebenso im amerikanischen S&P-500. Im 50 Werte umfassenden Euro-Stoxx sowie im aus 100 Werten gebildeten F.A.Z.-Euro-Index zeichnen sich “Goldene Kreuze” für die nahe Zukunft ab. Der italienische MIB-Index und der spanische Ibex könnten in rund 4 Wochen folgen, der portugiesische PSI-Index aber erst in rund 2 Monaten – sofern es nicht zu radikalen Kursveränderungen in der nahen Zukunft kommt.

Im übrigen kann man diese eigentlich schon sehr einfache Anlagestrategie noch simplifizieren, indem man sich ausschließlich an der 200 Tage-Linie ausrichtet und nur kauft, wenn die 200-Tage-Linie den Kurschart von unten durchschneidet und konsequent verkauft, wenn die 200-Tage-Linie den Kurschart von oben schneidet. Bei dieser Strategie kauft man nie zum Tiefstkurs, so wie man auch nie zum Höchstkurs verkauft, aber man ist auch nie bei einer schweren Baisse bis zum Ende dabei. Es existieren Untersuchungen von Fondsmanagern, wonach man mit dieser simplen Strategie in den vergangenen Jahren am amerikanischen Aktienmarkt den S&P-500 geschlagen hätte. Ob es in der Zukunft auch wieder so sein wird? Die Antwort kennt nur der Wind.

Eine kürzere Fassung dieses Beitrags ist am 24. Februar 2012 im Finanzmarkt der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen.

Update 18. Mai 2012: Der Index liegt nach den Kurseinbußen der vergangenen Wochen nunmehr knapp unter seiner 200-Tage-Linie, die derzeit bei rund 1384 Punkten verläuft. Sollte sich der Index nicht bald wieder berappeln, wäre dies als ein charttechnisches Verkaufssignal zu deuten. Wir werden über den weiteren Gang der Dinge berichten.

 

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10 Lesermeinungen

  1. FAZ-gb sagt:

    @ don alphonso

    Der Chart...
    @ don alphonso
    Der Chart steht immer noch oberhalb seiner 200-Tage-Linie.
    Wo ist das Problem?
    Gruß
    gb.

  2. donalphonso sagt:

    Wo steht der FAZ-Index...
    Wo steht der FAZ-Index eigentlich heute? Wussten Sie schon, dass es auch ein weiteres Kreuz gibt, das nämlich mit den wenig geistreichen Hurrabrüllern in Börsenfragen?

  3. FAZ-gb sagt:

    Update 2. März: Die Rendite...
    Update 2. März: Die Rendite zweijähriger italienischer Staatsanleihen fällt seit einigen Tagen und hat heute ihren niedrigsten Stand seit Oktober 2010 erreicht.
    Im Umkehrschluss sind die Kurse dieser Anleihen sehr stark gestiegen. Ob Zufall oder nicht: Mitte Februar war im Kurschart ein Goldenes Kreuz zu sehen.
    Ebenfalls ganz interessant: Im Chart des CDS für fünfjährige italienische Staatsanleihen bildet sich gerade ein Todeskreuz heraus – sprich: Der CDS-Preis dürfte nach diesem Indikator noch weiter fallen.
    Gruß
    gb.

  4. FAZ-gb sagt:

    @ mawero

    Danke für die...
    @ mawero
    Danke für die interessanten Auführungen
    “Es erfolgte keine Verzinsung der Cashposition (ist auch heute noch in den USA bei unbekannter Laufzeit mit täglicher Verfügbarkeit schwieriger als in Deutschland).”
    Ich habe einmal vor längerer Zeit eine Modellrechnung aus den Vereinigten Staaten gesehen, die annahm, dass der Anleger sein Geld in einem Geldmarktfonds oder einem breit angelegten Anleihefonds von Vanguard parkt. Es ist offensichtlich, dass man durch solche Annahmen das Endergebnis nicht unwesentlich beeinflussen kann.
    Gruß
    gb.

  5. Mawero sagt:

    Zufall, oder ?
    Meine Analyse...

    Zufall, oder ?
    Meine Analyse des täglichen Indexstandes (Schlusskurs) des S&P 500 von 03.01.1950 bis 24.02.2012 führt zu einem differenzierten Ergebnis.
    Variante 1: Einmalanlage
    Es wurde am 03.01.1950 10.000$ zum Eröffnungskurs von 16,66$ in einen als existent vorausgesetzten S&P500 – Indexfonds investiert. Der Kapitalstand am 24.02.2012 (Schlusskurs 1.365,74) betrug 819.772$, woraus sich eine Kapitalverzinsung von (819.772 / 10.000 – 1) x 100 = 8.098 % ergibt.
    Variante 2: Rebalancing nach Chartanalyse
    Transaktions-, Depot-, Fondskosten, Steuern und Abgaben wurden nicht betrachtet. Es erfolgte keine Verzinsung der Cashposition (ist auch heute noch in den USA bei unbekannter Laufzeit mit täglicher Verfügbarkeit schwieriger als in Deutschland).
    Der 50-er gleitende Durchschnitt lag erstmalig am 19.10.1950 über dem 200-er, so dass am 19.10.1950 zum Eröffnungskurs von 20,02$ in einen als existent vorausgesetzten S&P500 – Indexfonds investiert wurde. Es folgten 34 „Todeskreuze“ und 35 „Goldene Kreuze“ auf Basis der täglichen Tagesschlusskurse des S&P500. Der entsprechende Verkauf bzw. Kauf erfolgte am nächsten Börsentag zum Eröffnungskurs der Einfachheit halber mit gebrochenen Anteilen.
    Aus einem Anfangsbestand von 10.000$ wurde ein Endstand von 665.132$ am 24.02.2012 erreicht, woraus sich eine Kapitalverzinsung von (665.132 / 10.000 – 1) x 100 = 6.551 % ergibt. Die Investitionsdauer betrug 68%.
    Ergebnis: Mit der Einmalanlage hätte ein Investor einen 23% höheren Gewinn erzielt als bei Befolgung der Chartanalyse nach gleitenden 50/200-Tagesdurchschnitten.
    Bei einer zusätzlichen Berücksichtigung einer Verzinsung der Cashpositionen mit 3% p.a. würde der Endstand aus Variante 2 „Rebalancing nach Chartanalyse“ 1.196.188$ betragen und somit hätte der Investor einen 46% höheren Gewinn erzielt als bei der Einmalanlage.
    Was sagt uns das? Die Verzinsung der Cashposition und die Berücksichtigung aller Kostenfaktoren entscheiden über Pro und Contra, und wohl auch die Lebenszeit.
    Wie man systematisch mit den Mitteln der Modernen Portfoliotheorie (Markowitz, Sharpe, Tobin, Samuelson) ohne Charttechnik investieren kann, zeigt z.B. http://www.mawero.de

  6. FAZ-gb sagt:

    @fionn
    Grundsätzlich ist es...

    @fionn
    Grundsätzlich ist es richtig, dass Aktien bei deutschen Anlegern nicht populär sind. Allerdings zeigen Berechnungen des Deutschen Aktieninstituts, dass die Zahl der deutschen Aktionäre im vergangenen Jahr zugenommen hat und es gibt auch Hinweise, wonach gerade Privataktionäre seit dem Herbst 2011 gekauft haben. Damit waren gerade Privataktionäre bei Beginn der laufenden Hausse (die ja schon letztes Jahr begann) dabei, während viele internationale Großanleger die Attraktivität deutscher Aktien gerade erst wiederentdecken.
    Gruß
    gb.

  7. tricky1 sagt:

    Je mehr Teilnehmer dieses...
    Je mehr Teilnehmer dieses Kasinos an die Regel glauben, desto besser funktioniert sie.

  8. fionn sagt:

    "But remember
    Come back in...

    “But remember
    Come back in September”
    Natürlich haben Sie recht, gb. The St. Leger in September is the last classic horse race of the season on the flat. The “jumping” season (hurdles and steeplechases) has already begun.
    Uebrigens, die Deutschen sind (zu?) risikoscheu – nur ca. 6% kaufen Aktien, mit negativen Folgen für die deutsche Wirtschaft?
    P.S. Doch die Renditen steigen – z.B. SAP – und die Dividendesaison ist in vollem Gang.

  9. FAZ-gb sagt:

    <p>@fionn</p>
    <p>Die...

    @fionn
    Die empirische Prüfung ist gar nicht so schlecht, sofern man berücksichtigt, dass “Sell in May” nur die Hälfte des Sprichworts darstellt. Die zweite Hälfte besagt, dass man nach dem St-Legers-Day im September an den Markt zurückkehren soll:
    http://www.faz.net/…/boersentipps-zehn-alte-boersenregeln-neu-geprueft-11580456.html
    Das Frankfurter Indexunternehmen Structured Solutions hat mehrere Börsenregeln anhand des F.A.Z.-Index überprüft und dabei auch herausgefunden, dass sich der “Mai-Effekt” häufig statistisch nachweisen lässt.
    Man sollte aber seine praktische Bedeutung nicht überschätzen.
    Gruß
    gb.

  10. fionn sagt:

    <p>What about the English...
    What about the English Sprichwort regarding stocks
    “Sell in May
    And go away”?

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