Sag’ mir, wann dein Chef die erste Stelle hatte, und ich sage dir, wie er führt.
Wenn Manager neu an die Spitze rücken, wie etwa gerade John Cryan bei der Deutschen Bank, dann gibt es zwei Fragen: Wie ist er denn so? Und: Was wird er tun? Zur ersten Frage gibt es nach Cryans erstem öffentlichen Auftritt in Frankfurt erste Antworten. Der Mann ist ein ruhiger Brite, der erstaunlich gut Deutsch spricht. Zur zweiten Frage hat er zwar einen Plan vorgelegt, wie es weitergeht samt massiver Stellenstreichungen. Aber was davon wirklich genau so kommt, wie also sein Management-Stil tatsächlich sein wird, das wird man ganz genau erst in einigen Jahren wissen.
Ökonomen glauben allerdings, dass man den Management-Stil von CEOs besser vorhersehen kann als gemeinhin angenommen. Eine simple Zahl genügt, nämlich das Jahr, in welchem jemand seine erste Stelle angetreten hat. Die Forscher Antoinette Schoar und Luo Zuo haben die Daten von 5300 amerikanischen Wirtschaftsbossen untersucht und festgestellt, dass Manager durch ihre Lebenserfahrung geformt werden. Die wichtigste Erfahrung machen sie dabei offenbar in den ersten Jahren in ihrer ersten Vollzeitstelle.
Die wirtschaftliche Lage in dieser ersten intensiven Zeit im Beruf formt ihren Management-Stil, aber nicht nur das. Sie formt auch ihre Karriere. Wer seine erste Stelle in der Rezession angetreten hat, stieg in Durchschnitt schneller auf, mit weniger Stationen. Außerdem wechselten sie seltener in andere Branchen. Aber die untersuchten Chefs endeten auch eher an der Spitze eines kleineren Unternehmens und verdienten etwa 20 Prozent weniger, als die in anderen Zeiten gestarteten Chefs.
Dies könnte nun daran liegen, dass die klügeren und besseren Manager das schon vorhersehen und als junge Leute abwarten und etwas anderes tun, bis die Zeiten besser sind, um gerade nicht in der Rezession in den Beruf zu starten. Doch die Studie umging diesen möglichen Fehler geschickt: Die Forscher verwendeten nicht das genaue erste Berufsjahr des einzelnen Managers, sondern das Jahr, in dem die späteren CEOs 24 Jahre alt wurden. 24 Jahre war nämlich das Alter, in dem die 5300 untersuchten Manager im Durchschnitt ihren ersten Job antraten (in Amerika beginnt man früher als in Deutschland). Das veränderte die Ergebnisse nicht. Wer in der Rezession 24 Jahre alt wurde, dessen Karriere nahm einen anderen Verlauf.
Viel davon hat damit zu tun, dass die ersten Stellen, die Manager in der Rezession antraten, schlechter und vor allem schlechter bezahlt waren. Doch das erklärt noch nicht den ganzen Effekt, finden die Autoren heraus. Es sind auch nicht die großen Bewegungen wie die Dotcom-Bubble oder Finanzkrise allein, die einen wesentlichen Einfluss auf diese Ergebnisse haben: Denn die Ergebnisse sind noch genauso stimmig, wenn man diese Jahre ausschließt.
Der Hauptgrund liegt woanders: Die Angestellten kümmert es in der Regel nicht besonders, wie schnell ihr Chef Karriere gemacht hat und ob er nun mit 45 oder 53 Jahren an die Spitze rückt. Sie dürfte aber interessieren, was für einen Chef sie haben: einen eher konservativen, der das Geld zusammenhält, die Kosten niedrig hält und dafür sorgt, dass die Firma einigermaßen brav Steuern zahlt? Oder einen Draufgänger, der mit hohem Hebel operiert, viel investiert, auch in Forschung und Entwicklung, und der mit den Steuern trickst?
Die Forscher finden einen erstaunlich klaren Zusammenhang. Menschen, die in der Rezession ihre erste Stelle angetreten haben, sind später die konservativeren Manager. Sie sorgen für geringere Verwaltungsausgaben, nutzen weniger intensiv die Schlupflöcher der Steuergesetzgebung und operieren mit weniger Kredit, also einem geringeren Hebel.
Das mag für manche langweilig und wenig erfolgversprechend klingen. Haben wir nicht gelernt, dass nur hohes Risiko auch großen Erfolg bringen kann?
Doch was genau diesen Erfolg angeht, kommen die Forscher keinesfalls zu dem Ergebnis, dass Rezessions-Bosse die schlechteren Chefs sind. Ihre Kapitalrenditen unterscheiden sich kaum von denen der Boom-CEOs. Zusätzlich schwanken ihre Ergebnisse nicht so stark. Beide Typen von Wirtschaftsbossen sind etwa gleich gut darin, ihre Macht zu erhalten. Sie bleiben etwa eine gleich lange Zeit CEO. “Deshalb sind alle Ergebnisse, die wir über die Unterschiede in Managementstilen finden, nicht getrieben durch unterschiedliche Aussichten in ihren Unternehmen.”
Stattdessen scheint es nach dieser Untersuchung ganz offensichtlich: Erlebt man in den ersten Jahren des Berufslebens eine Wirtschaft, die darniederliegt, so vergisst man diese Erfahrung nie und wird ein eher konservativer Manager. Erlebt man hingegen gute Zeiten, in denen viel investiert, viel eingestellt und viel riskiert wird, so vergisst man das ebenfalls nie – und ahmt es selbst später nach. Das führt allerdings nicht dazu, dass in der Rezession sozialisierte CEOs später auch bessere Chefs für eine Rezession sind und umgekehrt. Die Forscher finden dafür keine Bestätigung: “Unsere Ergebnisse zeigen, dass Rezessions-CEOs in Rezessionen und Nicht-Rezessionen nicht unterschiedlich gut abschneiden”, schreiben Schoar und Zuo.
Dass es eine solch lange Pfadabhängigkeit gibt, mutet erstaunlich an, schließlich erlebt jeder Manager in seiner Karriere mehrere Aufs und Abs der Wirtschaft. Der Anfang aber ist offenbar prägender als alles, was folgt. Das gilt übrigens nicht nur für Wirtschaftsbosse, sondern für jedermann. Frühere Studien haben gezeigt, dass die wirtschaftliche Lage des Heimatlandes während der Jugendjahre (zwischen 18 und 25) unsere politischen Überzeugungen formt. Wer in schlechten Zeiten jung war, mag Umverteilung und glaubt, dass Reichtum Zufall ist. Er ist skeptisch, ob staatliche Institutionen funktionieren und vertraut ihnen weniger.
Was bedeutet das nun für die Zukunft der Deutschen Bank? Zum neuen Ko-Chef und baldigen Alleinherrscher John Cryan muss man sagen, dass er im Jahr 1981 sein Studium abschloss und 1982 seine erste Stelle antrat, als Wirtschaftsprüfer in Großbritannien. 1981 war ein Jahr, in dem die Wirtschaft in Großbritannien schrumpfte, 1982 nicht mehr. Sein Vorgänger Anshu Jain hingegen trat seine erste Stelle im Jahr 1985 in Boston an. Damals wuchs die amerikanische Wirtschaft robust um mehr als sieben Prozent. Vertraut man der Studie, ist es wahrscheinlich, dass Cryan konservativer agiert als Jain. So klingt auch sein erster Plan. Ob die Studie allerdings in diesem Fall Vorhersagekraft hat, ist nicht gewiss. Die Autoren haben aus nicht näher erklärten Gründen die Manager verschiedener Branchen ausgelassen, darunter: Banken.