Fazit – das Wirtschaftsblog

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Das spanische Paradoxon (2): Spanien muss sich aus der Krise exportieren

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Im ersten Beitrag dieser kleinen Reihe haben wir das "spanische Paradoxon" beschrieben: Die Exportwirtschaft läuft seit der Einführung des Euro nicht schlecht, obgleich das Land an preislicher Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Eine neue Studie von Ökonomen aus der spanischen Großbank BBVA erlaubt tiefere Einblicke in die spanische Exportwirtschaft.

Im ersten Beitrag dieser kleinen Reihe haben wir das “spanische Paradoxon” beschrieben: Die Exportwirtschaft läuft seit der Einführung des Euro nicht schlecht, obgleich das Land an preislicher Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. Eine neue Studie von Ökonomen aus der spanischen Großbank BBVA erlaubt tiefere Einblicke in die spanische Exportwirtschaft.

Von Gerald Braunberger

 

(Aktualisierung 8. Januar 2013: In diesem Link findet sich eine Auflistung exportstarker spanischer Unternehmen.)

Nachdem wir uns im ersten Beitrag ausführlicher mit Wettbewerbskonzepten befasst haben, hier nun eine Zusammenfassung der Untersuchung aus der BBVA.

1. Die Grundthese lautet: Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Unternehmen ist von erheblicher Bedeutung für die Überwindung der Krise: “The Spanish economy is currently immersed in a complex and intense process of adjustment and changes where the internationalization of its companies is crucial, because as long as this adjustment process continues, domestic demand will be unlikely to fuel economic growth in Spain, and because a high level of negative net foreign debt has accumulated which has at one point exceeded 90 per cent of GDP.”

2. Auch wenn noch viel zu tun bleibt, ist Defätismus unangebracht: “Exports of goods and services, which already account for 33 per cent of GDP, have been one of the best surprises during the crisis. They are the only component of aggregate demand that has exceeded the pre-crisis level, significantly absorbing the fall of GDP and becoming the real lever for exiting from the crisis.” In den ersten neun Monaten des laufenden Jahren haben sich die Exporte auf 335 Milliarden Euro belaufen, darunter 229 Milliarden Euro Güter und 106 Milliarden Euro Dienstleistungen.

3. Im vergangenen Jahr haben 37.250 spanische Unternehmen exportiert, von denen 20.579 Unternehmen Ausfuhren über jeweils mehr als 50.000 Euro im Jahr erzielten. Da die Exportunternehmen deutlich produktiver arbeiten als die alleine auf die Binnenwirtschaft ausgerichteten Unternehmen, müssen alle Hindernisse beseitigt werden, die eine Verlagerung von Ressourcen zu den exportorientierten Unternehmen erschweren.

4. Es gibt keinen engen Zusammenhang zwischen der Exportentwicklung und der Entwicklung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit. Das deutet auf einen spürbaren Einfluss nicht-preislicher Wettbewerbsfaktoren hin. Gleichwohl sind auch die preislichen Wettbewerbsfaktoren nicht irrelevant: Hätte sich die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Spaniens wie jene Deutschlands entwickelt, hätte dies für den Zeitraum zwischen 1999 und 2011 eine Zuwachs des BIP um zusammen 6 Prozent bedeutet.

5. Zu den nicht-preislichen Einflüssen auf die Exporte zählen eine zunehmend globalere Verbreitung (unter anderem durch eine stärke Hinwendung zu wachstumsstarken Schwellenländern) sowie eine breitere Produktdiversifizierung in Richtung komplexerer Produkte: “In both characteristics, the sector composition of Spanish goods exports clearly stands out above the global average.” Zu diesen höherwertigen Produkten zählen unter anderem der Fahrzeug- und Maschinenbau sowie Chemieprodukte.

6. Allerdings ist eine starke Konzentration zu beobachten. Das eine Prozent der exportstärksten Unternehmen vereint 67 Prozent aller spanischen Ausfuhren; die 10 Prozent der exportstärksten Unternehmen vereinen 93 Prozent der Ausfuhren: “BBVA Research believes that the problem is not so much that there are few companies that export (although this figure can also be improved), but that there are too many small companies which are unable to export.”

7. Exportorientierte Unternehmen unterscheiden sich im Durchschnitt dramatisch von rein binnenmarktorientierten Unternehmen: “Thus, exporting companies are on average eight times bigger than non-exporting companies, use nearly three times more physical capital per worker, make much more intensive use of human and technological capital, and their temporary employment rate is 9.3% compared to 23.3% on average for the economy as a whole.”

8. Natürlich sind dann auch die Produktivitätsunterschiede gewaltig: “All this results in exporting companies recording a level of productivity (real production per employee) two or even three times higher than the productivity of non-exporting companies.”

9. Wie wächst man zum Exportunternehmen heran? “The report also shows that the likelihood of exporting increases with the company’s size, the stock of real capital per worker, the investment in R&D and in the adoption of new technologies, the use of qualified workers, the competition in the main market, and the participation of foreign capital in the company’s share capital. In addition, the likelihood of exporting increases if throughout the year the company makes product innovations and diversifies its production to include more than one product. Specifically, a 1% increase in the company’s size increases the likelihood of exporting by 5%, while a 1% increase in the stock of real capital per employee would increase the likelihood of exporting by 1.8%. Moreover, achieving a product innovation throughout the year increases the likelihood of exporting by two percentage points, while production diversification results in a 1.7 percentage point increase.”

10. Ein mittel- und langfristig ausgerichtete Wachstumspolitik muss zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen beitragen, unter anderem durch Verbesserungen in den Faktormärkten für Arbeit und Kapital sowie in den Märkten für Güter und Dienstleistungen.

11. Die jüngste Arbeitsmarktreform hat bereits Verbesserungen gebracht, indem Unternehmen den Arbeitsmarkt flexibler und effizienter nutzen können. Eine Vereinfachung der Zahl unterschiedlicher Arbeitsverträge und mehr Anreize zu unbefristeten Einstellungen würden den Arbeitsmarkt entlasten und die Produktivität der Unternehmen steigern.

12. Verbesserungen braucht auch der Kapitalmarkt: “As for the capital market, it is necessary to reinforce the mechanisms and entities with whom to share the credit risks, promote mutual guarantee institutions, reduce the consumption of capital that these credits involve for banking institutions, encourage other forms to complement bank financing, and improve the implementation and scope of venture capital firms.”

13. Von essentieller Bedeutung ist eine besser funktionierende Verwaltung und Regulierung: “Reducing the administrative burden imposed on companies by the various public administrations and achieving an efficient and flexible regulation and administration is also fundamental to promote competition among companies in a single market. The improvement of the economic and regulatory environment is also fundamental in the operation of the markets for the production factors and products. According to the ranking published by Doing Business, Spain ranked 44 in 2012, but was number 55 in foreign trade facilities. Spain should set the strategic goal of changing all the regulations necessary to become, for example, one of the 10 top global economies in each of these categories within a limited period of time.”

14. Kleinere Unternehmen sollten leichter die Möglichkeit haben, Verträge mit Großunternehmen über den Bezug von Ergebnissen aus der Forschung und Entwicklung abzuschließen.

 

Wir ergänzen noch Angaben aus dem neuen Spanien-Bericht der OECD:

Prognosen:            2012   2013   2014

BIP                       – 1,3    -1,4     0,5
Binnennachfrage    – 3,9    -4,0   – 0,9
Exporte                   4,0     6,4     6,2
Importe                – 4,5   – 1,3     2,4
(Veränderungen in Prozent)

Bezüglich eines großen Reformbedarfs äußert sich die OECD klipp und klar: “Further structural reforms are needed to boost employment, notably among youth, and improve competitiveness, helping to reduce the current account deficit further. Given the major risks that have built up, decisive policy action on all these fronts is urgent if the situation is to be turned around. The financial crisis needs to be addressed quickly.”

 

Teil 1 des Beitrags über das “spanische Paradoxon” findet sich hier.


7 Lesermeinungen

  1. faz-gb sagt:

    Titel eingeben
    Hier ein Hinweis auf neue ökonomische Projektionen des Banco de Espana für Spanien – aus aktuellem Anlass und weil Spanien der wichtigste Handelspartner Portugals ist:

    https://www.bde.es/f/webbde/SES/Secciones/Publicaciones/InformesBoletinesRevistas/BoletinEconomico/13/Mar/Files/be1303e-projec.pdf

    2013: BIP – 1,5 Prozent. Binnennachfrage – 4,2 Prozent. Außenbeitrag: + 2,8 Prozent. Darunter Exporte + 3,8 Prozent. Importe -4,9 Prozent.

  2. FAZ-gb sagt:

    Dass Länder mit einer...
    Dass Länder mit einer Bilanzrezession (nach einer geplatzten Vermögenspreisblase) oft länger brauchen, um sich wirtschaftlich zu erholen, ist durchaus empirisch überprüft worden. Zinsdifferenzen sind in der Tat unangenehm; die Frage ist aber, inwieweit Investitionen aus einbehaltenen Gewinnen finanziert werden können – Exportunternehmen sind in solchen Ländern meist profitabler als binnenwirtschaftlich orientierte Unternehmen

  3. Das ist interessant, mein...
    Das ist interessant, mein Eindruck ist dennoch, dass Länder nach einem Immobilienboom tendenziell sehr langsam wieder auf die Beine kommen, wobei ich keine empirische Untersuchung als Beleg nennen kann und es auch Gegenbeispiele gibt (die baltischen Staaten haben sie nach einer Blase zumindest einigermaßen wieder erholt.) Wie beschrieben haben Exportunternehmen auch einen hohen Bedarf an Kapital und durch gestiegenen Kapitalkosten aufgrund der Unsicherheit nach der Krise wurde das Land c.p. als Exporteur auch erstmal unattraktiver. Die Zinsdifferenzen traten makroökonomisch zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt wieder auf und verschärften die Ungleichgewichte noch.

  4. FAZ-gb sagt:

    @Makrointelligenz
    In den mir...

    @Makrointelligenz
    In den mir vorliegenden Studien über Spanien (ich habe noch mehrere in der Hinterhand) wird ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften nicht als Engpassfaktor genannt – jedenfalls nicht für die Produktion, F&E mag eine andere Sache sein. Stattdessen werden vor allem institutionelle Probleme thematisiert, z.B. die Ausgestaltung von Arbeitsverträgen.

  5. "All this results in exporting...
    “All this results in exporting companies recording a level of productivity (real production per employee) two or even three times higher than the productivity of non-exporting companies.”
    Ich denke darin besteht ein großes Problem. Vom Exportsektor in zum Importsektor zu wechseln scheint verhältnismäßig leicht möglich zu sein, aber umgekehrt ist dies aufgrund höherer Anforderungen nicht der Fall.

  6. fionn sagt:

    Re Spain. Inditex-Zara is an...
    Re Spain. Inditex-Zara is an outstanding example of export success at global level.

  7. fionn sagt:

    Re Nr. 11 oben.
    Was haben...

    Re Nr. 11 oben.
    Was haben Deutschland und die Deutschschweiz gemeinsam? DIE LEHRE.
    Leider in der Welschschweiz ist die Jugendarbeitslosigkeit viel höher,
    nur ca. 20% der Jugendlichen machen eine Lehre – immer mehr wollen an einer Uni studieren.

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