Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Thomas Piketty spricht sich die Aktualität ab

Die Reichen werden immer reicher, sagt Thomas Piketty – und sein Buch wurde zum Wirtschafts-Bestseller des vergangenen Jahres. Doch jetzt sagt Piketty: Seine Thesen sind gar nicht aktuell.

Thomas Piketty im Bundes-Wirtschaftsministerium.© AFPThomas Piketty im Bundes-Wirtschaftsministerium.

Es war das aufsehenerregendste Wirtschaftsbuch des vergangenen Jahres, dabei war es ganz sachlich-langweilig gestartet: Der französische Ökonom Thomas Piketty hatte eine ausführliche historische Analyse über Zinsen und Wirtschaftswachstum verfasst, an deren Ende eine einfache Folgerung stand: Solange die Zinsen größer sind als das Wirtschaftswachstum („r>g“), wüchsen die Vermögen der Reichen schneller als die der Armen. Und das sei historisch meistens der Fall gewesen. Das Buch wurde zum Bestseller in den Vereinigten Staaten, in denen das einkommensstärkste Prozent seine Gehälter viel schneller steigert als der Rest des Landes. Rund um die Welt wurde das Buch zur Bibel der Linken. Im Mai soll Thomas Piketty einen Preis der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung erhalten: für einen „wegweisenden Beitrag zu den hochaktuellen Debatten um soziale Gerechtigkeit und Verteilungsfragen“.

Doch jetzt widerspricht Piketty seinen Anhängern. Er bestreitet, dass seine Kernformel so aktuell sei, wie sie gemacht wird. „Ich sehe sie nicht als einziges Werkzeug, nicht mal als das wichtigste, um die Veränderung von Einkommen und Vermögen im 20. Jahrhundert zu durchdenken oder um die Ungleichheit im 21. Jahrhundert vorherzusagen“ – so spricht Piketty jetzt über die Kernformel seines Buchs “Das Kapital im 21. Jahrhundert”. In einem Beitrag, der demnächst in der angesehenen Fachzeitschrift American Economic Review erscheinen soll, schreibt der Ökonom: Relevant sei seine Analyse vor allem für die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg. „Die Diskussion um mein Buch bildet nicht richtig ab, wie ich den Zusammenhang von r>g und Ungleichheit verstehe.“

Pikettys Argumentation ändert sich

Das ist ein Schwenk in Pikettys Argumentation. Zwar hatte sich der Ökonom bisher schon gegen eine Über-Interpretation seiner Ergebnisse gewehrt. Er hatte zum Beispiel betont, dass seine Studie nichts über die aktuelle Einkommens-Ungleichheit in den Vereinigten Staaten aussagt. Für Europa hatte er in einem Interview mit der F.A.Z. gesagt, er sehe die Vermögensverteilung nicht als das wichtigste Problem. Zudem hatte er anerkannt, dass die Vermögen heute viel gleichmäßiger verteilt seien als vor 100 Jahren. Das allerdings führte er noch auf der Jahrestagung der amerikanischen Ökonomenvereinigung AEA im Januar auf eine „sehr ungewöhnliche Kombination von Ereignissen im 20. Jahrhundert“ zurück (die Diskussion im Video).

Dieser Satz findet sich auch in der neuen Arbeit, die eigentlich seinen Vortrag vom Ökonomentreffen zusammenfassen soll. Doch jetzt schaltet Piketty die neuen Bemerkungen vor. Und er zeigt sich unsicher, wie sich die Vermögens-Ungleichheit im 21. Jahrhundert weiterentwickelt.

Kritik an Thomas Pikettys Thesen

Zuletzt hatte Piketty für seine Thesen zuletzt viel Kritik bekommen. Der konservative amerikanische Ökonom Gregory Mankiw hatte – ebenfalls beim Jahrestreffen der amerikanischen Ökonomen – festgestellt, dass es kein Problem sei, wenn die Zinsen das Wirtschaftswachstum übertreffen – sondern dass das sogar zu einer gesunden Wirtschaft gehöre.

Oft wurde Piketty vorgeworfen, er berücksichtige die heutigen Einkommen- und Erbschaftsteuern nicht genug. Zudem verkenne er, dass sich große Vermögen oft nicht mehr über Generationen hinweg halten ließen: weil sie oft verspielt werden, und weil sie sich meistens auf mehrere Kinder verteilen. Schon bei einer durchschnittlichen Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Familie teilt sich ein Familienvermögen in der nächsten Generation auf durchschnittlich 1,4 Familien auf. Der angesehene Wirtschaftshistoriker Hans-Joachim Voth fasste die Kritik mit dem Satz zusammen: Pikettys historische Analyse sei weitgehend richtig, doch seine Vorhersagen über die weitere Entwicklung der Ungleichheit ließen sich daraus nicht ableiten.

Ungleichheit im 21. Jahrhundert

In seinem neuen Beitrag nennt Piketty auch einige Ereignisse, die das Vermögen der Reichen künftig noch schneller wachsen lassen könnten:

  1. Eine sinkende Geburtenrate: Die hat bisher allerdings nicht nur dazu beigetragen, dass das Wirtschaftswachstum zurückgeht – sondern möglicherweise auch dazu, dass die Zinsen mit sinken. Allerdings könnte eine sinkende Geburtenrate dazu führen, dass sich die Vermögen der Reichen beim Vererben weniger verteilen.
  2. Schärferer globaler Wettbewerb um Kapital: Der allerdings scheint zumindest derzeit nicht allzu scharf zu sein. Unternehmen haben mehr Geld in den Kassen, als sie investieren wollen. Ben Bernanke sprach von einer “Ersparnisschwemme” (Savings Glut). Die Zinsen nähern sich der Nulllinie oder unterschreiten sie sogar.

Piketty selbst folgert jetzt: „Welche Kräfte sich am Ende durchsetzen, ist relativ unsicher.“

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