Die Unabhängigkeit von Volkswirtschaften im globalen Miteinander versuchen Volkswirte schon seit Jahrzehnten in einem unheiligen Trilemma zu begreifen. Bei (erstens) freiem Kapitalverkehr ist danach (zweitens) eine unabhängige Geldpolitik nur möglich, wenn (drittens) der Wechselkurs flexibel ist.
Diese abstrakte Einsicht steht etwa hinter der Forderung an Schwellenländer, ihren Wechselkurs freizugeben und sich so davor zu schützen, dass aus den geldpolitisch mit Liquidität überschwemmten Industriestaaten so viel Anlagekapital zu ihnen fließt. Problem ist dabei, das den Schwellenländern die damit verbundene Aufwertung ihrer Währungen nicht passt. Das ist der Kern des sogenannten „Währungskriegs“, den viele Schwellenländer in der drastischen monetären Lockerung in Amerika und in anderen Industriestaaten erkennen und der mit dem sich anbahnenden Rückzug aus der quantitativen Lockerung in den Vereinigten Staaten vor der Umkehrung steht.
Vom Trilemma zum Dilemma
Offen ist, ob das traditionelle Trilemma noch Bestand hat. Die Ökonom Hélène Rey von der London Business School meint: Nein. Rey kann mit beeindruckenden ökonometrischen Tests zeigen, dass Kapitalströme, Vermögenspreise und das Kreditwachstum in fast allen Länder der Welt, vor allem in der industrialisierten Welt, weitgehend einem globalen Finanzzyklus folgen. Auf der Notenbankerkonferenz in Jackson Hole hat sie diese Zusammenhänge gerade wieder vorgetragen.
Der globale Finanzzyklus ist unabhängig von den gesamtwirtschaftlichen Bedingungen in einzelnen Ländern und kann dort Vermögenspreisblasen und Kreditblasen hervorrufen. Auch mit flexiblen Wechselkursen, so meint Rey, könnten Länder sich davor nicht mehr abschotten. Das Trilemma werde so zu einem Dilemma oder zu einem „unversöhnlichen Duo“: Eine unabhängige Geldpolitik sei nur noch möglich, wenn die Kapitalbilanz eines Landes gesteuert würde.
Mit Steuerung meint die junge Ökonomin, die derzeit viel Aufmerksamkeit für ihre Forschung findet, auch Kapitalverkehrskontrollen, vor allem aber sogenannte makroprudentielle Politiken. Regulierer und Bankenaufseher sollen mit schärferen Auflagen im Kreditzyklus rechtzeitig Übertreibungen verhindern und durch verbindliche Leverage-Quoten die Finanzindustrie vor Blasen schützen.
Amerikas Geldpolitik bestimmt den globalen Finanzzyklus
All das ist weitgehend unerprobte Politik. Aber Rey folgt damit dem internationalen Konsens nach der Finanzkrise und etwa der Linie des Internationalen Währungsfonds, auch wenn IWF-Chefin Christine Lagarde in Jackson Hole letztlich am Gedanken des Trilemma festhielt und der Flexibilität der Wechselkurse große Bedeutung zumaß. Kapitalverkehrskontrolle aber hat auch der IWF mittlerweile schon hoffähig gemacht.
Nun zielte der Vorwurf des Währungskrieges nicht darauf ab, den Schwellenländern Bedingungen zu setzen, sondern die Geldpolitik der Vereinigten Staaten und anderer Industriestaaten zu kritisieren. Rey findet in ihren ökonometrischen Analysen deutliche Hinweise, dass der globale Finanzzyklus von der Geldpolitik des „zentralen Landes“ bestimmt werde. Insoweit gehen die Vorhaltungen an die Vereinigten Staaten schon an die richtige Adresse.
Das scheinbare Problem ist mal wieder, dass die Vereinigten Staaten ihre Geldpolitik am eigenen Interesse ausrichten und unabhängig von den Interessen der Welt betreiben. Das riecht danach, als ob eine geldpolitische Koordinierung not täte. Rey positioniert sich damit gegen die althergebrachte Einsicht, dass die Weltwirtschaft dann am besten läuft, wenn jeder für sich sein eigenes Haus in Ordnung hält.
Widersprüchliche Forderungen an die monetären Kernländer
Rey stimmt in diesen Klagegesang nur bedingt ein. Sie erkennt das Problem an, dass die nationale Aufgabe der Notenbank dem globalen Interesse zuwiderlaufen kann und dass daran jede Koordinierung der Geldpolitik scheitern muss. Rexy fordert deshalb nur ein Forum zur wechselseitigen Analyse von Inkonsistenzen.
Bemerkenswerterweise aber sieht sie in der extremen Lockerung der Geldpolitik etwa durch die Federal Reserve nach der Krise Widersprüche zwischen nationalem und globalem Interesse nicht. „Der Rest der Welt kann sich nicht über übertriebene Kapitalzuflüsse als Folge der lockeren Geldpolitik in den zentralen Länden beklagen und zur selben Zeit sich eine höhere wirtschaftliche Aktivität oder Nachfragestimuli in diesen Ländern wünschen,“ schreibt Rey.
Ähnlich wie die junge Ökonomin weiß auch Jean-Piere Landau, dass Notenbanken sich nicht auf internationale geldpolitische Absprachen einlassen würden. Ähnlich schwammig bleiben seine Wunschvorstellungen: Man spürt bei der Lektüre seines Vortrags für Jackson Hole, dass der französische Ökonom mehr geldpolitische Koordinierung für geboten hält, auch wenn er solche Forderungen für recht aussichtslos erachtet.
Scharfe Kritik an der „forward guidance“ der Federal Reserve
Herausragend an der Analyse Landaus, der früher Vizegouverneur der Bank von Frankreich war, ist seine scharfe Kritik am neuen Steckenpferd der Zentralbanker, der sogenannten „forward guidance“. Notenbanker verstehen darunter den Versuch, mit bedingten Versprechen einer expansiven Geldpolitik den Finanzmärkten Leitlinien an die Hand zu geben. So sagt die Fed etwa zu, erst dann vom faktischen Nullzins abzurücken, wenn die Arbeitslosenquote mindestens auf 6,5 Prozent gesunken ist. Derzeit liegt sie bei 7,4 Prozent.
Landau fürchtet, dass solche geldpolitischen Zusagen die Bereitschaft von Investoren zur Übernahme von Risiken noch erhöhen. Es drohe damit um so mehr, dass monetäre Liquidität in andere Länder überschwappe und dort Schwierigkeiten hervorrufe. „Nullzinsen machen die Übernahme von Risiken billig, die forward guidance macht sie kostenlos,“ notiert Landau. Die forward guidance schaffe große Anreize, offene Positionen zu vergrößern und zu weit auszudehnen.
Die Fed schafft Unruhe am Wendepunkt
Der Franzose sieht darin einen der Gründe, warum die Finanzmärkte im Juni so heftig auf die Andeutung der Notenbank reagiert hatten, womöglich schon im Herbst die Anleihekäufe zurückzunehmen. Die Ankündigung der Fed habe eine „kumulative Liquidierung“ von Anlagen ausgelöst.
Anders gesagt: Die Fed hat mit dem Versuch, durch die forward guidance Ruhe in die Märkte zu bringen, neue Risiken und am Wendepunkt der Geldpolitik um so mehr Unruhepotential geschaffen.
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