Fazit – das Wirtschaftsblog

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Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Golf dich hoch

Kann man das Versagen des VW-Konzerns auch als Versagen der Männer interpretieren? Es waren jedenfalls ausschließlich männliche Manager, die in Wolfsburg das Sagen hatten, als bei den Abgaswerten gelogen und betrogen wurde. Martin Winterkorn soll den Konzern im Stile eines Alleinherrschers geführt haben – eine Frau suchte man in seiner Vorstandsriege vergeblich. Erst als den Automanagern der Abgasskandal um die Ohren flog, war Schluss mit der reinen Männerwirtschaft. VW holte Christine Hohmann-Dennhardt vom Konkurrenten Daimler in den Vorstand und schuf für sie das Ressort “Integrität und Recht”.

Der Fall Volkswagen bedeutet nicht, dass Frauen ihre Arbeit grundsätzlich besser machen oder eine VW-Chefin den Betrug verhindert hätte. Wissenschaftler haben aber viele Hinweise gesammelt, dass Frauen stärker auf Kooperation setzen als Männer, was für gemischte Führungsteams spricht. Dennoch sind Frauen nicht auf dem Vormarsch in deutsche Vorstände. Die Beratungsgesellschaft EY hat gerade nachgezählt: Nur 40 von 681 Vorständen in Dax, M-Dax, S-Dax und Tec-Dax sind weiblich, das entspricht lediglich einem Anteil von knapp 6 Prozent. 2013 war der Anteil schon einmal etwas höher.

Die Gründe für die Männerdominanz sind vielfältig – und zum Teil strittig. Klar ist, dass Mütter im Schnitt mehr Zeit für die Kinderbetreuung aufbringen als Väter. Sie sitzen deshalb häufiger zu Hause und kümmern sich um den Nachwuchs, während ihre männlichen Kollegen Karriere machen. Schwieriger zu erhärten sind andere diskutierte Ursachen: Meiden Frauen den großen Karrieresprung, weil ihnen der Umgang an der Spitze zu rauh ist? Fehlt ihnen gar der allerletzte Wille zur Macht? Oder sind es Seilschaften von Männern, die gerne unter sich bleiben und den Frauen den Weg an die Spitze versperren?

Eine neue Studie, die in der vergangenen Woche beim wichtigsten Branchentreffen der Ökonomen präsentiert wurde, der Jahreskonferenz der American Economic Association (AEA) in San Francisco, zielt auf die letztgenannte Frage: Sind die Kontakte und sozialen Beziehungen, die eine Person pflegt, entscheidend für die Karriere?

Antworten fanden die Autoren (eine Forscherin und drei Forscher der University of Singapore) an einem ungewöhnlichen Ort, nämlich auf dem Golfplatz. Golf ist eine Männerdomäne und nicht gerade ein Sport für Arme. Wo sonst werden Seilschaften gepflegt, Deals besprochen und Chefposten verteilt?

Etwa neun von zehn Golfern in Singapur sind Männer. Lassen sich Frauen auf dem Grün blicken, kann das ihren Karrieren nutzen – oder nach hinten losgehen, vermuteten die Ökonomen. Schaden könne das Golfen ihren Laufbahnen, weil Männer und Frauen in ihren sozialen Netzwerken gerne unter sich blieben. Frauen, die sich dennoch in männerdominierte Aktivitäten einmischten, müssten beruflich mit Nachteilen rechnen, schreiben die Autoren mit Verweis auf eine frühere Forschungsarbeit. Andererseits könne das Golfen für Frauen ein Türöffner sein. Nämlich dann, wenn sie beim Sport in den männlich dominierten Zirkeln akzeptiert werden und beweisen, dass sie in der Lage sind, Geschlechtergrenzen erfolgreich zu überwinden.

Um herauszufinden, welche der beiden Vermutungen stimmt, verglichen die Forscher die Namen der Verwaltungsratsmitglieder (dem höchsten Gremium der Unternehmen) aus 431 in Singapur an der Börse notierten Unternehmen mit den Namen der Golfspieler in Singapur in den Jahren 2000 bis 2014. Dieser Abgleich ergab eine erhebliche Schnittmenge: Ein hoher Anteil derjenigen, die in den Großunternehmen das Zepter schwingen, schwingt auch den Golfschläger.

Die überraschendere Erkenntnis aber ist diese: “In einem Datensatz mit allen Golfpartien in Singapur stoßen wir darauf, dass weibliche Golfer eine um 54 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit haben, im Führungsgremium zu sein, als männliche Golfer”, fassen die Forscher zusammen. Das “Jungs-Spiel zu spielen” erleichtere Frauen den Sprung in die Führungsetage, legt die Untersuchung nahe. Auf dem Golfplatz sammelten die Frauen das nötige Vitamin B (die Forscher nennen das “Sozialkapital”), um die gläserne Decke zu zertrümmern.

Wie so oft stellt sich auch in dieser Studie die Frage nach Henne und Ei. Ist das Golfen tatsächlich der Karrierebooster – oder spielen erfolgreiche, wohlhabende Frauen einfach nur besonders gerne Golf in ihrer Freizeit? Eine Reihe von Kontrolltests soll solche Zweifel zerstreuen. So zeigen die Forscher, dass der Karrierevorsprung von golfspielenden Frauen gegenüber den golfspielenden Männern besonders stark ist, wenn nur sehr große Unternehmen sowie Branchen mit geringerem Frauenanteil betrachtet werden. Daraus folgern sie, dass es tatsächlich das Golfen sei, das die Türen öffnet. Denn in anonymen Großkonzernen mit vielen Hierarchiestufen sowie in den männerlastigen Branchen sei ein funktionierendes Netzwerk für aufstiegswillige Frauen besonders wichtig. Und das entstehe nun mal beim Golfen.

Wie gut die Frauen mit den Golfschlägern umgehen können, spielt für ihren beruflichen Erfolg keine Rolle, stellten die Forscher fest. Die Frauen mit Führungserfahrung hatten im Schnitt kein besseres Golf-Handicap als normale Berufstätige oder Hausfrauen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sportlicher Ehrgeiz beruflich nichts bringt. Einen ganz anderen Schluss legt eine EY-Befragung von 400 Frauen in hohen oder sehr hohen Positionen bei Unternehmen in Europa, Asien und Amerika nahe. “Die Mehrheit der befragten Frauen in Führungspositionen sagte, dass ein Sporthintergrund helfen kann, die Karriere zu beschleunigen, und einen positiven Einfluss auf Einstellungsentscheidungen hat”, ist in der Auswertung aus dem Jahr 2014 nachzulesen. Die besonders erfolgreichen Frauen entpuppten sich dabei auch als besonders ehrgeizige Sportlerinnen. Ihr Konkurrenzdenken bezeichneten 52 Prozent der absoluten Führungsfrauen als “Schlüsselfaktor” in ihrer Karriere. Bei Managerinnen, die in der Hierarchie tiefer stehen, ist dieser Anteil mit 37 Prozent deutlich kleiner.

Was folgt aus alledem? Die Autoren der Golf-Studie sehen sich darin bestätigt, dass es eine gläserne Decke zwischen den Geschlechtern gibt, die den Aufstieg von Frauen in Unternehmen behindert. Netzwerke zu knüpfen und Kontakte zu einflussreichen männlichen Kollegen zu pflegen kann demnach der Karriere auf die Sprünge helfen. Es hilft demnach, ganz bewusst mit Verhaltensweisen zu brechen, die mit dem eigenen Geschlecht assoziiert werden, und sich in der Freizeit in Männerdomänen vorzuwagen.

Aber ist das alles tatsächlich nötig? Müssen Frauen sich die Füße auf dem Golfplatz platt stehen, um ganz nach oben zu kommen? Weniger unangenehm erscheint eine andere Strategie. Sie folgt aus einer weiteren Studie, die Forscher bei der Ökonomen-Konferenz in San Francisco vorgestellt haben. Demnach sind die Fähigkeiten in Mathematik eng mit den Karriereaussichten von Frauen (und Männern) verknüpft. Wer also in der Schulzeit besonders gut rechnen lernt, muss später für den Aufstieg keine teure Golfausrüstung kaufen.