Werden die Reichen immer reicher? An Thomas Pikettys Folgerung gibt es harte Kritik. Ein Buch versammelt sie.

Drei Jahre ist es her, seit Thomas Piketty in seinem großen Buch behauptet hat, die Welt entwickle sich zu einer Erbengemeinschaft, in der die Reichen ihre Vermögen immer weiter steigern. Kritik gab es daran viel, jetzt aber kommt System in die sachliche Auseinandersetzung.
Im Mai haben wir in „Fazit“ ein Buch vorgestellt, in dem Pikettys Fans ihre Beiträge zur weiteren Ungleichheitsforschung versammelt haben. Die Kritik kam in diesem Band ziemlich kurz. Es gibt aber noch einen anderen Band. Der lässt schon im Namen vermuten, dass die Kritik darin ausführlich Platz findet: „Anti Piketty“ heißt das Buch von Jean-Philippe Delsol, Nicolas Lecaussin und Emmanuel Martin. Und die Autoren sind nicht weniger prominent als die im Piketty-Fan-Buch. Waren im Fan-Buch Branko Milanovic und Paul Krugman am Werk, toben sich im Kritik-Buch Daron Acemoglu, Hans-Werner Sinn und Martin Feldstein aus.
„Anti Piketty“ ist im liberalen amerikanischen „Cato“-Institut erschienen – und die politische Mission dieses Buches bemerkt der Leser schneller als die des anderen Buches. Viele Beiträge befassen sich weniger mit Pikettys sachlichen Beiträgen, sondern versuchen, die Aufmerksamkeit auf ganz andere Fragen zu locken: Ist es nicht vielleicht gut, wenn die Reichen Geld haben und damit Arbeitsplätze schaffen? Gleich das Vorwort beginnt mit einem Rant darüber, wie viele Leute das Buch ungelesen lassen und sich trotzdem darauf berufen. „Ich hoffe, das Buch macht sich auf ihren Kaffeetischen gut“, ätzt Cato-Forscher Tom Palmer. Das ist ganz kurzweilig, ein inspirierter Verriss liest sich eben fast immer unterhaltsam.
Trotzdem gibt es in dem Buch mehrere sinnvolle sachliche Vorwürfe, auf die Piketty erst mal antworten müsste.
Kritik an Thomas Pikettys Daten
- Phillip Magness und Robert Murphy sehen sich Pikettys viel gelobte Datensammlung an und vergleichen Pikettys Daten mit den Originalquellen. Dabei stoßen sie immer wieder auf Ungereimtheiten. Es scheint, als habe Piketty gelegentlich Zahlen erfunden – und zwar so, dass sie zu seiner Hauptthese passen. Wenn Zahlen nicht zur Hauptthese passten, wählte Piketty anscheinend willkürlich zwischen verschiedenen Datenquellen hin und her – so lange, bis er die These passend hatte.
- Auch die „Financial Times“ hatte Pikettys Datenbasis kritisiert. Damals hatte Piketty geantwortet. „FT“-Autor Chris Giles sowie die Ökonomen Malin Sahlén und Salim Furth resümieren: Pikettys Antwort auf die FT entspricht nicht der Wahrheit, sie passt zumindest nicht zu seinen Daten.
Kritik an Thomas Pikettys Folgerung, die Reichen würden immer reicher
- Piketty spricht sich dagegen aus, die Rente zu privatisieren, bemerkt Juan Ramón Rallo. Wäre Piketty davon überzeugt, dass sich Kapital so zwingend vermehrt, dann müsste er den Arbeitern eigentlich möglichst viel Anlagen am Kapitalmarkt wünschen – vor allem eben die Rente.
- Daron Acemoglu erinnert daran, dass wachsende Ungleichheit oft dazu führt, dass sich Regeln und Institutionen verändern – ein Punkt, den auch Piketty in seinem Beitrag im Buch “After Piketty” inzwischen zugibt.
- Hans-Werner Sinn verweist darauf, dass die Reichen ihr Vermögen nicht immer nur vermehren, sondern auch aufbrauchen.
- Es ist eine simple, aber wirkungsvolle Rechnung, die Jean-Philippe Delsol anstellt: Wären die Vermögen der Reichen tatsächlich so schnell gewachsen, wie Piketty sagt – dann müssten die Reichen heute praktisch das komplette Weltvermögen ausmachen. Oder noch mehr.
- Und wie ist es: Werden die Reichen tatsächlich immer reicher? Juan Ramón Rallo guckt sich die „Forbes“-Liste der reichsten Weltbürger aus dem Jahr 1987 an. Damals hieß der reichste Mann der Welt Yoshiaki Tatsumi. Heute taucht Tatsumi auf der Reichstenliste überhaupt nicht mehr auf, er hat mindestens 96 Prozent seines Vermögens verloren. So geht es durch die „Top 10“ der 80er-Jahre: Keine einzige der reichsten Familien von damals ist heute noch an der Spitze. Nur drei konnten ihr Vermögen überhaupt vergrößern, aber längst nicht mit den Renditen, die Piketty voraussetzt. Sieben Familien haben Geld verloren. Spektakuläre Pleiten sind dabei, die meisten haben mehr als 70 Prozent ihres Vermögens abgegeben. Eine Generation später sind die „Top 10“ eben nicht die Erben der Reichsten von damals, sondern die Gründer ganz neuer Unternehmen.
Nicolas Lecaussin sekundiert: Vom reichsten Prozent der Amerikaner 1987 waren 20 Jahre später drei Viertel aus der Spitzengruppe herausgefallen, mehr als die Hälfte schaffte es nicht mal mehr unter die reichsten fünf Prozent.
Piketty selbst hat inzwischen seinen zentralen Satz zurückgenommen, indem er seiner Formel „r>g“ die Aktualität abgesprochen hat. Nach den Beiträgen im Buch “After Piketty” hat er noch einige weitere Fragen zu beantworten.
Ob Piketty am Ende Recht hat, wird immer zweifelhafter. Sicher ist aber eines: Die Fronten sind hart. Offenbar waren Fans und Gegner von Piketty nicht dialogfähig genug, ein gemeinsames Buch herauszugeben. Damit wird aber auch klar: So einseitig, wie ihr oft vorgeworfen wird, ist die Volkswirtschaftslehre gar nicht.
Das Blog:
Der Autor:
Es gibt keinen Trickle-Down-Effekt!
“Ist es nicht vielleicht gut, wenn die Reichen Geld haben und damit Arbeitsplätze schaffen? ”
Prof. Sinn und Gleichgesinnte haben immer noch nicht begriffen, dass es keinen Trickle Down Effekt gibt. Das ist vollkommen unmöglich, weil mathematisch und ökonomisch unmöglich.
Und das Piketty seine Formel revidiert hat, stimmt so auch nicht. Bitte nochmal genau lesen! Seine Formel ist im Jahr 2017 aktueller denn je. Denn die Vermögensungleichheit nimmt exponentiell zu. Zudem sind die realen Zins- und Kapitaleinkommen (nach Inflation und Steuern) deutlich gestiegen. Das sind Fakten und diese sind ideologiefrei. Wer das Gegenteil behauptet lügt! Selbstverständlich gehen im Laufe der Jahre Vermögen verloren. Aber es gibt eine eineindeutige Tendenz in den USA, aber auch in Europa, dass die Zentrierung der Vermögen seit 2010 wieder zunimmt. Auch dies ist unstrittig und zeigen sämtliche aktuellen Erhebungen.
Aber auch dies wird bald wieder zu einem Gleichgewicht geführt.
Wirtschaftswissenschaften und sogenannte "Bestsellers":Kate Raworth und Piketty
Kate Raworth ‘s narrative:”Doughnut Economics” und /oder versus
Piketty.
Raworth ausgesprochen “écolo” und Piketty “socio”.
Wie auch immer die Wirtschaftswissenschaften,wie jeder Wissenschaft eigens,die Wirtschaftswissenschaften sollten und müssen nie verwechselt
werden mit Wirtschaftspolitik,und mit “bilan des plaisirs “.[Essais sur la théorie de la science,Max Weber].
Aber,aber man sollte sich fürchten wenn ein oder zwei Ideen” mediatisch
“im Publikum geraten,ohne wissen wollen!
Im Blickfeld Ideen-Zusammenhänge vermeintliche "Antagonisten":Ayan Rand und Piketty..
Ihr Artikel und einer von Hans Achterhuis [Groene Amsterdammer ,21.06.2017] ,und insbesondere die unverständlich unversöhnliche “Fronten” macht immerhin ein wenig oder mehr stutzig und argwöhnend ,
was ja da sich versteckt.Die Fassade der immer mit Redlichkeit talentierte
Wirtschaftswissenschaftler sei und ist genügsam bekannt.
Nein kein Piketty versus Rand,ich meine Piketty und Rand.
Beiden ” Gesellschaftsdesigner” oder ernshaft befasst mit der Gestaltung
des Wirtschaftslebens aus fast “religiös- sittlicher” Sicht.
Die Frage lässt sich stellen ob ein Wirtschaftswissenschaftler sich wie ein
Seelsorger verhalten darf,wie die Kontrahenten beiden und das Gegenteil.
Ansätze zu einer Gesamtansicht und Analyse einer neuen ” Sittlichkeit ”
und harte Implementierung hat und gibt es noch immer,nein nicht nur die
sogenannte sozialistische Planung-Wirtschaft…
Piketty und Rand ,beiden Utopisten.
Beiden ganz verschiedener historischer “europäischer” Herkunft.
Beiden bejubelt und gehasst [da ändern neu gewählte und zusätzliche Zahlen/Data kein jota].
Wohl muß berücksichtigt werden dass die Wörter nicht immer und nicht länger bedeuten was sie üblicherweise bedeuten und/oder konzipiert waren.
Übersetzungen,Kontext verstehen -ein nicht alltägliche Kunst und Kunde-,”
Konfiskierung ” und “Legitimierung” zur politische Zwecken/Argumente[
des Angriffsspiels].
Wie unterschiedlich Piketty und Rand ,natürlich das stimmt .
Etwas stimmt nicht mit Unverständnis im typischen Wirtschaft- Bezirken.
Piketty und Rand gehören folgerichtig zusammen….
„Diese technologische Revolution könnten den dritten Weltkrieg auslösen“
Aha, und damit stimmt auch die Studie wohl nicht, auf die sich selbst die FAZ explizit in ihrem Beitrag vom 13.06.2017 (Die Reichen werden immer reicher) bezieht, nämlich dem Global Wealth 2017 (https://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/studie-global-wealth-2017-reiche-werden-immer-reicher-15059792.html). Ich zitiere hieraus einen Absatz: “”Zugleich werden die Reichen immer reicher: „Die Vermögensschere geht weiter auf“, sagte Matthias Naumann, Vorsitzender der BCG Schweiz, im Gespräch mit Journalisten in Zürich. Der Studie zufolge hielten Millionäre 2016 rund 45 (Vorjahr: 44) Prozent des globalen Vermögens in den Händen. Bis zum Jahr 2021 werde dieser Anteil auf 51 Prozent steigen. Zugleich würden die Vermögen durchschnittlich um 6 Prozent im Jahr wachsen und so binnen fünf Jahren auf 223 Billionen Dollar anschwellen, schätzt BCG.””
.
All die hier gegen Pikettys zentrale Aussage – die Reichen werden immer reicher – gerichteten Thesen, sind leere Polemik, soweit sie diese Statistik nicht zu entkräften verstehen. Sie alleine mit ideologischen Spitzfindigkeiten “Wäre Piketty davon überzeugt, dass sich Kapital so zwingend vermehrt, dann müsste er den Arbeitern eigentlich möglichst viel Anlagen am Kapitalmarkt wünschen – vor allem eben die Rente” in Frage zu stellen, ist wohlfeil.
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Ich setze dem noch hinzu, was ein anderer Zeitgenosse heute in einem FAZ-Beitrag indirekt dazu hinterlassen hat: „Diese technologische Revolution könnten den dritten Weltkrieg auslösen“ (Jack Ma: „Wir werden vier Stunden am Tag arbeiten“ – https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/netzwirtschaft/jack-ma-wirbt-fuer-technischen-fortschritt-globalisierung-15072343.html). Und man kann dies sprichwörtlich ungeschminkte Statement jenes ganz sicher des Sozialismus nicht verdächtigen Milliardärs auch in etwa so übersetzen. Wird dieser Reichtum nicht gerechter verteilt, will heißen: werden die Früchte dieser technologischen Revolution weiterhin so ungeniert einseitig verzehrt, kann das diesen Planeten zum Kippen bringen. Eine ähnliche Aussage hat übrigens auch Stephen Hawkings gemacht. Und der gibt der Welt nicht mehr allzu viel Zeit. Ein bisschen mehr politisches Verantwortungsbewusstsein und weniger ökonomische Besserwisserei wäre auf jeden Fall angebracht. Wenn die Welt kippt, also wenn es einen 3. Weltkrieg gibt, gehen nicht nur die “Verlierer” unter. Dann verlieren alle. Und nicht wenige wohl ihr Leben.
Der BCG-Bericht ist eine eigene Diskussion wert. Für den Zusammenhang mit Piketty nur so viel: Piketty will ein ehernes Gesetz des Kapitalismus aufstellen, BCG zählt aktuelle Daten aus. Von aktuellen Daten aus ein paar Jahren auf ein ehernes Gesetz zu schließen, wäre jetzt wirklich übertrieben.
Ehernes Gesetz
@Patrick Bernau:
Ich kann nicht erkennen, dass Piketty in seinem Buch ein ehernes Gesetz aufstehen will. Das ist im Bereich Ökonomie auch gar nicht möglich. Es gibt in der Ökonomie kein E = mc2. Er beschreibt mit r > g eine Entwicklung im kapitalistischen System, das in der heutigen Ausprägung auf einem auf dem Zinses basierenden Schuldgeldsystem funktioniert. Und selbstverständlich wird und muss r > g in einem solchen System immer wieder durch heftige Finanz- und Wirtschaftskrisen zu r <= g werden, zumindest kurzfristig wie 2009 und teilweise 2010. Viel wichtiger ist in diesem Zusammenhang K(n) = K(0) * (1+i) hoch n. Denn diese Formel, die den Zinseszinseffekt beschreibt, sorgt dafür, dass das auf dem Zins basierende Schuldgeldsystem irgendwann zusammenbrechen muss. Das ist mathematisch eineindeutig.