Fazit – das Wirtschaftsblog

Fazit - das Wirtschaftsblog

Für alle, die’s genau wissen wollen: In diesem Blog blicken wir tiefer in Börsen und andere Märkte - meist mit wissenschaftlicher Hilfe

Das Beste aus der modernen Makroökonomik

Wirtschaftswachstum, Verteilung, Finanzkrisen und die Wirksamkeit von Geld- und Finanzpolitik: Die moderne Makroökonomik ist nicht weltfremd, wie ihre Kritiker behaupten. Ein Überblick über die einflussreichsten Artikel der vergangenen 25 Jahre.

Was sind die einflussreichsten wirtschaftswissenschaftlichen Fachartikel des vergangenen Vierteljahrhunderts? Laurent Linnemer und Michael Visser sind dieser Frage nachgegangen. Ihr Kriterium: Sie haben nachgeprüft, wie oft die in den Jahren 1991 bis 2015 in den fünf international führenden Fachzeitschriften erschienenen Artikel von anderen Wissenschaftlern zitiert worden sind. Bei diesen Zeitschriften handelt es sich um American Economic Review (AER), Journal of Political Economy (JPE), Econometrica (ECMA), Quarterly Journal of Economics (QJE) und Review of Economic Studies (RESTUD).

Linnemer und Visser stellen natürlich die Gesamtwertung für alle Artikel in den Vordergrund.1) Uns interessieren hier alleine die Artikel, die auf dem Gebiet “Makroökonomik und monetäre Ökonomik” erschienen sind. Hier sind die Top Ten mit kurzen Angaben zu Inhalt und Bedeutung.

 

Nr. 1
Lawrence J. Christiano, Martin Eichenbaum and Charles L. Evans: Nominal Rigidities and the Dynamic Effects of a Shock to Monetary Policy  (JPE 2005)

Mit wohl nur geringer Übertreibung wird man die beiden amerikanischen Ökonomen Lawrence Christiano und Martin Eichenbaum als die Großmeister der modernen makroökonomischen DSGE-Modelle bezeichnen dürfen. Seit rund zwei Jahrzehnten legen die beiden Professoren von der Northwestern University zusammen mit wechselnden Co-Autoren gesamtwirtschaftliche Modelle vor, von denen die im Jahre 2005 vorgelegte Arbeit die weitaus populärste ist. Noch heute wird sie an Universitäten als Prototyp eines mittelgroßen DSGE-Modells behandelt, mit dem sich die Wirkung von Geldpolitik auf die Wirtschaft simulieren lässt. Die Wirkung von Christiano/Eichenbaum reicht über die traditionelle universitäre Forschung und Lehre hinaus: Seit über zehn Jahren bieten sie einwöchige Workshops für Ökonomen aus Zentralbanken an, die sich großer Beliebtheit erfreuen.

Das Modell ist neokeynesianisch in dem Sinne, dass es abweichend vom Modell perfekter Märkte Friktionen enthält. Das sind in diesem Falle unter anderem träge Anpassungen von Löhnen und Preisen. Das Modell führt zu folgenden Einschätzungen über die Effekte einer expansiven Geldpolitik, zu denen interessanter Weise vor allem die Lohnrigidität, aber kaum die Preisrigidität beiträgt:

“1. output, consumption, and investment respond in a hump-shaped fashion, peaking after about one and a half years and returning to preshock levels after about three years;
2. inflation responds in a hump-shaped fashion, peaking after about two years;
3. the interest rate falls for roughly one year;
4. real profits, real wages, and labor productivity rise; and
5. the growth rate of money rises immediately.”
Die außerordentliche Popularität dieses Modells erklärt sich mit seiner empirischen Leistungsfähigkeit; die Entwicklung der amerikanischen Wirtschaft zwischen 1965 und 1995 konnte es gut abbilden, gleichzeitig war es ein elegantes Ausgangsmodell für weitere Entwicklungen. Im Nachhinein betrachtet hat das Modell, das vor der Finanzkrise entwickelt wurde, aber mindestens ein erhebliches Problem: Es fehlen Finanzmärkte, an denen Ineffizienzen auftreten können. Die Kritik betrifft zunächst nur die konkrete Ausgestaltung des Modells, aber nicht grundsätzlich DSGE-Modelle (siehe Nr. 7 weiter unten).

 

Nr. 2
Richard Clarida, Jordi Gali and Mark Gertler: Monetary Policy Rules and Macroeconomic Stability: Evidence and Some Theory (QJE 2000)

Auch in diesem Papier geht es um Geldpolitik. Die drei Autoren wollen theoretisch und empirisch überprüfen, ob mit der Übernahme der Führung der Fed durch Paul Volcker im Jahre 1979 ein Regimewechsel in der amerikanischen Geldpolitik stattgefunden hat: “In some ways, our story should not be surprising. Many economists agree that monetary policy in the United States has been relatively well managed from the time Paul Volcker took over the helm, through the current regime of Alan Greenspan. It is also generally agreed that monetary policy was not so well managed in the fifteen or so years prior to Volcker. The contribution of our paper is to add precision to this conventional wisdom.”
Die Autoren entwickeln und testen in einem neokeynesianischen Modell geldpolitische Regeln, konkret Taylor-Regeln. Dabei zeigt sich in der Tat ein Regimewechsel; die vor Volcker nachweisbare Regel, in der die Fed passiv reagierte, ist dazu geeignet, eine stärkere makroökonomische Instabilität als Folge von Schocks zu erzeugen. Die erhebliche Bedeutung dieser Arbeit für die Wissenschaft und die Geldpolitik – “a famous paper” – besteht in der Aussage, dass eine gleichermaßen vorausschauende und zupackende Geldpolitik makroökonomische Instabilitäten reduzieren kann. Diese Auffassung ist sehr einflussreich gewesen, auch wenn, wie wir noch sehen werden, die Analyse nicht unbestritten geblieben ist.

 

Nr. 3
Frank Smets and Rafael Wouters: Shocks and Frictions in US Business Cycles: A Bayesian DSGE Approach (AER 2007)

Frank Smets (EZB) und Rafael Wouters (Belgische Nationalbank) sind sozusagen die europäische Antwort auf Christiano/Eichenbaum. Sie haben ein sehr populäres neokeynesianisches DSGE-Modell zunächst für die Eurozone entwickelt. Das vorliegende Papier beschreibt eine Anwendung ihres Modells auf die Vereinigten Staaten. Das Modell wird nicht nur von der EZB, sondern auch von anderen Zentralbanken geschätzt.2)

Wie bei Christiano/Eichenbaum/Evans gibt es Friktionen an Güter- und Arbeitsmärkten, aber nicht an Finanzmärkten. Die beiden Modelle weisen Ähnlichkeiten auf, sind aber nicht identisch. So spielen bei Smets/Wouters Rigiditäten an Gütermärkten für die Effekte von Geld- oder Finanzpolitik eine größere Rolle.

 

Nr. 4
Nobuhiro Kiyotaki and John Moore: Credit Cycles (JPE 1997)

Jetzt kommen die Finanzmärkte! Die Arbeit von Kiyotaki und Moore gilt als eines der wichtigsten Papiere der ersten Generation der Macrofinance-Literatur, die gesamtwirtschaftliche Theorie und Finanztheorie miteinander verbinden will. Grundlegend für diese Literatur ist, dass hier die Störungen durch die Wirtschaft selbst verstärkt werden und nicht, wie in der traditionellen makroökonomischen Literatur, alleine durch äußere Schocks in die Modelle integriert werden.

Das Modell von Kiyotaki/Moore hat, wenn auch unter anderen Bezeichnungen, Unternehmen und private Haushalte. Die Unternehmen finanzieren Investitionen, indem sie bei den Haushalten Kredit aufnehmen. Jetzt kommt die Friktion, die das Modell so interessant macht: Die Haushalte können die Unternehmen nicht zwingen, ihre Kredite zurückzuzahlen, wenn diese nicht wollen. Deshalb werden die Kredite nur gegen langfristige Sicherheiten wie Land oder Gebäude vergeben, die gleichzeitig den Unternehmen auch als Produktionsfaktor dienen.

Nehmen wir nun an, die Wirtschaft gleite durch einen äußeren Einfluss in eine leichte Schwäche ab. In diesem Falle werden die Unternehmen weniger ertragreich, was bedeutet, dass der Wert ihres Sachkapitals fällt, das gleichzeitig den Kreditgebern als Kreditsicherheit dient. Die Haushalte werden daraufhin ihre Kreditvergabe reduzieren wollen, was die Unternehmen weiter schwächt und damit den Wert von deren Sachkapital weiter reduziert.

Dieser Mechanismus ist zentral für Teile der modernen Macrofinance-Literatur und für moderne Erklärungen von Finanzkrisen: Imperfekte Kreditmärkte können Konjunkturkrisen verschärfen, weil in ihnen Kreditsicherheiten (“collateral”) knapp werden.

 

Nr. 5
Robert E. Hall and Charles I. Jones: Why Do Some Countries Produce So Much More Output Per Worker Than Others? (QJE 1999)

Warum sind manche Länder reicher als andere? Das ist eine Frage, die bis heute von Ökonomen kontrovers diskutiert wird. Robert Hall und Charles Jones werfen die Frage im Kontext der Leistungsfähigkeit von Beschäftigten auf: “In 1988, output per worker in the United States was more than 35 times higher than output per worker in Niger. In just over ten days, the average worker in the United States produced as much as an average worker in Niger produced in an entire year. Explaining such vast differences in economic performance is one of the fundamental challenges of economics.”

Eine unterschätzte Größe in vielen Analysen wirtschaftlichen Wachstums sei etwas, was die beiden Autoren als “soziale Infrastruktur” oder als “soziale Institutionen” bezeichnen: “Social institutions to protect the output of individual productive units from diversion are an essential component of a social infrastructure favorable to high levels of output per worker. Thievery, squatting, and Mafia protection are examples of diversion undertaken by private agents. Paradoxically, while the government is potentially the most efficient provider of social infrastructure that protects against diversion, it is also in practice a primary agent of diversion throughout the world. Expropriation, confiscatory taxation, and corruption are examples of public diversion. Regulations and laws may protect against diversion, but they all too often constitute the chief vehicle of diversion in an economy.”
Nun war natürlich auch schon vor 1999 bekannt, dass die Qualität von Institutionen eine Rolle für Wohlstandsunterschiede zwischen Ländern spielt. Der Anspruch der Arbeit der beiden Autoren bestand darin, zu zeigen, wie groß die Rolle dieses Einflussfaktors ist. Ihre Zusammenfassung lautet in Auszügen:
“1. The large variation in output per worker across countries is only partially explained by differences in physical capital and educational attainment. Paralleling the growth accounting literature, levels accounting finds a large residual that varies considerably across countries.
2. Differences in social infrastructure across countries cause large differences in capital accumulation, educational attainment, and productivity, and therefore large differences in income across countries.
3. The extent to which different countries have adopted different social infrastructures is partially related to the extent to which they have  been influenced by Western Europe.”
Wieder einmal zeigt sich, dass aus der Bildung von Sachkapital alleine kein dauerhaft dynamisches Wirtschaftswachstum entsteht.

 

Nr. 6
Oded Galor and Joseph Zeira: Income Distribution and Macroeconomics (RESTUD 1993)

Fast ein Vierteljahrhundert ist diese Arbeit alt, aber wie aktuell ist das Thema: die Bedeutung der Ungleichheit von Einkommen und Vermögen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung und die Wohlstandsunterschiede zwischen Ländern.

In vielen makroökonomischen Modellen gibt es ein repräsentatives Individuum. In einem solchen Kontext lassen sich Ungleichheitsphänomene schlecht untersuchen. Galor/Zeira bauen ein Modell mit unterschiedlichen Individuen. Anwendung findet ein Modell überlappender Generationen und es gibt eine Friktion, nämlich einen begrenzten Zugang zu Kapitalmärkten. Die Friktion sorgt dafür, dass die Entscheidung, ob ein junger Mensch eine ungelernte Arbeit ausführt oder in Humankapital investiert, das ihm später einen anspruchsvollen und besser bezahlten Job verspricht, von der finanziellen Ausstattung der Eltern abhängt.

Aus dem Modell folgt, dass die Verteilung in einer Wirtschaft Einfluss auf das kurz- wie auf das langfristige Wirtschaftswachstum nimmt: “Hence, we can conclude that economies with more equal income distribution adjust better, with small income losses, to macroeconomic shocks than economies with highly unequal distribution of income.” Daraus folgt: “Thus, we can represent our results as describing the importance of having a large middle class for the purpose of economic growth.”

 

Nr. 7
Markus Brunnermeier and Yuliy Sannikov: A Macroeconomic Model with a Financial Sector  (AER 2014)

Das Papier ist der Aufsteiger des letzten Jahres: Es ist überhaupt das einzige Papier aus den ersten Zehn, das nach der Finanzkrise entstanden ist. Markus Brunnermeier und Yuliy Sannikov, beide Professoren in Princeton, zählen zu den führenden Vertretern der zweiten Generation von Macrofinance. In diesem Papier integrieren sie einen Finanzsektor in ein DSGE-Modell – Integration heißt, dass es im Finanzsektor zu Friktionen kommen kann. Entgegen den neokeynesianischen DSGE-Modellen wie jenen von Christiano/Eichenbaum und Smets/Wouters enthält das Modell keine Friktionen in Arbeits- und Gütermärkten.

Brunnermeier/Sannikov zeigen, wie diese Friktionen nicht-lineare Folgen haben können. Aus kleinen Schocks kann eine Wirtschaft schwere Krisen generieren:  “Due to highly non-linear amplification effects, the economy is prone to instability and occasionally enters volatile crisis episodes. Endogenous risk, driven by asset illiquidity, persists in crisis even for very low levels of exogenous risk.  Endogenous leverage determines the distance to crisis. Securitization and derivatives contracts that improve risk sharing may lead to higher leverage and more frequent crises.” Damit können Brunnermeier/Sannikov unter anderem das sogenannte “Volatilitäts-Paradoxon” erklären: Das Krisenpotential baut sich in scheinbar ruhigen Zeiten auf, gekennzeichnet durch niedrige Kursausschläge (“Volatilität”) an den Finanzmärkten.

Brunnermeier/Sannikov bauen auf Arbeiten der ersten Macrofinance-Literatur wie dem Aufsatz von Kiyotaki/Moore auf, aber sie gehen in mehrfacher Hinsicht weiter. So kehrt in den Modellen der ersten Generation die Wirtschaft nach einem Schock wieder in ein Gleichgewicht zurück; bei Brunnermeier/Sannikov kann die Wirtschaft sehr lange in einem unklaren Zustand verharren. Das beschreibt unsere Zeit recht gut und dies mag ein Grund für die starke Popularität dieser Arbeit sein. Erwähnt sei aber auch, dass selbst für viele erfahrene Ökonomen die Arbeit in technischer Hinsicht äußerst anspruchsvoll ist.

 

Nr. 8
Ben S. Bernanke and Alan S. Blinder: The Federal Funds Rate and the Channels of Monetary Transmission (AER 1992)

Dieser Aufsatz ist aus der Sicht der modernen Macrofinance-Literatur ein “Klassiker”, weil er dazu beitrug, an die Bedeutung des Kredits für die Geldpolitik zu erinnern. Zuvor hatte der Monetarismus gelehrt, Geldpolitik wirke über die Geldmenge, also über die Passivseite der Bankbilanz. Nach Ansicht der den Monetaristen nachfolgenden Vertreter der realen Konjunkturzyklen hatte Geldpolitik gar keine reale Wirkung.

Ben Bernanke und Alan Blinder, die damals beide in Princeton lehrten, erläutern, wie Geldpolitik auch über den kurzfristigen Zins und die Kreditvergabe, also die Aktivseite der Bankbilanz, wirkt. Man nennt dies den “Kreditkanal” der Geldpolitik. Dieser “Kreditkanal” war in der Theorie vor dem Beitrag von Bernanke/Blinder bekannt. Allerdings war bis dahin seine empirische Basis unbefriedigend; stattdessen galt die Geldmenge als besserer Indikator für die Wirkungen von Geldpolitik auf die wirtschaftliche Aktivität (Wirtschaftswachstum und Inflation).

Bernanke/Blinder zeigen empirisch, wie Geldpolitik über den kurzfristigen Zins auf die Kreditvergabe der Banken und damit auf die Wirtschaftstätigkeit wirkt: “Finally, our results are consistent with the view that monetary policy works in part by affecting the composition of bank assets. Tighter monetary policy results in a short-run sell-off of banks’ security holdings, with little effect on loans. Over time, however, the brunt of tight money is felt on loans, as banks terminate old loans and refuse to make new ones. To the extent that some borrowers are dependent on bank loans for credit, this reduced supply of loans can depress the economy.” 

Als Transmissionsvehikel der Geldweg dienten Bernanke/Blinder damals die Mindestereserven, die Banken bei der Fed unterhalten mussten und deren Existenz die beiden Autoren einfach voraussetzten. Heute haben die Mindestreserven ihre ehemalige Bedeutung verloren; ein zweites Problem ist, dass in dem Modell geldpolitische Impulse nur über Geschäftsbanken und nicht auch über andere Intermediäre Wirkung auf die Geldpolitik entfalten. Der “Kreditkanal” wird daher heute anders begründet. Gleichwohl kamen Adrian/Shin vor wenigen Jahren in einem Handbuchartikel zu dem Schluss: “Nevertheless, the Bernanke and Blinder (1992) paper stands as a milestone in the literature on the relationship between monetary policy and the banking system.”

 

Nr. 9
Christopher A. Sims and Tao Zha: Were There Regime Switches in U.S. Monetary Policy? (AER 2006)

Clarida/Gali Gertler waren 2000 zu dem Schluss gelangt, dass die amerikanische Geldpolitik der Nachkriegszeit mit der Ankunft von Paul Volcker einen Regimewechsel erfahren hat, den sie anhand zweier von ihnen errechneter Taylor-Regeln dokumentieren. In Taylor-Regeln geschieht Geldpolitik durch Steuerung des Leitzinses, aber in dem betrachteten Zeitraum gab es Phasen, in denen das wichtigste Politikinstrument der Fed nicht der Zins, sondern die Geldmenge war. Kann man in einem solchen Falle als Ökonom die Geldpolitik durch eine Zinsregel erklären wollen, fragen Chris Sims und Tao Zha. Ihre Antwort lautet: Nein. Sie schreiben: “The Taylor rule formalism, valuable as it may be as a way to characterize policy in the last 20 years, can be seriously misleading if we try to use it to interpret other historical periods, where monetary aggregate growth was an important factor in the thinking of policy-makers.”

Sims/Tao gehen mit einer anderen ökonometrischen Analysetechnik an das Thema heran und gelangen zu dem Schluss, dass es damals mit Volckers Ankunft in der Fed keinen Regimewechsel gegeben habe: “Our most important empirical finding is that the version of our model that fits best is one that shows no change at all in coefficients either of the policy rule or of the private sector block of the model.” Die Arbeit von Sims/Tao ist rund zehn Jahre alt. Wie es so geht, sind ihre Aussagen von neueren Arbeiten in Frage gestellt worden.

 

Nr. 10
Olivier Blanchard and Roberto Perotti: An Empirical Characterization of the Dynamic Effects of Changes in Government Spending and Taxes on Output (QJE 2002)

Das Aufkommen der neokeynesianischen Makroökonomik in den neunziger Jahren rehabilitierte die Geldpolitik als konjunkturpolitisches Instrument, aber nicht die Finanzpolitik. Expansive Finanzpolitik in Krisen, unter anderem einmal empfohlen von John Maynard Keynes, galt als tot. Alte Arbeiten, die positive Effekte expansiver Finanzpolitik postulierten, galten als falsch und überholt. Die vorliegende Arbeit von Olivier Blanchard und Roberto Perotti hat das Interesse für das Studium der Folgen expansiver Finanzpolitik wieder belebt. Das erklärt die Popularität dieses Aufsatzes über die Jahre.

Die beiden Autoren zeigen anhand eines ökonometrischen Verfahrens (“VAR”) – das heute verbreiteter ist, als es damals war – empirisch für die Vereinigten Staaten, wie expansive Finanzpolitik, wenn sie für die Teilnehmer am Wirtschaftsleben überraschend kommt, zumindest kurzfristig Wirkungen haben kann:  “Blanchard and Perotti found that when taxes are decreased in the United States, GDP goes up for a while then turns around and falls back.”

Die Multiplikatoren sind allerdings nicht sehr groß. Man muss sehen, dass es hier um eine rein statistische Untersuchung handelt, die Zusammenhänge zwischen ökonomischen Variablen herstellen will, aber nicht darauf ausgelegt ist, ein bestimmtes theoretisches Modell zu testen. Die Untersuchungen der Wirkungen expansiver Finanzpolitik haben seit Ausbruch der Finanzkrise noch einmal deutlich zugenommen, mit allerdings widersprüchlichen Ergebnissen.

 


  1. In der Gesamtwertung auf Platz 1 liegt ein Aufsatz, der sich mit der Methodik empirischen Arbeitens befasst. Ein Blick auf diese Rangliste zeigt, dass makroökonomische Papiere nicht weit vorne liegen. Makroökonomik spielt wegen ihrer politischen Bedeutung in öffentlichen Diskussionen eine große Rolle (und deshalb auch in FAZIT), dominiert aber nicht das wissenschaftliche Geschehen.
  2. In einer kürzlich veröffentlichten Arbeit diskutieren die Autoren Probleme und Verbesserungen solcher Modelle aus heutiger Sicht.