Eine Liste der nach dem Börsenwert größten Banken der Eurozone zeigt ein für Nichtkenner vermutlich erstaunliches Bild: Unter den drei Medaillengewinnern befinden sich mit dem Banco Santander und BBVA zwei Großbanken aus Spanien. Mit Santander kann nur die französische BNP Paribas mithalten und die auf Platz 3 befindliche BBVA distanziert die nachfolgenden Wettbewerber deutlich – darunter auch die Deutsche Bank, die ja den Anspruch erhebt, unter die führenden Universalbanken in der Welt aufzurücken:
Bank | Land | Börsenwert |
Banco Santander | (E) | 72,9 Milliarden Euro |
BNP Paribas | (F) | 70,0 Milliarden Euro |
BBVA | (E) | 50,9 Milliarden Euro |
ING | (NL) | 38,3 Milliarden Euro |
Unicredit | (I) | 37,7 Milliarden Euro |
Intesa Sanpaolo | (I) | 35,4 Milliarden Euro |
Société Générale | (F) | 35,4 Milliarden Euro |
Deutsche Bank | (D) | 32,0 Milliarden Euro |
Bankia | (E) | 17,7 Milliarden Euro |
Commerzbank | (D) | 14,0 Milliarden Euro |
Banco Popular | (E) | 10,2 Milliarden Euro |
Banca de Sabadell | (E) | 9,1 Milliarden Euro |
Die Tabelle zeigt die größten fünf Häuser und danach aus Platzgründen eine Auswahl – es fehlt unter anderem der Crédit Agricole. Das ändert aber nichts an den Größenverhältnissen an der Spitze.
Die eigenartige Struktur des spanischen Banksystems ist nur historisch zu verstehen, und eine solche Darstellung hat dieser Tage José L. Garcia-Ruiz auf der in Frankfurt stattgefundenen Weltkonferenz der Unternehmenshistoriker vorgelegt. Der Titel der Arbeit des spanischen Wissenschaftlers “The Fall of the Madrid Big Banks (1960-2000)” deutet an, dass die spanische Bankenmacht durchaus einmal in Madrid ansässig war. Die Geschichte geht so:
Die Wurzeln des heutigen spanischen Banksystems sind im “Desaster von 98”, dem Zusammenbruch des spanischen Kolonialreiches im Jahre 1898 zu suchen. In den Jahren danach floss viel Geld aus dem ehemaligen Weltreich in das Mutterland und so wurden alleine in den Jahren 1899 bis 1914 rund 50 neue Banken in Spanien gegründet. Eine zweite Gründungswelle setzte in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ein. In diesen Jahrzehnten entstanden in Madrid drei lange führende Großbanken: Der Banco Hispano Americano (kurz: Hispano), der Banco Espanol de Crédito (Banesto) und der Banco Central (Central). Im Jahre 1975, also im Jahr des Todes des Diktators Franco, vereinten diese drei Banken 40 Prozent aller Kundeneinlagen in Spanien auf sich. Die Nummer eins war damals der Banesto.
Neben den drei privaten Großbanken (und zahlreichen Sparkassen, die hier aber nicht interessieren) gab es eine Reihe privater Regionalbanken, von denen die größten drei im Norden Spaniens lagen. Dies waren der Banco de Santander sowie mit Bilbao und Vizcaya zwei Regionalbanken mit Sitz im Baskenland.
Nach dem Tode Francos begann auch im spanischen Bankwesen – wie zuvor schon in anderen europäischen Ländern – eine Liberalisierung der bisher stark regulierten Branche. Viele spanische Banken waren nicht sehr groß und wenig effizient und manche Beobachter meinten seinerzeit, Spanien könne ein Paradies für ausländische Banken werden, da die heimischen Banken zu schwach seien.
In den achtziger Jahren kam es dann in Spanien zu einer Konsolidierung, und wie so oft, verlief sie nicht nach einem großen Plan, sondern sie ergab sich als eine Abfolge von Fusions- und Übernahmeversuchen, von denen manche scheiterten. Die drei Großbanken in Madrid erwiesen sich als zu schwach, um eine dominierende Rolle in diesem Monopoly zu spielen; eine wesentliche Rolle hierfür spielte eine desaströse Geschäftspolitik und enge Verbindungen zu wirtschaftlich schwachen Industrieunternehmen.
Davon profitierte vor allem der Banco de Santander, der lange Zeit beabsichtigt hatte, eine profitable Regionalbank im Norden zu bleiben: Im Verlauf der neunziger Jahre verleibte er sich alle drei Madrider Großbanken ein! Sein Name verkürzte sich leicht zu Banco Santander. Die Basken gingen einen anderen Weg: Erst schlossen sich Banco de Bilbao und Banco de Vizcaya zur Großbank BBV zusammen. Im Jahre 1999 fanden der BBV und Argentaria – ein Zusammenschluss mehrerer Finanzhäuser, darunter der Postbank – zur Großbank BBVA zusammen.
Warum stehen Banco Santander und BBVA trotz der schweren spanischen Immobilienkrise, die zur Stützung mehrerer Regionalbanken führte, so gut da? Der Grund ist einfach: Die beiden Großbanken aus dem Norden haben energisch ins Ausland expandiert und ihre Abhängigkeit vom spanischen Markt erheblich reduziert. Beide Banken sind vor allem in Lateinamerika stark vertreten, der Banco Santander hat daneben (unter anderem) mehrere Finanzhäuser ind Großbritannien übernommen und er war einer der drei Erwerber der niederländischen Großbank ABN Amro. BBVA hat daneben in den Vereinigten Staaten expandiert.
Die beiden spanischen Großbanken und hier vor allem Santander verdanken ihre Ertragskraft allerdings auch einer konsequenten Strategie der Automatisierung des Privatkundengeschäfts – jedenfalls, sofern es sich um das Massengeschäft handelt. Die Spanier gelten hier durchaus auch manchen Konkurrenten nördlich der Alpen als ein Beispiel, wie Filialgeschäft kostengünstiger betrieben werden kann.
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Mit diesem Beitrag führen wir eine vor längerer Zeit begonnene Reihe weiter:
Das spanische Paradoxon (3): Reformen und Versäumnisse im Überblick
Das spanische Paradoxon (2): Spanien muss sich aus der Krise exportieren
Das spanische Paradoxon (1): Warum steigen die Exporte, obwohl die Wirtschaft (angeblich) nicht wettbewerbsfähig ist?