Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Mit Sterilisierungsanleihen gegen die Geldschwemme

Lässt sich die Geldproduktion der westlichen Zentralbanken aufhalten? Manchmal ist ein Blick über den Gartenzaun hilfreich. In Asien setzt man sich seit vielen Jahren mit diesem Phänomen auseinander - und kennt die Sterilisierungsanleihen als Gegenmittel.

Lässt sich die Geldproduktion der westlichen Zentralbanken aufhalten? Manchmal ist ein Blick über den Gartenzaun hilfreich. In Asien setzt man sich seit vielen Jahren mit diesem Phänomen auseinander – und kennt die Sterilisierungsanleihen als Gegenmittel.

Von Gerald Braunberger

 

 

“Does the expansion of central bank balance sheets risk creating inflation? A preliminary answer is  ‘not necessarily’. Central banks today have clearly been able to increase the size of their balance sheets without losing their credibility for price stability. A good track record of low inflation has given central banks some leeway. There has been little correlation in recent years between the expansion of central bank balance sheets and inflation…But the ultimate answer to this question about inflation might be ‘not yet’.” Jaime Caruana, General Manager der BIZ

In Europa wird häufig die Frage aufgeworfen, ob die westlichen Zentralbanken in der Lage sein werden, das von ihnen in der Krise reichlich geschaffene Geld wieder einzusammeln, wenn Inflationsgefahren drohen sollten. Friedrich von Hayek hat vor vielen Jahren die These aufgestellt, die Sicherung stabilen Geldes sei keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Zentralbanken besitzen genügend Elemente, um einmal geschaffenes Geld wieder zu neutralisieren. In Asien gehört der Umgang mit sehr reichlicher Geldschöpfung seit vielen Jahren zum Tagesgeschäft dortiger Zentralbanken. Das Geld entsteht überwiegend durch Käufe von Fremdwährungen (in der Regel Dollar) durch die Zentralbanken mit dem Ziel, die Wechselkurse möglichst stabil zu halten.

In den Debatten über die Probleme der Geldpolitik im Westen werden die reichhaltigen asiatischen Erfahrungen kaum einmal erwähnt. Nachdem die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in ihrem im Juni 2012 veröffentlichten Quartalsbericht einen – in FAZIT mehrfach erwähnten – Artikel veröffentlichte, der sich mit dem starken Wachstum dortiger Zentralbankbilanzen befasste, legt die BIZ nun mit der Veröffentlichung einer größeren Zahl von Arbeitspapieren nach. Darin werden unter anderem die “Sterilisierungsanleihen” behandelt.

In Asien begeben mehrere Zentralbanken seit Jahren, in Südkorea sogar schon seit dem Jahre 1961, eigene Wertpapiere, um von ihnen ausgegebenes Geld einzusammeln. In Anlehnung an die Fachsprache der Geldpolitik nennt man diese Papiere “sterilisation bonds”, was man mit „Sterilisierungsanleihen” übersetzen könnte. Diese Bezeichnungen sind insofern nicht ganz korrekt, als mit Anleihen gewöhnlich Kapitalmarktpapiere mit mehrjähriger Laufzeit verbunden werden, die Zentralbanken aber überwiegend kürzerfristige Geldmarktpapiere begeben. Die Bezeichnung “sterilisation bonds” scheint sich indessen durchzusetzen, und so wollen wir sie auch verwenden. Der Gedanke, dass eine Zentralbank eigene Wertpapiere begibt, ist nur auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig.

Die asiatischen Zentralbanken müssen ihre eigenen Papiere marktgerecht verzinsen, um Abnehmer zu finden. Unter den Käufern finden sich nicht nur Banken, sondern auch andere große Anleger, weil Wertpapiere der Zentralbanken eine sehr gute Bonität besitzen und sich überdies ein liquider Handel darin entwickelt hat. Mit Hilfe der „Sterilisierungsanleihen” hat sich in asiatischen Ländern ein Zinsmarkt entwickelt, der vor allem am kurzen Ende der Laufzeit heute deutlich liquider ist als früher. Dadurch werden Wertpapiere von Zentralbanken allerdings ein ernsthafter Konkurrent zu den Wertpapieren der Staaten und können diese aus den Portfolios von Anlegern verdrängen.

In Südkorea wurden „Sterilisierungsanleihen” schon im Jahre 1961 ausgegeben, und in diesem Land besitzen sie traditionell eine erhebliche Bedeutung, da ihr Volumen vor wenigen Jahren 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichte und heute noch bei rund 15 Prozent liegt. Die durchschnittliche Laufzeit der südkoreanischen Papiere beträgt rund 1,6 Jahre. Die Zentralbank in Indonesien hatte ebenfalls schon vor der Asien-Krise Ende der neunziger Jahre mit der Ausgabe eigener kurzfristiger Wertpapiere begonnen; ihr aktuelles Volumen ist mit weniger als einem Prozent des BIP allerdings nur gering.

F.A.Z.-Grafik:Niebel

In der Volksrepublik China begann die dortige Zentralbank – die Bank des Volkes – im Jahre 2003 mit der Ausgabe von Papieren mit Laufzeiten von drei, sechs und zwölf Monaten. Seit Dezember des Jahres 2004 gibt es auch Papiere mit Laufzeiten bis drei Jahren. Die Bedeutung dieser Papiere ist vor allem in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts sehr hoch gewesen, hat aber seitdem etwas nachgelassen. Das Volumen beträgt nunmehr rund 6 Prozent des BIP.

In Malaysia begibt die Zentralbank sogenannte Bank Negara Malaysia Monetary Notes (BNMN), deren Volumen immerhin rund 13 Prozent des BIP beträgt. Zwischen einem Drittel und der Hälfte dieser Wertpapiere wird von ausländischen Anlegern gehalten. Die durchschnittliche Rendite der Papiere von rund 0,4 Prozent belegt, dass es sich überwiegend um kurzfristige Geldmarktpapiere handelt, während in Thailand die Zentralbank den Anteil eigener Papiere mit Laufzeiten von mehr als einem Jahr in den vergangenen Jahren erhöht hat. Ein Sonderfall ist Indien, wo die Zentralbank keine eigenen Wertpapiere ausgeben darf. Für die mittelfristige Steuerung ihrer Geldversorgung ist es der Zentralbank jedoch seit dem Jahr 2004 erlaubt, kurz- und mittelfristige Staatswertpapiere auszugeben. Das bei Auktionen solcher Papiere eingenommene Geld wird auf einem unter Verwaltung der Zentralbank befindlichen Sonderkonto verbucht.

Welche Schlüsse lassen sich aus dem Einsatz von Sterilisierungsanleihen ziehen?

1. Sie sind ein Instrument der Geldpolitik zur Bekämpfung einer unerwünscht kräftigen monetären Expansion, aber nicht das einzige. Die Einführung solcher Papiere ist eine Option, aber keine Verpflichtung. Die Ausgabe von Sterilisierungsanleihen ist, anders als eine alternative administrative Erhöhung von Mindestreservesätzen, ein marktnahes Instrument, da die Anleihen zu Marktpreisen ausgegeben werden.

2. Welche Instrumente Zentralbanken für die Sterilisierung von ihnen geschaffenen Geldes einsetzen, ist nach den asiatischen Erfahrungen eine Frage der Kosten im Vergleich zu Alternativen wie höheren Mindestresersätzen oder Swapgeschäften. Dies erklärt die beachtlichen Schwankungen des Anteils von Sterilisierungsanleihen in recht kurzer Zeit in Ländern wie China.

3. Aus geldpolitischer Sicht ist es wünschenswert, wenn Sterilisierungsanleihen auch von privaten Haushalten und Unternehmen gekauft werden, weil dadurch die in der Wirtschaft kursierende Geldmenge beeinflusst wird. Diese Käufergruppen werden umso eher erreicht, je langfristiger und liquider die Sterilisierungsanleihen sind.

4. Käufe dieser Papiere durch Banken reduzieren die Geldbasis, aber der Effekt auf die Geldmenge ist zunächst unklar. Die Banken können die Erträge aus diesen Papieren als risikofrei und bequem ansehen und im Gegenzug darauf verzichten, risikoreichere Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Dann gäbe es einen dämpfenden Einfluss auf die Geldmengenentwicklung. In Zeiten niedriger Zinsen kann aber auch das Gegenteil geschehen: Die Banken können die Sterilisierungspapiere als Quasi-Äquivalent zu sicherem Zentralbankgeld ansehen und sich durch die niedrigen Zinsen veranlasst sehen, mehr Kredite an Unternehmen und Haushalte zu vergeben.

 

Dieser Beitrag ist eine erweiterte Version eines Artikels, der am 12. Oktober 2012 im Finanzmarkt der F.A.Z. erschienen ist.