Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Die Gefahren großer Vermögensverwalter

Seit Ausbruch der Krise gelten große Banken als Gefahrenquelle für die Stabilität des Finanzsystems. Große Vermögensverwalter gelten dagegen als harmlos. Das ist ein Irrtum.


Das größte Finanzhaus der Welt ist keine Bank, sondern die amerikanische Fondsgesellschaft Blackrock. Und dies, obgleich Blackrock erst im Jahre 1988 gegründet wurde, während viele namhafte Banken oder Versicherungen sehr viel älter sind. Ende 2014 verwaltete Blackrock in rund 1000 verschiedenen Fonds insgesamt fast 4,7 Billionen Dollar. In der Rangliste der größten Vermögensverwalter folgen in engem Abstand die Allianz sowie die amerikanischen Fondsgesellschaften Vanguard und State Street. Sie sind als Vermögensverwalter etwa halb so groß wie Blackrock und übertreffen damit immer noch die meisten Banken. Besonders in der Finanzkrise wurden Banken als potentielle Gefährdungen für die Finanzstabilität gesehen, während Vermögensverwalter als Horte der Sicherheit begriffen wurden.

Dieses Bild beginnt sich aus mehreren Gründen zu wandeln. Zum einen hat die schiere Größe der Branche das Interesse geweckt; der englische Geldpolitiker Andrew Haldane spricht nicht zufällig von einem „Zeitalter der Vermögensverwaltung“. Die Branche verwaltete im Jahre 2013 nach Schätzungen rund 87 Billionen Dollar. Dies entsprach in etwa dem Bruttoinlandsprodukt der Weltwirtschaft und drei Vierteln der von den Banken verwalteten Geldern. Die Branche der Vermögensverwalter wächst aber nicht nur rasch, in ihr findet auch eine Konzentration statt.

Die Macht der großen Vermögensverwalter wächst zudem, weil sie oft gleichgerichtet handeln, ohne dass es wettbewerbsfeindlicher Absprachen bedürfte. Viele Vermögensverwalter neigen zu einem Herdentrieb, weil es in ihrem eigenen Interesse liegt. Auch wenn sich dies langsam zu ändern beginnt, wird die Leistung von Vermögensverwaltern immer noch oft im Vergleich zu einem Finanzmarkt-Index gemessen. So wird das Anlageergebnis eine Fondsmanagers in deutschen Aktien oft an der Entwicklung des Dax gespiegelt.

Dies führt zu zwei verhängnisvollen Entwicklungen. Erstens kann sich ein Vermögensverwalter auch dann bestätigt fühlen, wenn er in einem Jahr mit seinem Fonds 25 Prozent verliert, sofern der Vergleichsindex um 30 Prozent einbricht. Zweitens besteht für Fondsmanager ein großer Anreiz, ihre Anlagestrategie an dem Index auszurichten, denn für sie ist es in erster Linie wichtig, nicht schlechter als der Index abzuschneiden. Das führt dazu, dass viele Fondsmanager stillschweigend einem Index folgen. Da sich auch die immer mehr in Mode kommenden börsengehandelten Indexfonds (ETF) an Indizes ausrichten, laufen viele große Vermögensverwalter am Markt in eine Richtung. Wichtig ist hier: Dieser Herdentrieb ist nicht das Ergebnis irrationalen Verhaltens; im Gegenteil. Die Fondsmanager verhalten sich aus ihrer Sicht völlig vernünftig.

Dies kann Kursausschläge und damit auch die Unsicherheit vergrößern, wenn gleichzeitig an Finanzmärkten die Umsätze geringer werden. Dies ist vor allem an vielen Anleihemärkten der Fall. Die Märkte für Wandelanleihen und normale Unternehmensanleihen sind traditionell nicht sehr liquide, aber mittlerweile sind auch viele Märkte für Staatsanleihen nicht mehr so liquide wie früher. So war in den vergangenen Monaten auch am riesigen Markt für japanische Staatsanleihen die Handelbarkeit vieler Titel gering. Dazu tragen die Käufe von Zentralbanken bei. Der Rückgang der Liquidität an den Anleihemärkten erklärt sich aber auch aus dem Rückzug vieler Banken, die dort früher als Marktmacher oder als Eigenhändler tätig waren, sich in der Zwischenzeit aber mit Rücksicht auf strengere Eigenkapitalanforderungen aus diesem Geschäft zurückgezogen haben.

Wenn an wenig liquiden Märkten gleichzeitig viele Großanleger auf nur einer Marktseite agieren wollen, kann dies zu schweren Verwerfungen führen. Darauf haben in diesen Tagen die Ökonomen Ingo Fender und Ulf Lewrick  im neuen Quartalsbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) verwiesen: “Meanwhile, bond markets are concentrating as key participants, such as asset managers, shrink in number but expand in size. As a result, market liquidity may increasingly come to depend on the portfolio allocation decisions of only a few large institutions. And, more broadly, investors may find that liquidating positions proves more difficult than expected, particularly in the context of an adverse shift in market sentiment.” Diese Gefahr ist vor allem dann akut, wenn die Stimmung an den Märkten dreht und viele Großanleger gleichzeitig Anleihen verkaufen wollen.

Zu beobachten waren solche Verwerfungen in der Mitte des Jahres 2013 an den Anleihe- und Aktienmärkten von Schwellenländern. In vielen Schwellenländern sind die Finanzmärkte deutlich kleiner als in den Industrienationen. Als der damalige Vorsitzende der Fed, Ben Bernanke, im Mai 2013 eine Reduzierung der Staatsanleihenkäufe durch die Fed in Aussicht stellte, begannen viele Vermögensverwalter in den Industrienationen, Wertpapiere aus Schwellenländern zu verkaufen, um mit dem Erlös Anleihen in den Vereinigten Staaten zu erwerben. Über mehrere Monate kam es daraufhin zu schweren Kursverlusten an Wertpapiermärkten in den Schwellenländern, deren Währungen am Devisenmarkt deutlich abwerteten. Gleichzeitig begannen Diskussionen über die Stabilität der Finanzmärkte und über die Nachhaltigkeit der Wirtschaftsmodelle von Schwellenländern, die Leistungsbilanzdefizite ausweisen.

Potentielle Gefahren entstehen auch durch die Neigung von Vermögensverwaltern, in großem Stil Dollar-Anleihen von Staaten und Unternehmen aus Schwellenländern zu erwerben. Darauf weist der Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Hyun Song Shin, hin. Denn wenn der Dollar am Devisenmarkt aufwertet, drohen Schuldner in Schwellenländer in Schwierigkeiten zu geraten, weil sie ihre Anleihen nun in teuren Dollar tilgen müssen. Auch daraus können Belastungen für die Finanzmärkte in Schwellenländern entstehen.

Derzeit beginnen Diskussionen, wie Finanzhäuser reagieren, wenn die Zinsen wieder einmal steigen sollten – zuerst vermutlich in den Vereinigten Staaten und anschließend auch in Europa. Steigende Zinsen gehen mit Kursverlusten für Anleihen einher, und in den Bilanzen vieler Banken und Vermögensverwalter befinden sich erhebliche Bestände an Anleihen. Gleichzeitig würden diese Finanzunternehmen im Falle steigender Zinsen von höheren Kupons bei Käufen neuer Anleihen profitieren. Ob die Erträge aus höheren Kupons für Neuanlagen Belastungen aus Kursverlusten auf im Bestand befindliche Anleihen in etwa kompensieren können, ist eine wichtige Frage, die heute von Fachleuten erörtert wird.

Aus der Sicht von Vermögensverwaltern hängt die Antwort auf diese Frage davon ab, ob sie ihre Anleihen bis zur Fälligkeit halten können. Da Anleihen gewöhnlich zum Nennwert getilgt werden, müssen sich solche Vermögensverwalter um zwischenzeitliche Kursverluste nicht sorgen. Anders sieht es bei Finanzhäusern aus, die Anleihen nicht bis zur Fälligkeit halten, sondern während ihrer Laufzeit verkaufen müssen. Hier können im Falle eine Zinsanstiegs erhebliche Kursverluste anfallen. Heute wird häufig gefragt, wie Vermögensverwalter durch eine längere Phase sehr niedriger Zinsen gelangen. Die Frage, wie sie durch eine Phase steigender Zinsen gelangen, ist nicht weniger wichtig.