An Finanzmärkten lässt sich die künftige Inflation messen und handeln. Geldpolitiker und Ökonomen nehmen die Daten sehr ernst – zu Unrecht.
An modernen Finanzmärkten lässt sich vielerlei handeln und bewerten. Dazu zählt auch die in den kommenden Jahren erwartete Inflationsrate. Die aus Finanzprodukten gewonnenen Prognosen werden stark von Geldpolitikern 1) und Ökonomen beachtet, weil nach der Theorie die künftige Inflationsrate von der erwarteten Inflationsrate beeinflusst wird. So hat der jüngste Fall der langfristigen Inflationserwartungen unter zwei Prozent in den Vereinigten Staaten Spekulationen ausgelöst, die Fed werde ihren Leitzins im kommenden Jahr nur ein- oder zweimal erhöhen. Auch in der Eurozone sind die an Finanzmärkten ablesbaren Inflationserwartungen zurückgegangen.2) Dies hat Spekulationen befördert, die Europäische Zentralbank könnte im März eine weitere Lockerung ihrer Geldpolitik beschließen.
Nur, wie misst man korrekt Inflationserwartungen? Es gibt durchaus gute Gründe, die an den Finanzmärkten ablesbaren Inflationserwartungen nicht zu ernst zu nehmen. Grundsätzlich existieren zwei Möglichkeiten, solche Erwartungen zu ermitteln. Ein Indikator für Inflationserwartungen sind sogenannte Inflationsswaps. Das sind für Großanleger geeignete Produkte an Terminmärkten, bei denen künftige feste Zinszahlungen gegen künftige variable, durch die Inflationsrate bestimmte Zinszahlungen getauscht werden. Eine zweite Möglichkeit, an Finanzmärkten Inflationsraten zu messen, ist ein Vergleich der Renditen normaler Anleihen mit inflationsindexierten Anleihen gleicher Laufzeit und gleicher Bonität. Fachleute sprechen von der “Breakeven-Inflationsrate”.
Wenig Liquidität auf den Märkten
In beiden Fällen ist Vorsicht geboten. An Finanzmärkten existieren Verzerrungen von Preisen und damit auch Verzerrungen der angezeigten Inflationserwartungen. Ein solcher Einfluss ist eine geringe Liquidität in einem Markt, die zu großen Preisausschlägen führt. Ein anderer verzerrender Einfluss ist der Herdentrieb, der nicht nur Privatanleger, sondern auch Großanleger erfasst. Viele Großanleger schließen sich aus Vorsichtsgründen einem vorherrschenden Trend an und verstärken ihn damit.
„Nicht so schnell“, rufen daher Nikolay Gospodinov, Paula Tkac und Bin Wei von der Federal Reserve Bank of Atlanta allen zu, die aus den jüngsten Daten einen Rückgang der Inflationserwartungen konstatieren und daraus geldpolitischen Handlungsbedarf ableiten. Die Bank zeigt, dass, sobald die Preise um Verzerrungen bereinigt werden, die erwartete Inflationsrate an den amerikanischen Finanzmärkten immer noch 2 Prozent beträgt. Und die Federal Reserve Bank of San Francisco gelangt zu dem Ergebnis, dass die am Markt beobachtbaren Inflationsraten sehr schlechte Schätzungen der künftigen Inflation sind.
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- Die Geldpolitik leitet Inflationserwartungen allerdings nicht alleine aus Marktpreisen ab. So schaut sich die EZB unter anderem Daten aus ihrem “Survey of Professional Forecasters” an.
- Aktuell beträgt die auf Sicht von 5 Jahren erwartete Inflationsrate 1,94 Prozent in den Vereinigten Staaten und 1,59 Prozent in der Eurozone.